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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Reise 5/2016

Weißwein in Schleifen

Genussradeln: Ohne sportliche Hochleistung geht es an der Mosel von Straußwirtschaft zu Café.

Foto: Moselland-TouristikDas ist nicht unsere Autorin. Doch so oder ähnlich sahen ihre Pausen in den Weinbergen hoch über der Mosel aus.
Foto: Jutta SchmidtDie Radfahrer-Herberge in Kues bietet gemütliche Betten und leckeres Frühstück.
Foto: Steffen Schmitz (Carschten)/Wikimedia CommonsBeeindruckend: auf der historischen Doppelstockbrücke über die Mosel radeln
Foto: Matthias Berg

Alle 20 Kilometer ein Weißwein – so lautet am Ende unsere Entscheidung. Die Überlegung: Radeln wir die etwa 200 Kilometer Moselradweg von Trier bis Koblenz in zwei sportlichen oder in drei gemütlichen Etappen? Die Wahl fällt auf gemütlich. Doch dann bitte wenigstens mit Weißwein-Pausen, die den sportlichen Ehrgeiz besänftigen.

An kaum einem Fluss kann man Radeln und Weintrinken so gut verbinden wie an der Mosel. Das größte Steillagenweinbaugebiet der Welt umfasst mit über 5300 Hektar die weltgrößte Riesling-Anbaufläche. Das uralte Gestein des Rheinischen Schiefergebirges an der Mittel- und Untermosel bildet seit dem ersten Jahrhundert die Grundlage für den Anbau vor allem weißer Rebsorten. Das Resultat, wie es Moselland-Touristik formuliert: „An dieser Premiumstrecke für Radler gibt es besonders viele attraktive Einkehrmöglichkeiten, um für das leibliche Wohl zu sorgen.“ Restaurants, Hotels, Cafés und Straußwirtschaften – von Winzern betriebene Saison-Gasthöfe – säumen den Weg entlang der Schieferfelsen, Weinbergterrassen und Burgruinen.

Erster Weinstopp hinter der mittelalterlichen Stadt Trier ist Neumagen-Dhron. Das waren etwa 40 Kilometer. Noch ist er hellwach, der sportliche Ehrgeiz. Neumagen-Dhron beansprucht neben einer Reihe anderer Orte den Titel „Ältester Weinort Deutschlands“ für sich. Eine der bekanntesten Dhroner Weinlagen: das Piesporter Goldtröpfchen. Da hatte jemand Humor. Vermutlich der Winzer aus der Nachbargemeinde Pies-port, der 1868 erstmals dreizehn Flaschen Goldtröpfchen nach Berlin verkaufte, zum Preis vom damals stattlichen sechs Mark je Flasche. Das 0,1er-Glas Riesling halbtrocken schmeckt, den Dreiviertelliter gibt es heute für sechs Euro.

Premium ist die Moselstrecke nicht nur in kulinarischer Hinsicht, auch die Radwege sind größtenteils speichen- und knochenschonend befahrbar. Fast überall verläuft auf beiden Uferseiten ein nutzbarer Weg. Jeweils einen bestimmen die Routenführer als Hauptstrecke. Über zahlreiche Brücken wechseln wir zwischen den Moselufern.

Flussradeln ist Radwanderurlaub in seiner komfortabelsten Form. Hunderttausende packen jedes Jahr ihre Radtaschen, schwingen sich auf den Sattel und radeln die Elbe, den Rhein oder die Donau entlang. Acht der zehn meistgefahrenen deutschen Radfernwege liegen an Flüssen, hat der ADFC 2016 ermittelt. Der Moselradweg landet auf Platz 8.

Flussradeln ist Luxusradeln

Flussradwege sind in der Regel gut ausgebaut, Steigungen die Ausnahme. Oftmals können Teilstrecken mit der Bahn zurückgelegt werden, auch die An- und Abreise mit dem Zug ist meistens bequem möglich. Es gibt reichlich Unterkünfte an der Strecke. Wer nachmittags anfängt, nach einem günstigen Zimmer für die Nacht zu suchen, hat in der Regel Erfolg. Nur in der Hauptsaison sollten die Telefonate am Vorabend erfolgen.

Unsere Gastgeberin der ersten Nacht lebt in Bernkastel-Kues, weitere 40 Kilometer hinter Neumagen-Dhron. Jutta Schmidt betreibt im historischen Kern von Kues die gemütliche Radfahrer-Herberge in einem historischen Backsteinhäuschen. Ihre Mission: Flussradler glücklich machen. Der ADFC hat ihre Pension als fahrradfreundliche „Bett & Bike“-Unterkunft ausgezeichnet. Zum Radler-Wohlgefühl gehört unter anderem ein „vitamin- und kohlehydratreiches Frühstück“. Wer bei Jutta Schmidt darauf verzichtet, verpasst eine ungestörte, urgemütliche Mahlzeit an einem liebevoll dekorierten Tisch, bei Kerzenschein und Blumenduft in einem kleinem Anbau, geschmückt mit Möbelstücken, Bildern, Andenken und Geschirr aus den vergangenen Jahrzehnten.

Hinter der Radfahrer-Herberge führt ein steiler Weg in die Weinberge hoch über der Mosel auf einen zwei Kilometer langen Weinlehrpfad. Nach dem Frühstück eignen wir uns dort die Theorie der Weißweinproduktion an. Der sportliche Ehrgeiz schlummert mittlerweile vor sich hin. Nächstes Ziel in 20 Kilometern: Traben-Trarbach. Riesling halbtrocken, 0,1 Liter, am Moselufer in der Sonne.

Ab und zu führt der Moselradweg in die Weinberge, dann gilt es, ein paar Höhenmeter wegzustrampeln. Davon abgesehen fliegen wir mit dem Rückenwind – bis uns die nächste Flussschleife abrupt ausbremst. Die tief eingeschnittenen Talmäander, die die Strecke traumhaft schön machen, sorgen auch für Abwechslung bei der Trittfrequenz. Waren wir eben noch mit 30 Stundenkilometern unterwegs, kämpfen wir nun mit 10 km/h gegen den Wind an.

Alf und die Doppelstockbrücke

Kurzer Fotostopp am Ortsschild der Gemeinde Alf. Nach dem großen Erfolg der US-amerikanischen Fernsehserie wurde es Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre mehrfach gestohlen. Als Reaktion bot die Gemeinde schließlich eigens hergestellte Ortsschilder zum Kauf an. Auf der Rückseite unterschrieb der Bürgermeister, um diese legalen Schilder von den geklauten unterscheidbar zu machen.

Über eine denkmalgeschützte Doppelstockbrücke, auf der die Moselbahn oberhalb der Landesstraße entlangrattert, führt der Moselradweg ins gegenüberliegende Bullay. 22 Kilometer noch bis zum Tagesziel: dem „Dornröschen an der Mosel“ (Eigenwerbung) Beilstein. 140 Menschen leben in der kleinen Siedlung, die den Charakter einer winzigen Stadt beibehalten hat: mit einem Marktplatz, einem Kloster und einer Burg. In der Hauptsaison strömen täglich geschätzt zehnmal so viele Besucher wie Einwohner in das Dorf mit dem wohl besterhaltenen historischen Ortskern an der Mosel. Eine Unterkunft mit Charme haben wir auch für diese Nacht ergattert: Die Wirtin der Klapperburg hat mehr als 500 Kaffeemühlen aus drei Jahrhunderten gesammelt und stellt sie im Empfangsbereich, im Café und Frühstücksraum aus. Ihr Bruder betreibt mit seiner Familie den Gasthof am Marktplatz gegenüber – jeder kennt jeden, das bleibt nicht aus. Über einer Halbliter-Karaffe Elbling kommen wir schnell ins Gespräch mit den Einheimischen.

Mit dem Fahrrad durch die Luft

Am dritten Tag ruft der Rhein, in den die Mosel am Deutschen Eck in Koblenz mündet. Dort, auf der künstlich aufgeschütteten Landzunge, tummeln sich am späten Nachmittag Besucher und Einheimische, Wanderer und Radtouristen auf und bei den Stufen des monumentalen Reiterstandbilds Wilhelms I. Nach einem Ziel-Selfie radeln wir über die Rheinpromenade, anlässlich der Bundesgartenschau 2011 umfangreich saniert und für Radfahrer freigegeben, zur Seilbahn Richtung Festung Ehrenbreitstein. Auch unsere Fahrräder dürfen in einer der 18 Gondeln über den Rhein schweben und 112 Höhenmeter in vier Minuten überwinden. Der Blick aus der geräumigen Gondel über Stadt, Festung, Fluss ist im wörtlichen Sinne ein Höhepunkt unseres letzten Radeltages. Die preußische Befestigungsanlage Ehrenbreitstein aus dem 19. Jahrhundert bedient heute als ein Kulturzentrum mit Ausstellungshäusern, Restaurants und einer Jugendherberge. Zum Abschluss der Tour, mit Panoramablick auf Rhein und Mosel in der Abendsonne – gibt es ein Radler.

Kirsten Lange

Genussradeln an der Mosel

Unterkünfte

„Radfahrer-Herberge“, Weingartenstraße 2, 54470 Bernkastel-Kues, Tel.: (06531) 4261 www.bettundbike.de

„Klapperburg“, Bachstraße 33, 56814 Beilstein, Tel.: (02673) 1417 www.klapperburg.de

Anreise

Zwischen Koblenz und Trier und zurück fahren zweimal stündlich Regionalzüge, die in vielen Orten am Moselradweg halten. Der Hauptbahnhof Koblenz wird stündlich von Intercitys aus Richtung Hamburg über Köln und Bonn und mehrmals täglich von Intercitys und Eurocitys ab München angefahren. Weitere Direktverbindungen, auf denen Fahrräder erlaubt sind, gibt es unter anderem ab Mainz, Mannheim oder Frankfurt/Main Hauptbahnhof.

Fahrradmitnahme in der Bahn

Regionalexpress, Interregio-Express, Regionalbahn und S-Bahn nehmen Fahrräder ohne Reservierung mit – solange der Platz im Fahrradabteil reicht. Im Fernverkehr muss ein Stellplatz reserviert werden. Eine Fahrkarte für den Drahtesel braucht man im Fernverkehr immer, im Nahverkehr meis-tens. In Rheinland-Pfalz transportiert die DB in ihren Regionalzügen Fahrräder kostenlos: unter der Woche ab 9 Uhr, an Wochenenden und Feiertagen ganztägig. Weitere Infos zur Fahrradmitnahme bei der Deutschen Bahn

Fahrradmitnahme in der Seilbahn

Wer mit dem Rad hoch hinaus auf die Koblenzer Festung Ehrenbreitstein will, erreicht diese am bequemsten durch die Luft. Die Seilbahn Koblenz nimmt Drahtesel für zwei Euro mit, Erwachsene zahlen neun Euro für die Hin- und Rückfahrt.
www.seilbahn-koblenz.de

fairkehr 5/2023