Reise 3/2007

Brandenburg

Über See Reise

Von Berlin ist es nur ein Katzensprung zur Rheinsberger Seenkette. Selbst zur Hauptferienzeit im Hochsommer sind die Gewässer nicht überlaufen. Kanu, Hausboot oder Yacht – es gibt die unterschiedlichsten Möglichkeiten, auf dem Wasser zu wandern. An Bootsverleihern mangelt es ebenso wenig wie an Zeltplätzen – perfekt für eine spontane Paddeltour.

 
Fotos: Valeska Zepp  
Mehr als 100 Seen gibt es im Naturpark Stechlin-Ruppiner Land. Er liegt mit seiner faszinierenden Wald- und Seenlandschaft im Norden Brandenburgs, an der Grenze zu Mecklenburg Vorpommern.  

An der Schleuse bricht ein Tumult aus: Der Kapitän der Santa Lucia wischt sich übers Gesicht und ruft empört: „Jetzt schlägt’s aber 13!“ Ein Junge aus der Kanadiergruppe hat ihn mit einem gezielten Schuss aus der Wasserpistole mitten auf die Stirn getroffen. Zuvor hatte der greise Kapitän kleine Gemeinheiten über „die in den Nussschalen da unten“ mit seinen Schleusennachbarn ausgetauscht. Jetzt brüllen alle durcheinander, Kanuten gegen Motorboote, David gegen Goliath: „Luftverpester“, „langhaariger Bombenleger“, „Sesselpupser“, „Knirps“ – der Schleusenwärter schaut sich den Kleinkrieg von der Mauer aus eher amüsiert als beunruhigt an. Wortgefechte in der Schleuse hört er jeden Tag. Zum Glück sind sie nie ganz ernst gemeint. Bald ist das Wasser abgelaufen, und er kann die Meute wieder entlassen. Die Wege trennen sich. Aber früher oder später trifft man sich wieder – an der nächsten Schleuse, an der Umtragestelle, auf dem Campingplatz oder im Biergarten.
Nach der Überquerung des Lebussees und einem kurzen Kanalstück wird es still. Außer dem gurgelnden Geräusch der eintauchenden Paddel und Vogelgezwitscher ist nichts zu hören. Dafür ist umso mehr zu sehen: Die Wasserflächen sind übersät mit gelben Trollblumen und Seerosen, deren tellergroße Blätter wie ein grüner Teppich auf dem Wasser treiben. Die Bäume ragen von beiden Ufern über den schmalen Fluss und bilden ein Dach aus Blättern. Hellblaue Plattbauchlibellen patrouillieren am Ufer, Schmetterlinge tanzen in den Sonnenflecken und überall, auch auf Kajak und Sonnenhut, biegen sich Kleinlibellen zu Paarungsrädern.

 
 
 
Klares, sauberes Wasser ist das Markenzeichen der Seen im Naturpark.  

Nackt am Steuer

Einige Seen und schmale Passagen sind für Motorboote gesperrt. Auf der Wasserkarte, die mit zur geliehenen Kanuausstattung gehört, sind sie schraffiert eingezeichnet. In diesen Gewässern können sich Kanuten entspannen. Keine schnellen Boote kreuzen den Weg, keine Bugwellen schwappen ins Kanu. Hin und wieder kommen einem Paddler entgegen oder sportliche Kajakfahrer überholen eilig. Man grüßt sich wie beim Joggen und gleitet aneinander vorbei. Es sei denn, etwas im Wasser stört. „Eine Schlange“, brüllt der Junge im türkisen Kajak. Und tatsächlich: Eine Ringelnatter schlängelt sich an seinem Boot entlang. Der Junge paddelt wild rückwärts und stößt dabei mit seinem Vater so heftig zusammen, dass die Boote beinahe kentern. Die Schlange kriecht indes ans Ufer und verschwindet in einem Loch zwischen zwei Steinen. „Hier geh ich auf keinen Fall mehr ins Wasser“, sagt der Junge und macht ein entsetztes Gesicht. Der Vater kann sich das Lachen kaum verkneifen, aber er tröstet seinen Sohn mit der Aussicht auf ein Eis.
An Wochenenden mit Sonnenschein sind alle auf dem Wasser, Einheimische und Touristen: zu zweit im Wanderkajak, zu viert im Kanadier, allein im Faltboot oder zu zehnt im Wikingerboot. Noch beliebter sind Motorboote. Vom einfachen Hausboot bis zur luxuriösen Yacht knattern Jung und Alt – gerne auch mal nackt am Steuer – über die Seenplatte.
Mit eigener Muskelkraft schaffen geübte Paddler etwa 20 Kilometer am Tag. Anfänger sollten sich am ersten Tag nicht so viel vornehmen. „Bis man den Dreh raus hat und zu einem gleichmäßigen Rhythmus findet, dauert es eine Weile“, sagt Robert Franck, Bootsverleiher aus Rheinsberg. „Da die Seen kaum Strömung haben, sind sie aber super für Anfänger geeignet.“

Abendsonne und Musik

Ein bisschen Strömung, natürlich in Fahrtrichtung, wäre manchmal gar nicht schlecht. Die letzten Kilometer bis zum Campingplatz dauern nach einem heißen Tag und mit lahmen Armen ganz schön lange. Dafür empfängt der Zeltplatz Wasserwanderer mit einer großen Anlegestelle, deren Holzstege weit übers Wasser reichen. Hier haben schon einige Boote festgemacht. Auf einem Steg sitzen Angler in der Abendsonne, auf einem anderen hören ein paar Jugendliche Musik und auf dem nächsten macht eine Familie Abendpicknick. Zwischen Holzpfählen und Booten plantschen Kinder und Erwachsene im Wasser. Viele neue Gesichter, aber auch ein paar bekannte: Gerade springt der Junge mit dem Schlangenerlebnis kopfüber ins Wasser, taucht prustend auf und schwimmt zurück zum Steg. Dort nimmt er sein Eis in Empfang – es scheint im Wasser doppelt gut zu schmecken.

Valeska Zepp

   
 

Wasserwandern

Lust auf einen Paddelausflug zur Rheinsberger Seenkette? Ab Berlin dauert die Zug- und Busfahrt nach Rheinsberg ca. zwei Stunden. Die Bootsvermieter holen ihre Gäste auf Anfrage ab. Ein Kanu (2er-Kajak/Kanadier) kostet fürs Wochenende ca. 50 Euro; für eine Woche ca. 120 Euro – meist inklusive Paddel, Packtonnen oder -säcke, Schwimmwesten, Wasserwanderkarte und Tourenberatung.
Wer keine Rundtour, sondern lieber eine Fahrt ins Blaue machen möchte, sollte das vorher mit dem Verleiher absprechen. Der Rücktransport ist meist günstig möglich.

  • Infos: Stadt Rheinsberg, Seestraße 21, 16831 Rheinsberg, Tel.: (033931) 55-0, Fax:-250, www.rheinsberg.de

Dran denken

  • Sonnenschutz für Kopf und Haut
  • Insektenschutz
  • evtl. Zelt, Schlafsack, Isomatte
  • evtl. wasserdichte Packsäcke (beim Bootsverleiher nachfragen)

Bootsvermieter in Rheinsberg

Übernachtung

  • Schlafsack: Auf den Wasserkarten sind alle Biwak- und Campingplätze eingezeichnet. Die Plätze verfügen meist über einen Lebensmittelladen, allerdings mit übersichtlichem Angebot. Für eine mehrtägige Wasserwanderung sollte man vorher das Nötigste einkaufen.
  • Federbett: Hotels und Pensionen vermittelt die Tourismuszentrale Brandenburg (siehe unten)

Reiseland Brandenburg

Die Broschüre „Das blaue Paradies: Europas größtes Wassersportrevier – Brandenburg, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern“ bietet neben einer Beschreibung der 17 Wassersportreviere samt Revierkarten auch 31 Tourenempfehlungen für Kanu- und Motorbootfahrer plus Informationen zum führerscheinfreien Fahren mit dem Hausboot.
Bestellen: www.reiseland-brandenburg.de oder Info- und Buchungsservice, Tel.: (0331) 2004747

 

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