Magazin 5/2007

„Entschädigung schon nach 30 Minuten“

VCD-Bahnreferentin Heidi Tischmann plädiert für mehr Fahrgastrechte.

 

 
Foto: VCD  
Heidi Tischmann ist Bahnreferentin beim VCD.  

 

fairkehr: Ab 2008 sollen Bahnkunden in mindestens fünf Bundesländern bei Verspätungen im Nahverkehr Entschädigung erhalten. Das muss den VCD doch freuen.
Tischmann: Das ist im Prinzip ein richtiger Schritt. Bislang gewährt die Deutsche Bahn lediglich bei Verspätungen im Fernverkehr Entschädigungen – das muss auf den Nahverkehr ausgeweitet werden. Allerdings will die Bahn erst ab einer Stunde Verspätung 25 Prozent des Fahrpreises erstatten, 50 Prozent nach zwei Stunden Verspätung. Diese Zeitspanne ist bei den verhältnismäßig kurzen Fahrten im Nahverkehr zu hoch. Dazu kommen die relativ niedrigen Fahrpreise, die eine Erstattung sehr gering ausfallen lassen. Insgesamt ist damit die Regelung nicht ausreichend. Denn den Fahrgästen entsteht der gleiche individuelle Schaden wie bei Verspätungen im Fernverkehr.

fairkehr: Warum kommt der Vorstoß der DB gerade zu diesem Zeitpunkt? Immerhin werden zurzeit doch auch die Eckpunkte von Justizministerin Zypries für mehr Fahrgastrechte diskutiert, die Bahnkunden im Nahverkehr noch weitergehende Rechte einräumen.
Tischmann: Die DB setzt damit im Grunde Teile einer EU-Verordnung für mehr Fahrgastrechte um, die 2009 in Kraft tritt. Möglicherweise will das Unternehmen mit seinen freiwilligen Entschädigungen einer schärferen gesetzlichen Regelung das Wasser abgraben. Zypries’ Eckpunkte sehen nämlich unter anderem vor, dass Bahnkunden bei Verspätung eines Nahverkehrszugs ohne Aufpreis auf ein anderes Schienenverkehrsmittel, beispielsweise einen ICE, umsteigen dürfen. Das begrüße ich sehr. Denn das Hauptinteresse der Fahrgäste ist es, ihr Ziel so schnell wie möglich zu erreichen. Und es ist gut, dass es im Nahverkehr mit seinen vielen unterschiedlichen Anbietern eine einheitliche Regelung bei Verspätungen geben soll.

fairkehr: Sind die Eckpunkte also Grund zum Jubeln für den VCD?
Tischmann: Nicht ganz. Die Eckpunkte sehen vor, Bahnkunden nach einer Stunde Verspätung im Fernverkehr ein Viertel des Fahrpreises bar zurückzuzahlen, nach zwei Stunden die Hälfte des Preises. Das reicht nicht. 25 Prozent müssen bereits bei einer halben Stunde Verspätung erstattet werden. Außerdem fehlen Regelungen für die Reisekette. Wenn mein Regionalexpress 20 Minuten Verspätung hat, ich deshalb den Anschluss verpasse und mit dem ICE erst zwei Stunden später am Ziel ankomme, habe ich keinen Anspruch auf Entschädigung – weder im Nah- noch im Fernverkehr. Das muss sich unbedingt ändern.

fairkehr: Mit der Veröffentlichung der Eckpunkte nimmt das Justizministerium die Bestimmungen der EU-Verordnung für mehr Fahrgastrechte vorweg. Ist das nicht eigentlich vorbildlich?
Tischmann: Wir begrüßen, dass es ein nationales Gesetz für Fahrgastrechte im Nah- und Fernverkehr geben soll. Das ist auch unbedingt erforderlich. Es wäre allerdings wünschenswert, wenn die nationalen Regelungen über die europäischen hinausgingen.

Interview: Kirsten Lange

 

 

Fahrgastrechte

Gemäß einer EU-Verordnung, die 2009 in Kraft tritt, müssen Fahrgästen im grenzüberschreitenden Eisenbahnverkehr bei Verspätungen von mehr als einer Stunde 25 Prozent und von mehr als zwei Stunden 50 Prozent des Fahrpreises erstattet werden. Diese Regelungen gelten auch für den nationalen Fernverkehr. Allerdings dürfen die EU-Mitgliedsstaaten die Umsetzung der Fahrgastrechte im nationalen Fernverkehr 15 Jahre hinauszögern. Der Nahverkehr darf sogar zeitlich unbefristet ausgenommen werden.

Bundesjustizministerin Zypries veröffentlichte Anfang September Eckpunkte eines Gesetzes für mehr Fahrgastrechte im innerdeutschen Nah- und Fernverkehr, in denen sie die europäischen Regelungen aufgriff.

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