Editorial 3/2008
 

Die bedrohte Art sind wir

 
Michael Adler

Foto: www.marcusgloger.de

Die Osterinsel liegt einsam im Pazifik, Tausende von Kilometern entfernt von Chile und Tahiti. Wahrscheinlich wurde dort vor gut 700 Jahren eine ökologische Katastrophe in Gang gesetzt, die fast die gesamte Bevölkerung auslöschte. Nachdem die polynesischen Siedler 500 Jahre lang nachhaltig das fruchtbare Land der kleinen Insel genutzt hatten, legten sie aus unbekannten Gründen um 1300 n. Chr. den Schalter um. Sie rodeten die Palmenwälder, die den Boden auch an den Vulkanhängen festhielten, großflächig und betrieben intensiven Ackerbau. Die Bevölkerung wuchs auf viele tausend Menschen an. Gigantische Steinstatuen entstanden unter bisher ungeklärten Umständen. Wissenschaftler der Universität Kiel gehen heute davon aus, dass diese scheinbare Blüte menschlicher Kultur ein bis zwei Jahrhunderte andauerte. Dann waren alle Wälder gerodet, die Böden erodiert, die Nahrungsmittelproduktion kollabiert und die Menschen hatten sich wahrscheinlich zuletzt in Kriegen fast ausgerottet. Die Abgelegenheit der Insel machte eine Flucht unmöglich.

Ein ähnliches Experiment betreiben wir seit gut 100 Jahren mit unserem Planeten Erde. Ohne einen Ausweichplaneten entdeckt zu haben, richten wir unsere ökologische Basis zugrunde. Die menschliche Lebensweise vor allem seit Beginn der Industrialisierung zeichnet sich dadurch aus, dass sie natürliche Lebensräume zerstört, Flüsse begradigt, Feuchtgebiete entwässert, Biotope zerschneidet, Böden versiegelt, die Landwirtschaft mit Pestiziden und Insektiziden ausweitet und nicht zuletzt durch die menschengemachte Klimaerwärmung Vegetationszonen im Zeitraffer verschiebt.

Als Kollateralschaden sterben immer mehr Pflanzen- und Tierarten aus. Tragisch und medial viel beweint, wenn es so niedliche Tiere sind wie die Eisbären oder die Orang Utans. Der Kollaps vieler Fischbestände in den Ozeanen oder einer Vielzahl von Amphibien und Insekten finden da schon weniger Beachtung, nach dem Motto: „Kann man nicht streicheln und schmeckt mir sowieso nicht.“

Auf der Roten Liste der Weltnaturschutzunion (IUCN) stehen derzeit über 16000 Tier- und Planzenarten. Sie gelten damit als akut vom Aussterben bedroht. Oft zieht das Verschwinden einer Art die Gefährdung vieler anderer Arten nach sich, weil das komplexe Zusammenspiel eines Biotops gestört ist.

Ein Beispiel: Auf der Bonner Biodiversitätskonferenz Ende Mai war an einem Stand zu sehen, was es alles nicht mehr gibt, wenn die Bienen aussterben. Obst wird zu 80 bis 90 Prozent von Bienen bestäubt. Paprika, Kürbisse, Himbeeren und Viehfutter wie Klee ebenso. Das mysteriöse Bienensterben in den USA und zuletzt auch in Süddeutschland kann bisher kein Forscher erklären. Sie stellen einfach den totalen Kollaps der Bienenvölker fest. Die Ursachen sind wahrscheinlich menschengemacht und vielfältig. Wie auch die Folgen.

Eine Anzeige des Bundesumweltministeriums zur UN-Konferenz in Bonn brachte den Handlungsdruck auf den Punkt: Im Urwald sitzt ein nackter Mensch auf einem Ast und auf einem Schild im Vordergrund steht geschrieben: „Die bedrohte Art sind wir.“

Einen schönen Sommer wünscht Ihnen

 

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