Titel 1/2008

Donauausbau

Der freie Fluss

Der letzte frei fließende Abschnitt der Donau in Deutschland
soll reguliert werden. Die bayerische Landesregierung will die Donau als Schifffahrtsstraße nach Osteuropa optimieren.

 
Foto: Christian Sedlmeier  
„Rettet die Donau“ fordern Naturschützer in Bayern. Ihre Landesregierung möchte die Mühlhamer Schleife durchstechen und eine tiefe Fahrrinne bauen.  

Im Jahr 2002 schien die Sache bereits geklärt: Im deutschen Bundestag stimmte die Mehrheit für einen Ausbau der niederbayerischen Donau, und zwar ohne zusätzliche Staustufen. Neben dieser kostengünstigen „Variante A“ ließ die Bezirksregierung im folgenden Raumordnungsverfahren dennoch weitere Varianten mit Staustufen prüfen – auf besonderen Wunsch der bayerischen Staatsregierung.

Die derzeitige Lage: Auf einer Länge von etwa 70 Kilometern ist die Donau noch nicht mit Staustufen verbaut. Die Ufer sind zum Teil mit Wasserbausteinen gesichert, flache Ufer werden von Kiesstränden gesäumt, teilweise begleiten Auwälder den Fluss. Die Mühlhamer Schleife südlich von Deggendorf ist zum Symbolbild für die noch nicht begradigte, aber schiffbare Strecke geworden. Die Fahrrinne ist rund zwei Meter tief, seit sie regelmäßig freigebaggert wird, außerdem wurde eine Engstelle im Festgestein des Bayerischen Waldes erweitert.

Die „Variante A“ ohne Staustufen gilt unter Fachleuten des Naturschutzes als akzeptabler Kompromiss zwischen der Ökologie und den Ansprüchen der Schifffahrt: Sie setzt auf weitere Baggerungen in der Fahrrinne, die zusammen mit Buhnen und Leitwerken für einen Wasserstand von 2,20 Metern sorgen sollen. Feste Kanalwände wären nicht notwendig, zum Teil könnten Uferbefestigungen beseitigt werden.

Eine „positive landesplanerische Beurteilung“, wie es im Abschlussbericht des Verfahrens heißt, erhielt aber nur die „Variante C“ mit Staustufe und Seitenkanal: Hier ist ein Durchstich der Mühlhamer Schleife geplant. Die Flussschlinge würde vom Hauptfluss abgetrennt und die Fahrrinne der Strecke auf eine Tiefe von etwa 2,40 bis 2,70 Meter ausgebaut werden. Die Bezirksregierung kam im Gegensatz zu einigen beteiligten Naturschutzverbänden und Fachbehörden zu dem Schluss, dass dieser erhebliche Eingriff in die Natur durch diverse Maßnahmen ausgleichbar sei. Eine weitere, von der Schifffahrt bevorzugte Variante mit drei Staustufen wurde als ökologisch nicht ausgleichbar verworfen.

Lebendiger Fluss oder Transportkanal?

Mehrere Abschnitte der frei fließenden Donau einschließlich der Isarmündung in die Donau sind europäische Natura-2000-Schutzgebiete mit Auwäldern, Altwassern und Röhricht. „Eingriffe, die das Ökosystem der Auen in ihren Grundfunktionen beeinträchtigen, lehnen wir ab“, sagt Ulrike Lorenz, Biologin und Beauftragte des Landesbundes für Vogelschutz, zu den Ausbauplänen mit Staustufe. „Der Donauabschnitt zwischen Straubing und Vilshofen ist einer der Schwerpunkte der Artenvielfalt Bayerns und von herausragender Bedeutung für die europäische Vogelwelt. Hier rasten Zugvögel und finden Nahrung – im Frühling auf überschwemmten Auwiesen, im Herbst im Schlamm der trocken gefallenen Altwasser. Und wenn anderswo die Gewässer zufrieren, bleibt die frei fließende Donau eisfrei. In kalten Wintern kommen hier einige zehntausend Wasservögel zusammen.“

 
Foto: Irene Gronegger  
Donau bei Niederalteich mit Kiesufer und Buhnen: Schifffahrt mit dem Fluss  

Viele weitere, teils gefährdete Tier- und Pflanzenarten sind darauf angewiesen, dass ihre Lebensräume an der Donau erhalten bleiben. Zum Beispiel die Auwälder: Sie sind an die wechselnden Wasserstände des Flusses angepasst. Bei Hochwasser saugen sie das Wasser wie ein Schwamm aus den Fluten und geben es allmählich wieder an die Umwelt ab. Starke Strömungen lagern Kiesbänke um und schaffen dabei neue Flächen für Pionier-Arten. Die geplante Staustufe würde aber für möglichst gleichmäßige und ruhige Wasserstände sorgen und diese natürliche Auendynamik abbrechen, der Rückstau würde bis ins Isarmündungsgebiet reichen. Außerdem könnte eine Staustufe die Fische behindern: In der niederbayerischen Donau leben immerhin 23 bedrohte Arten der Roten Liste Bayern, und manche von ihnen brauchen einen frei strömenden Fluss.

 
Foto: Heinz Tuschl  
In den Auwäldern der Donau brütet das selten gewordene Blaukehlchen.  

Dass die Regierung in ihrem Gutachten dennoch die Variante C bevorzugt, liegt an der erwarteten Entwicklung der Güterschifffahrt: Im Gegensatz zur Variante A sei die Variante C mit Staustufe in der Lage, die vom Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung prognostizierte Verkehrsnachfrage zufriedenstellend zu bewältigen und die Schifffahrtsbedingungen in diesem Donauabschnitt spürbar zu verbessern. Auch hier regt sich Widerspruch: „Es hat keinen Sinn, die Donau für Massengüter-Schiffe zu kanalisieren“, so Georg Kestel, Landschaftsarchitekt und Donauexperte einiger bayerischer Naturschutzverbände. „Für den Containerverkehr reicht die Fahrrinnentiefe schon aus – das eigentliche Nadelöhr ist der Rhein-Main-Donau-Kanal, wo die Durchfahrtshöhen unter den Brücken erhöht werden müssten.“ Nach Einschätzung der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Süd ist die Strecke vom Main zur Donau für dreilagig beladene Containerschiffe und auch für die großen Kreuzfahrt-Kabinenschiffe mit Vorsicht zu befahren: Bei hohem Wasserstand bleibt manchen Schiffen vor historischen Brücken nichts anderes übrig, als auf fallende Pegel zu warten.

Konkurrenz zur Schiene

Als politisches Argument für den Ausbau der Donau wird von Seiten der CSU-Landesregierung eine Entlastung des Straßenverkehrs prognostiziert. „Tatsache ist aber, dass der staugestützte Ausbau der Donau nur dem Massenguttransport dient, der in Konkurrenz zur Schiene tritt. Die Bahn kann die gleiche Menge billiger und umweltfreundlicher transportieren“, sagt Toni Hofreiter, MdB und Obmann im Verkehrsausschuss des deutschen Bundestages. Immer wieder werde die besonders umweltfreundliche Beförderung mit Binnenschiffen ins Feld geführt. Dabei habe das Umweltbundesamt schon 2005 festgestellt, dass die Bahn wesentlich umweltfreundlicher transportiere als das Schiff, argumentiert der grüne Bundestagsabgeordnete. Vor allem verbrauche die Bahn nur etwa halb so viel Energie. Was die Stickoxid-Belastung angehe, sei die Binnenschifffahrt sogar schädlicher als der Lkw-Verkehr. Die frei fließende Donau zu bewahren, ist nicht nur aus ökologischen Gründen unabdingbar – auch die Region profitiert davon. Die ungestaute Donau und ihre angrenzenden Auen sichern das Grundwasservorkommen und sind als natürliche Rückhalteräume eine gute Basis für den Hochwasserschutz. Und nicht zuletzt zeigt die wachsende Personenschifffahrt, dass auch die Tourismusbranche eine intakte Donaulandschaft braucht.

Irene Gronegger

Mehr Lesen im Internet:
www.danubecampaign.org
www.lbv.de
www.bn-deggendorf.de

   
 

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