Reise 5/2008

Reiseland Österreich

Powerfrauen auf der Alm

Im Salzburger Land lockt eine neue Generation von Sennerinnen Wanderer mit deftigen Jausen und originellen Ideen zur Einkehr.

Foto: Reinhard Lamm
Die Kühe geben Milch, auch wenn die Sennerin Jeans statt Dirndl trägt.

Ob der unbekannte Wanderer auf der Sulzkaralm bei Filzmoos die Sennerin womöglich mit einer Sirene verwechselte? Jedenfalls hatte er nach seinem Besuch zum Abschied ins Hüttenbuch geschrieben: „Die Sennerin, a liabes Mädl, hat verdreht uns hier die Schädl.“

Verstehen können wir den liebestollen Poeten schon, wenn man sich die „Gitti“, wie alle die Brigitte Ebner nennen, anschaut. Mit ihren blonden Haaren und den cool auf den Hüften sitzenden Jeans würde die junge Frau in der Disko eine ebenso gute Figur machen, wie sie es auf der Alm unter der Bischofsmütze tut, wo sie in diesem Jahr schon den vierten Sommer verbringen wird. Mit acht Milchkühen, einem Hirtenhund, nur einem Kartenspiel als Zeitvertreib, aber „vui Spass“. Es weht ein frischer Wind auf Österreichs Almen. Wo früher knorrige Knechte selbst die harmlose Frage nach dem Weg schon mal mit der drohenden Mistgabel beantworteten, pflegt heute immer häufiger ein neuer Typ Sennerin diese einmalige Kulturlandschaft. Besonders zu bewundern sind die starken Frauen im „Land der Almen“, wie das Salzburger Land statistisch korrekt genannt wird. Denn im Pongau, Lungau und Umgebung zählt man 20 Prozent aller österreichischen Almen; insgesamt sind es 1839, mehr als 67000 Rinder und Kühe grasen auf ihnen.

Mit Bergmessen, Sonnwendfeiern, lustigen Almfesten und last, not least hausgemachten Jausen haben die neuen Sennerinnen viele Almen wieder zu einer Attraktion für Wanderer gemacht, die den Genuss dem Gipfel vorziehen. Dass die Unternehmerinnen auf der Alm auch ihr Geschäft im Auge behalten – wer würde das nicht verstehen?

Was zum Beispiel Gabi Löcker in einer Saison verkauft, würde so manchen Inhaber eines Feinkostladens im Tal vor Neid erblassen lassen. Ihre Schwarzenbichlalm liegt im Riedingtal, in einem ursprünglichen, 3600 Hektar großen Naturpark in den Radstädter Tauern. Stolze 18 Tonnen Milch verarbeitet die engagierte Biobäuerin von ihren eigenen Kühen jeden Almsommer in der chromblitzenden Käserei zu Alm-, Bier-, Pfefferkäse und vier weiteren leckeren Sorten. Wenn sie im Spätsommer ins Tal auf ihren Hof im Lungau zurückkehrt, ist bis auf ein paar Krümel alles an Wanderer verkauft. Ein Erfolg, den sie sich hart erarbeitet hat: Noch immer ist ein 16-Stunden-Tag für Almbäuerinnen keine Seltenheit. Dazu hat die Gabi noch zwei Töchter. Die jüngste kam im Alter von vier Tagen auf die Alm. Doch den Aufstieg hat die Sennerin ebenso wenig bereut wie die Kollegin aus dem Riedingtal, Heidi Kremser. Mit ihrem Mann hat die temperamentvolle Bäuerin die Zauneralm wiedereröffnet. Und neben Viehwirtschaft und Jausenstation gleich noch eine weitere Marktlücke entdeckt. Als „Kräuterweibl“ vom Riedingtal rührt sie aus Wundklee, Beinwell, Thymian und anderen Almkräutern heilsame Salben an. Liebesbriefe bekommt sie zwar nicht ins Hüttenbuch geschrieben, aber begeisterte Zuschriften über die Wirkung ihrer Cremes – die werden, wie es sich für moderne Sennerinnen gehört, auf die Alm gemailt.

Dieter Schweiger

   
 

Wo bitte geht’s zur Sennerin?

  • Sulzkaralm Dachstein, 1540 Meter hoch gelegen. Von Filzmoos über Aualm und Hofpürglhütte immer zu Füßen der Bischofsmütze wandern. Telefonisch zu erreichen über Familie Ebner, Knabelhof,
    Tel.: +43 (0)6453 8516
  • Die Schwarzenbichlalm im Lungau liegt 1350 Meter hoch im Riedingtal; ein wunderbares Wandergebiet (von Zedernhaus aus). Nach dem Almabtrieb ist die Hütte zu mieten. Ab 190 Euro/Tag, bis 14 Pers.,
    Tel.: +43 (0)6474 76 30
  • Zauneralm Die Hütte vom Kräuterweibl Heidi Kremser liegt ebenfalls im Riedingtal, auf 1733 Meter Höhe. Übernachtungen bis 9 Pers., Tel.: 0+43 (0)6478 378,
    www.zauneralm.at.tf
   
 

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