Titel 1/2008

Umweltfreundliche Frachtschiffe

Der Wind bläst umsonst

Mit Windantrieb lässt sich der Ausstoß von CO2 und Abgasen auf hoher See senken. Einzelne Konzepte sind umgesetzt.

 
Foto: SkySails  
Ihre Jungfernfahrt unternimmt die MS Beluga SkySails nach Venezuela, beladen mit Bauteilen für eine Spanplattenfabrik.  

Heinz Otto ist ein Mann mit einer Mission. Der 65-jährige ehemalige Hamburger Schiffbauingenieur vom Bundesverband Windenergie kämpft seit 30 Jahren für die Renaissance von Frachtseglern. Er hat Fachgespräche, Runde Tische und Pressekonferenzen organisiert und unzählige Briefe ans Umwelt- und Verkehrsministerium geschrieben. Im Windantrieb sieht Otto die einzig mögliche Zukunft für den Gütertransport auf See. Denn die Meere werden immer schmutziger, das Öl wird knapp und in Zeiten des Klimawandels gerät der hohe Treibhausgasausstoß der Schifffahrt zunehmend in die Kritik.

In den vergangenen vier Jahren haben sich die Schiffsdieselpreise mehr als verdoppelt. Der Wind bläst dagegen für umsonst. „Ein Windantrieb ist nicht nur ökologisch sinnvoll, die Reeder würden damit auf längere Sicht erhebliche Kosten sparen“, sagt Heinz Otto.

Einige Reedereien beginnen deshalb umzudenken, beispielsweise die Bremer Beluga Shipping GmbH. Chef Niels Stolberg ließ einen Schwergutfrachter mit einem Zugdrachensystem ausrüsten, mit sogenannten SkySails. Am Bug des Frachters ist mit einer Leine ein 160 Quadratmeter großer Gleitschirm befestigt, der dem Schiff in 100 bis 300 Metern Höhe Vortrieb gibt und die Motoren dadurch entlastet. Je nach Wind werden voraussichtlich zehn bis 15 Prozent Treibstoff eingespart. Weitere Vorteile: Die SkySails können ohne großen Umbau an Deck installiert werden und behindern nicht beim Laden und Löschen. Reeder Stolberg ist so überzeugt vom Zugdrachensystem, dass er zwei weitere Schwergutschiffe mit bis zu 600 Quadratmeter großen Segeln ausrüsten lassen will. Dabei hielt die Branche den SkySails-Erfinder Stephan Wrage für einen Öko-Spinner, als er 2001 seine Firma gründete. Mittlerweile wird das Projekt ernst genommen. „In der kommerziellen Schifffahrt könnte der Zugdrachen gerade im Segment der kleineren Schiffe, die unter 20 Knoten fahren, außerordentlich sinnvoll sein“, sagt Max Johns, Sprecher des Verbands Deutscher Reeder VDR. „Mehrere Reedereien richten ihre Schiffe inzwischen auf die Möglichkeit ein, den Drachen einzusetzen.“

In diesem Jahr soll auch ein Schwergutfrachter fertiggestellt werden, der zusätzlich zu seinen Dieselmotoren mit vier Flettner-Rotoren angetrieben wird. Der ostfriesische Windanlagenhersteller Enercon lässt das Schiff zurzeit unter dem Namen E-Ship produzieren. Erhoffte Treibstoffeinsparung: mindestens 30 Prozent. Das Prinzip ist mehr als 80 Jahre alt: Ingenieur Flettner entwickelte es in den 1920er Jahren. Ein Flettner-Rotor sieht aus wie eine riesige Litfasssäule, die sich, durch einen Motor angetrieben, ständig dreht. Trifft Wind darauf, teilt sich die Strömung. Sie wird auf der einen Seite durch die Drehung beschleunigt, auf der anderen abgebremst. Dadurch entsteht ein Sog wie bei einer Flugzeugtragfläche, der das Schiff nach vorn treibt.

Umdenken dringend nötig

Reedersprecher Johns glaubt, dass es in Zukunft mehr solcher Mischantriebe geben werde. „Jedoch wird kein Antrieb die Seeschifffahrt grundlegend verändern“, sagt er. Großcontainerschiffe sind mit bis zu 26 Knoten, knapp 50 Stundenkilometern, unterwegs. Bei diesem Tempo ist ein Windantrieb nicht mehr sinnvoll, da die Schiffe dem Wind vorausfahren. „Wenn die Energiekosten jedoch weiter steigen, werden auch Containerschiffe langsamer, um Treibstoff zu sparen“, sagt Peter Schenzle, ehemaliger Mitarbeiter der Hamburgischen Schiffbau-Versuchsanstalt und Experte für Windantriebe. „Und dann kommen sie in einen Geschwindigkeitsbereich, wo sie mit dem Windantrieb etwas anfangen können.“ Bis dahin werden wohl nur einzelne Reeder ihre verhältnismäßig langsamen Schwergutfrachter mit Flugdrachen oder Riesenzylindern ausrüsten. „Der Ersatz des Dieselmotors als Schiffsantrieb durch Windkraft ist sicherlich nur in Nischen und auf längere Sicht möglich“, heißt es ohne Innovationsfreude aus dem Bundesverkehrsministerium, das auch für maritimen Umweltschutz zuständig ist.

Heinz Otto hofft auf ein Umdenken der politisch Verantwortlichen und der Reeder: „Es werden Zeiten kommen, in denen Schiffe mit immer weniger Treibstoff auskommen müssen. Können sie das nicht, wird der Welthandel Schiffbruch erleiden.“

Kirsten Lange

www.windschiffe.de

   
 

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