Titel 2/2007

Biogene Kraftstoffe

Biogas tanken im Wendland

Wenn Bauern aus pflanzlichen Rohstoffen und Abfällen vom Hof Biogas herstellen, ist das eine gute Alternative zum herkömmlichen Sprit. Die Klimabilanz ist bestens.

 
  Foto: Wolfgang Huppertz
  Im Wendland tankt man Biogas.

In Jameln ist die Tankstelle nichts Besonderes: Schlichter Bau, Zapfsäulen für Super, Normal, Diesel und Biodiesel, ein Selbstbedienungsautomat – das war’s dann auch schon. Fast, denn erst auf den zweiten Blick nimmt man den Karottenflitzer – eine Maus sitzt in einem Rennwagen – auf der Informationstafel im hinteren Bereich der Tankstelle wahr. Gleich daneben steht die Biogas-Zapfsäule; die erste und bisher einzige in Deutschland.

Unter der Marke Wendländer BioGas (WEGAS) verkauft die Raiffeisen-Warengenossenschaft Jameln hier seit Juni letzten Jahres Kraftstoff aus aufbereitetem Biogas. Dies stammt aus der eigenen Nawaro-Biogasanlage in unmittelbarer Nähe, die von 40 Landwirten mit Gülle, Roggen, Gras und Mais befüllt wird. Der Preis für den innovativen Kraftstoff liegt bei 84,9 Cent pro Kilogramm BioErdgas, womit man so weit fährt wie mit 1,5 Litern Benzin. Der Preis orientiert sich an den umliegenden Erdgastankstellen in Lüneburg und Salzwedel. So ungewöhnlich der CO2-neutrale Kraftstoff in der Erdgasqualität „H“ im ersten Moment vielleicht sein mag, so gewöhnlich ist dagegen das Befüllen: Zapfhahn in den Stutzen, halbe Drehung des Einfüllhahns, tanken und dann wieder auf die Piste.

 
  Foto: Joerg Boethling
  Nussöl zu Biosprit: In Indien wird mit deutscher Hilfe Biodiesel aus Jatropha, einer ölhaltigen Frucht, die auf anspruchslosen Böden wächst, hergestellt.

Die Biogas-Tankstelle gibt regionale Impulse. Gab es vor ihrer Inbetriebnahme im Landkreis Lüchow-Dannenberg nur eine Handvoll gasbetriebener Autos, so stieg die Zulassungszahl bis Ende 2006 auf 65. „Das zeigt uns, dass wir zum richtigen Zeitpunkt das richtige Projekt angefasst haben“, sagt Angelika Straub vom Regionalbüro Region Aktiv Wendland-Elbetal, das die Biogas-Tankstelle initiiert, planerisch begleitet und mit 100000 Euro bezuschusst hat. „Es ist unser bisher wichtigstes Projekt für die Region“, zieht Straub eine erste positive Zwischenbilanz. Lobende Worte findet sie für die regionalen Autofahrer und auch Autohäuser, „die voll mitgezogen haben.“ Hilfreich für die Aufbruchstimmung sei auch, so Straub weiter, dass der Autofahrer mit BioErdgas gegenwärtig fast um die Hälfte billiger tankt.

„Wir setzen heute schon mehr ab, als wir eigentlich erwartet haben“, zeigt sich auch Hans-Volker Marklewitz, Geschäftsführer der Jamelner Raiffeisen, zufrieden. Getankt werden derzeit rund 5000 Kilogramm Biogas monatlich. Marklewitz bereut bisher noch keine Minute, die Pionierinvestition geleistet zu haben. Ganz im Gegenteil, das unternehmerische Risiko der örtlichen Genossenschaft, die mit 20 Mitarbeitern rund zwölf Millionen Euro Umsatz macht, wird derzeit mit weiter steigendem Absatz an der Tankstelle belohnt. Und davon profitiert letztlich das ganz Umfeld, ist doch jeder Landwirt, der Biomasse anliefert, Genosse bei Raiffeisen und partizipiert über die jährlichen Dividendenausschüttungen auch an den Erlösen an der Tankstelle.

Wertschöpfung bleibt im Dorf

Dabei ist die Kapazität noch lange nicht ausgelastet. Theoretisch könnte die Anlage rund 110000 Kilogramm Biogas pro Monat produzieren. Muss sie aber nicht zwingend, denn alles, was die Jameler nicht als Kraftstoff verarbeiten, wird im Blockheizkraftwerk zu Strom und Wärme verwertet. Während der Strom nach dem Erneuerbare- Energien-Gesetz (EEG) vergütet wird, heizt die Wärme die Firmengebäude der Raiffeisen und in Kürze auch einen Kulturverein im Dorf.

Trotz anfänglich höherer Investitionskosten (ca. 600000 Euro) werde sich die Biogastankstelle auszahlen, ist sich der 58-jährige Marklewitz sicher. „Zumal vom Acker bis zum Tank die ganze Wertschöpfung im Dorf bleibt“, betont der Geschäftsführer, der in den letzten Monaten bundesweit zu Vorträgen herumreist, um Technik, Konzept und Betrieb der Biogastankstelle zu erläutern.

 
  Foto: Joerg Boethling
  Vom kargen Acker direkt in den Tank: regionale Ölproduktion kann sinnvoll sein.

Das Verfahren Biomass to Liquid (BTL) aus Biomasse schuldet noch den Beweis einer technischen und wirtschaftlichen Tauglichkeit in der Praxis. Trotzdem ist BTL das viel zitierte Zauberwort der Automobilindustrie, soll es doch die sogenannten „Biokraftstoffe der zweiten Generation“ herstellen. Der Vorteil des Verfahrens soll darin liegen, dass die verschiedensten Biorohstoffe zum Einsatz kommen können: Energiepflanzen von der Wurzel bis zum Halm, Stroh, Holzreststoffe und Grasschnitt. „Grundsätzlich sind alle Materialien von Interesse, die organische Bestandteile enthalten“, sagt Dr. Andreas Schütte von der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR). Bioabfälle und sogar Klärschlamm sind theoretisch mögliche Inputmaterialien.

Unterdessen blickt die ganze Biokraftstoff-Branche in diesem Jahr gebannt nach Freiberg in Sachsen, wo die Firma Choren im Laufe des Jahres mit der ersten Demons- trationsanlage jährlich 15000 Tonnen Diesel herstellen will. Ob das ganze Projekt den technischen, wirtschaftlichen und ökologischen Ambitionen überhaupt standhält, bleibt kritisch abzuwarten. Derweil geht der Volkswagen-Konzern davon aus, dass bis 2030 rund ein Fünftel der Fahrzeuge mit „Biokraftstoffen der zweiten Generation“ betankt wird. „Ich schätze schon, dass wir im Zeitraum 2010 bis 2015 mehrere große Anlagen zur Herstellung von Biokraftstoffen der zweiten Generation in Deutschland haben werden“, setzt VW-Öffentlichkeitsarbeiterin Stella Pechmann unbeirrt auf BTL, ohne sich jedoch auf die Herkunft der Biomasse festlegen zu wollen.

Im Verhältnis zur aktuellen Biodieselproduktion ist der Output der Freiberger BTL-Anlage jedoch nicht mehr als ein müder Tropfen. „Die Biodiesel-Produktionskapizität liegt in der Bundesrepublik bei derzeit etwa drei Millionen Tonnen pro Jahr“, sagt Norbert Heim, Geschäftsführer der Union zur Förderung von Oel- und Proteinpflanzen (ufop) in Berlin. Damit deckt Biodiesel etwa sieben Prozent des gesamten Dieselkraftstoffverbrauchs in Deutschland ab. Durch die gesetzlich festgelegte Beimischung von Biokraftstoffen erwartet Heim weitere Zuwachsraten. „Wir denken allerdings, dass mit 1,8 Millionen Hektar Raps, womit man rund zehn Prozent des deutschen Dieselbedarfs decken könnte, die ackerbauliche Grenze erreicht ist“, räumt Heim Grenzen des Wachstums ein.

Dierk Jensen

   
 

Essen statt Tanken

 

Damit wir in Europa weiterhin so viel Autofahren können wie bisher, brennen in Lateinamerika und Südostasien die Regenwälder und die Einheimischen verlieren Anbauflächen für Nahrungsmittel. Seit der reiche Norden erkannt hat, dass ihm das Öl ausgeht und er vor einem Klimaproblem steht, wird Landwirten rund um die Welt erzählt, ihre Zukunft liege im Anbau von Energiepflanzen. Subventionen sorgen dafür, dass es profitabler wird, Getreide im Tank zu verbrennen als Brot daraus zu backen.

Die Folge der Biosprit-Euphorie: Palmölplantagen fressen sich in den Regenwald in Indonesien und Malaysia, in Brasilien müssen die Bäume Zuckerrohr- und Soja-Anbauflächen weichen. Die damit einhergehenden Klimaschäden sind bei weitem größer als der Nutzen der Biomasse. Auch in sozialer Hinsicht ist der Biomasse-Boom fatal. Kleinbauern werden von ihrem Land vertrieben, damit Palmölproduzenten die Industrieländer in großem Stil mit Saft für Geländewagen beliefern können.

In Brasilien protestierten Anfang März landlose Bauern gegen den industriellen Zuckerrohranbau. In

Mexiko demonstrierten die Menschen dagegen, dass der Mais für ihre Tortillas knapp, teuer und für viele unerschwinglich wird, weil immer mehr über Umwege in Tanks statt auf Teller wandert. Die Grünen im Europäischen Parlament haben deshalb eine „Food Culture“-Kampagne gestartet, die auf die Risiken des Biomasse-Booms aufmerksam machen will.

Er wird zu einer Auseinandersetzung führen zwischen den weltweit 800 Millionen Autobesitzern und den zwei Milliarden Ärmsten, die täglich um ihre Nahrung bangen.

www.regenwald.org
www.greens-efa.org

   
 

Beimischen wird Pflicht

Das sogenannte Biokraftstoffquotengesetz legt fest, dass biogene Kraftstoffe Benzin und Diesel beigemischt werden müssen. Bei Biodiesel ist das bereits seit 2004 der Fall. Seit Januar dieses Jahres muss der Anteil von Biodiesel im Dieselkraftstoff qua Gesetz mindestens 4,4 Prozent betragen. Benzin bekommt Bioethanol beigemischt. Bis zum Jahr 2010 muss der Bioethanol-Anteil auf 3,6 Prozent steigen. Der Gesamtanteil des beigemischten Biosprits soll 2015 in Deutschland bei acht Prozent liegen. An der Kraftstoffbesteuerung ändert sich nichts.

„Deutschland importiert etwa 40 Prozent der Biokraftstoffe. Auch deshalb müssen bei ihrer Produktion strenge Umwelt- und Sozialstandards eingehalten werden,“ sagt Gerd Lottsiepen, verkehrspolitischer Sprecher des VCD. „Die Beimischung nimmt den Staat jetzt in die Pflicht, endlich die dringend benötigten Standards zu definieren und durchzusetzen.“

   
 

zurück zum Inhalt