Reise 2/2007

Veloland Schweiz

Veloland Schweiz – die Rhône-Route

 
Foto: Judith Weibrecht  
Mehr als Berge: Das Stockalper Schloss in Brig lädt zu einer Pause und zur Besichtigung ein.  

„Auf wie viel Höhenmetern leben Sie denn?“, fragt man mich, und ich komme leicht ins Stottern. „Na ja, circa 250 Meter hoch“, ist meine kleinlaute Antwort, und ich werde belehrt, dass ein Schweizer stets ganz genau wisse, auf wie viel Höhenmetern er lebe!

Daraus schließen zu wollen, dass es bei den Eidgenossen für Radfahrer nur steil zuginge, wäre dennoch schlichtweg falsch! Auf der Rhône-Route, der Nationalen Route Nr. 1, fährt man durch ganz verschiedene Regionen gemütlich vor sich hin, immer abwärts, wie das Wasser der Rhône! Somit ist dieser Weg auch vortrefflich für Familien mit Kindern geeignet. Beginnen wir im malerischen Bergdorf Oberwald (Höhenmeter 1370!) mit seinen alten Walliser Holzhäusern am Fuße der imposanten Bergkulisse von Furka- und Grimselpass in der alpinen Region Goms, dem angeblich schönsten Hochtal der Alpen. Die Rhône ist hier noch jung und heißt auf Deutsch „Rotten“. Majestätische Berggipfel und optimale Beschilderung – rote Schilder mit hellblau-weißem Fahrradpiktogramm mit Kilometrierung – begleiten uns. Der Radweg ist zunächst breit und geteert, später führt er ein kurzes Stück auf erdigen, holprigen Wegen durch Wälder oder auch mal eine Landstraße entlang. Pause machen wir im historischen Dorf Ernen mit seinem Ortsbild aus dem 18. Jahrhundert bei einem Walliser Käseteller. Das ist ein mit Wein vollgesaugtes Brot, darüber Käse, Schinken, Champignons und Paprika. Bis in die historische Handelsstadt Brig geht es heute, den türkisfarbenen Fluss entlang, der auch von Gletscherwasser gespeist wird und sich zuweilen recht wild gibt. Das Stockalper Schloss mit seinen leuchtenden Türmen grüßt als Wahrzeichen der Stadt.

Ab Brig nun ändert sich die Landschaft schlagartig: Das Flusstal wird weit, der Name Wallis, Val, Valais erklärt sich hier wie von selbst. Mächtige Viertausender stehen Spalier. Welch beeindruckende Landschaft! Von der Sonne beschienene Weinberge ziehen sich die Hänge hinauf und versprechen Köstlichkeiten. Hier wachsen in mediterranem Klima prächtiger Fendant, duftender Dôle, Pinot Noir oder Johannisberg. Im Wallis, dem größten Weinkanton, gibt es ganze 45 Rebsorten, die die Kehle erfreuen könnten. Dazu ein Walliser Roggenbrot, etwas Bergkäse und Walliser Trockenfleisch aus Rindern. Alles spricht für eine Weinpause in Susten-Leuk mit Alberto und Bernhard, den beiden guten Geistern vom Fahrradclub Sion, die mich ein Stück des Wegs begleiten! Kurz darauf geht’s durch einen Föhrenwald, den größten Europas übrigens, genannt Pfyn-Finges! Und eine weitere Kuriosität erwartet uns: Am Bach Raspille, der gleichzeitig die Grenze zwischen Ober- und Mittelwallis bildet, ist die Sprachgrenze erreicht! Plötzlich, von einem Moment auf den anderen, spricht man nicht mehr Deutsch, sondern Französisch! Oh là là, muss es nun also heißen, denn vor Sion werden die trutzigen Burgen der ehemals kriegerischen Walliser immer zahlreicher. Ebenso die Kühe: Die braunen sind übrigens die Milch- und die schwarzen die Kampfkühe. Sie gehören zur Eringer-Rasse, sind von kräftiger Statur und kämpfen einmal pro Jahr um den Titel der Königin! Neben dem Weg, der schön breit und geteert direkt den Fluss entlang Richtung Sion verläuft, liegen sie wiederkäuend im Gras. Sion, das liegt im sogenannten „Kalifornien der Schweiz“ und profitiert von seinem Steppenklima. Ein malerisches Städtchen und einst ein wehrhaftes Bollwerk, heute noch sichtbar an seinen beiden Burgen Tourbillon und Valeria. Nun sind wir im Obst- und Gemüsegarten des Wallis und ein Apfel, frisch vom Baum gepflückt, erfrischt, bevor wir nach Saillon kommen, dem Dorf mit dem kleinsten Weinberg Europas oder sogar der Welt. Da ist man sich nicht so einig, doch auf jeden Fall wird es auch das Dorf der Falschmünzer, der „Farinets“, genannt. Das sei aber heutzutage mehr symbolisch zu verstehen, beeilt man sich zu erklären. Richtung Martigny, der Stadt am Rhôneknie, pfeift der Wind besonders am Nachmittag recht stark die Rhône entlang. Dadurch seien hier die Bäume schon krumm, so sagt man. Gut zu wissen für die Planung der Tour! Martigny war ein ehemals römischer Knotenpunkt, was man zum Beispiel am Amphitheater sehen kann, in dem übrigens heutzutage die Kuhkämpfe stattfinden! In dieser Stadt befindet sich auch die „Fondation Giannada“, ein Kunstmuseum von internationalem Ruf mit wechselnden Ausstellungen und Skulpturenpark im Freien. Erbaut wurde es auf den Resten eines römischen Merkurtempels – ein Grund für eine Radpause!

   
Foto: Judith Weibrecht    
Eine gute Beschilderung und Wegbeschreibung ist Teil des Konzepts von Veloland Schweiz – nicht nur bei der Rhône-Route.    

Richtung St. Maurice wird das Tal wieder enger, und einer der sieben Themenparks der reizvollen Region Chablais, das Abenteuer-Labyrinth in Evionnaz, lockt sicher die Kinder, aber vielleicht auch die Erwachsenen vom Sattel! Oder die wunderbare Abtei von St. Maurice, deren beeindruckende Glasfenster von Edmond Bille die Geschichte ihrer Entstehung erzählen. Hier, in diesem beschaulichen Städtchen, essen wir leckere Filets de Perches (Barschfilets) im „Restaurant & Hôtel de la Dent du Midi“. Davor als „Apéro“ einen „Petite Arvine“, dazu einen „Heida“. Formidable, diese Weine – Essen und Trinken wie Gott in der Schweiz. Vorbei am Aquaparc und Swiss Vapeur Parc, oder nicht vorbei, denn wer kann da schon widerstehen, geht es nun noch zu den Palmenpromenaden am Lac Léman, wie der Genfer See auf Französisch heißt, und natürlich in die Weltstadt Genf. Was für eine Tour: Grandiose Landschaften. Natürlich! Über die Schweiz ist viel geschrieben worden. Dabei fehlen die Worte. Imposante Bergkulisse, kolossal, traumhaft. All das ist richtig. Und doch: Man wird ihr nicht gerecht. Nur eines steht fest: In meinem nächsten Radfahrerleben werde ich Schweizerin. Wiederluege, Schwyz!

Judith Weibrecht

   
 

Übernachtung

Hotels, Jugendherbergen, Schlaf-im-Stroh oder „Bike & Camp“: Wer in der Schweiz radelt, hat die Wahl zwischen unterschiedlichen Unterkünften von „Outdoor“ über erlebnisreich bis nobel. Unter www.veloland.ch finden Radler, die sich ihre Tour selbst organisieren wollen, eine umfangreiche Datenbank mit allen verfügbaren Unterkünften und den Restaurants am Weg.

Auch die buchbaren Angebote von Swisstrails überlassen dem Gast die freie Wahl der Unterkunftsart: Neben den bewährten Hotels (meist Drei-Sterne-Kategorie) stehen auf allen Routen mit der Unterkunftskategorie „Budget“ auch Jugendherbergen und ähnliche günstige Unterkünfte zur Wahl. Wer es besonders rustikal liebt, kann auch beim Bauern im Stroh übernachten. Ab 2007 gibt es als Neuheit im Veloland Schweiz die Möglichkeit, auch Campingplätze im Voraus zu reservieren und den Gepäcktransport zu nutzen. Wer kein eigenes Zelt hat, kann beim Veranstalter SwissTrails auch ein Zelt samt Unterlage mieten.

Mieträder

Wer selbst kein passendes Rad für die große Tour hat oder lieber ohne großes Gepäck anreist, kann im Veloland Schweiz an vielen Orten entlang der Velorouten Räder mieten. Unter www.rent-a-bike.ch gibt es Informationen zu den Verleihstationen, den Radtypen und Preisen sowie die Möglichkeit, das gewünschte Rad gleich zu reservieren. Ein besonderes Fahrerlebnis ist die Tour mit dem tretkraftverstärkenden Elektrorad. Der E-Rad-Hersteller Biketec kooperiert mit den Rent-a-Bike-Stationen, an denen neben Tandems, Mountain-, Komfort- und Country-Rädern daher auch das Elektrorad „Flyer“ zu finden ist.

Mehr Infos: RENT A BIKE AG,
Merkurstraße 2, CH–6210 Sursee,
Tel.: +41 (0)41 9251170 oder info@rentabike.ch, www.rent-a-bike.ch

Bei allen buchbaren Angeboten von Swisstrails können ebenfalls Leihräder zugebucht werden. Erhältlich sind Tourenräder (21 Gänge, Damen- und Herrenrahmen), Komfort-Fahrräder mit 7-Gang-Nabenschaltung, tiefem Einstieg und Komfortsattel oder Countrybikes mit 24 Gängen und Unisex-Rahmen. Die Mieträder sind mit Satteltasche für Tagesgepäck, Pumpe, Ersatzschlauch und Werkzeug ausgestattet. Der Rücktransport der Mieträder vom Ziel- zum Startort ist im Mietpreis inbegriffen.

Bergsommer-Tipps

In der neuen Broschüre von Schweiz Tourismus „Bergsommer“ präsentieren die Schweizer Regionen von Graubünden übers Wallis, das Berner Oberland, die JungfrauRegion bis ins Tessin mit vielen Tipps ihre einzigartigen Ferienziele. Die Broschüre zeigt die versteckten Natur- und Kulturschätze und die eindrücklichsten Panoramastrecken mit Bahn, Bus und Schiff in der Schweiz – und Radfahren kann man natürlich überall ausgezeichnet.

Information, Beratung und Prospektbestellung:
Tel.: 00800 10020030 (kostenlos) oder im Internet:
www.MySwitzerland.com

Reiseführer

Die Routenführer „Veloland Schweiz“ folgen den großen Landschaftsräumen, Flüssen und Seen der Schweiz und machen die verschiedenen Ausflugsziele für Familien und Velofans zu attraktiven Entdeckungsreisen. Allgemeine Informationen und ein ausführliches Übernachtungsverzeichnis sind im aktuellen Band „Velo & Bett“ erhältlich. Eine perfekte Kombination, um Gegenden auf zwei Rädern zu erkunden.

Veloland Schweiz, Bände 1–9, 18 Euro pro Band, Velo & Bett, 9,90 Euro.
Zu bestellen bei: Werd Verlag AG,
Dufourstrasse 32, CH–8008 Zürich,
Tel.: +41 (0)848 8484044,
buecher@werdverlag.ch,
www.werdverlag.ch

Bahnanreise mit eigenem Rad

Von Deutschland aus nehmen Eurocitys auf den Linien Hamburg–Dortmund–Zürich–Chur sowie München–Lindau–Zürich Fahrräder mit (Reservierung!). Ebenso DB Nachtzug und Citynightline ab Amsterdam, Duisburg, Hamburg, Dortmund, Berlin, Dresden.

In der Schweiz selbst ist die Fahrradmitnahme bis auf wenige Ausnahmen in allen Zügen möglich. Außerdem befördern Bergbahnen, Schiffe und Postbusse Räder auf vielen Strecken entlang oder zwischen den Velorouten.

Infos: www.nachtzugreisen.de,
www.citynightline.ch
Mehr Infos zum Thema Rad und Bahn in der Schweiz: www.sbb.ch/velo oder in der Broschüre „Velo und Bahn“
Rail Service SBB, Tel.: +41 (0)900 300 300 (CHF 1,19/min)

 

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