Politik 2/2007

Kirchentag

Lebendig und kräftig und schärfer

Hunderttausend Besucher erwartet der 31. Deutsche Evangelische Kirchentag vom 6. bis zum 10. Juni in Köln. Die umweltfreundliche Anreise mit Bus und Bahn ist Programm, doch eine CO2-neutrale Veranstaltung wird der Kirchentag nicht.

 
  Foto: Kirchentag
  Dem Fisch, dem offiziellen Symbol des Kirchentags, ist die Flosse eines Hais gewachsen.

Beim Kirchentag ist das Thema Verkehr Chefsache. Um alles, was mit der An- und Abreise der Kirchentagsbesucher, seiner Funktionäre und Ehrengäste zu tun hat, kümmert sich Geschäftsführer Hartwig Bodmann persönlich. Er hat mit der Deutschen Bahn das attraktive 99-Euro-Ticket für die Hin- und Rückfahrt von überall in Deutschland nach Köln ausgehandelt und mit dem Verkehrsverbund Rhein/Sieg um bezahlbare Kombitickets gerungen. Im Preis der Anmeldung enthalten sind ein Fahrausweis für fünf Tage und beliebig viele Fahrten zur den Veranstaltungen in und um die Rheinmetropole herum.

„Autofahren muss hier niemand“, sagt Bodmann. „Wir raten allen ab, mit dem Auto zu kommen. Und die, die es trotzdem tun, lassen ihr Auto auf dem Messegelände stehen. Da haben wir große Erfolge.“ Seit über zwanzig Jahren macht der 55-Jährige diesen Job in den wechselnden Großstädten des Kirchentages. „Leider ist die Bahn mit ihren Zügen komplizierter geworden“, sagt Bodmann, „früher hatten wir große Sonderzugprogramme, die bis zu 40000 Menschen zum Kirchentag brachten. Das läuft heute gar nicht mehr.” Die Deutsche Bahn habe weder das Material noch vernünftige Preise für Sonderzüge anbieten können, bedauert er. Bodmann stellt aber auch fest, dass sich das Reiseverhalten der Menschen verändert hat. „Unsere Besucher sind individualistischer geworden. Heute können sie mit ihrer Kirchentagsfahrkarte für 99 Euro einen ICE benutzen, der sie schnell und bequem nach Köln bringt und den sie sich individuell aussuchen.“ Natürlich ist das Angebot begrenzt und die Bahn schreibt Zugbindung vor, aber anders wäre der riesige Besucherstrom wohl kaum zu bewältigen. Hartwig Bodmann ist überzeugt, dass die Kirchentagsbesucher sehr gut über die Möglichkeiten der ÖPNV-Anreise informiert sind. „Über unsere Gremien vor Ort erfahren die Leute ganz genau, für wen sich das 99-Euro-Ticket rechnet und wer mit dem Rheinland-Pfalz- oder dem NRW-Ticket besser fährt“, sagt er. Nicht zuletzt können diejenigen, die nicht mit dem Zug kommen, in einen der vielen von den Gemeinden organisierten Bussen steigen, deren Ökobilanz auch nicht schlechter ist als die der Bahn.

Im Zentrum der Billigflieger

Hunderttausend Besucher erwartet der Deutsche Evangelische Kirchentag in der Domstadt, 5000 davon kommen aus dem Ausland. Dass die Besucher – und nicht nur die internationalen – mit dem Flugzeug anreisen, können die Organisatoren des Kirchentages nicht verhindern. Gerade in Köln, wo besonders viele Billigflieger landen, kann das natürlich passieren. „Wir versuchen das zu verhindern, indem wir bei den Anreisevarianten das Flugzeug gar nicht erst nennen. Außerdem sind unsere umweltfreundlichen Alternativangebote einfach besser als das Flugzeug“, sagt Hanna Büermann, die Umweltbeauftragte des Kirchentages.

Für das Thema Umwelt gibt es in der Zentrale des Kirchentags eine eigene Abteilung, die erst einmal nichts mit der Verkehrsabteilung des Geschäftsführers Bodmann zu tun hat. Vielleicht ist das einer der Gründe, warum es für eine öffentlichkeitswirksame CO2-Kampagne nicht gereicht hat. „Umwelt ist bei uns eine Querschnittsaufgabe“, erklärt Bodmann. Die Umweltleute kümmerten sich um Müllvermeidung und Mülltrennung, um regionale, ökofaire Verpflegung und um die Umstellung des Kirchentages auf Ökostrom. Vorschläge für einen umweltbewussten, energiesparenden Verkehr machten sie natürlich auch.

„Es gibt bei uns eine neue Generation von Umweltcontrollern, die die Anreise unter CO2-Gesichtspunkten bewerten. Sie berechnen den Treibhausgas-Ausstoß und überlegen, wie man das politisch verwerten kann. Das ist aber gar nicht mein Ding“, sagt Bodmann. Der Mann ist Pragmatiker, und den Vergleich mit „Green Goal“, dem Umweltprogramm der Fußball-Weltmeisterschaft, scheut er nicht. „Die hatten sicher die bessere Propaganda und haben das große Wort geschwungen, aber die Fakten sprechen für uns. Wir arbeiten unauffälliger und deutlich solider.“ Neben einer handfesten Preispolitik sorgen Bodmann und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dafür, dass die An- und Abreise reibungslos klappt, dass die Besucher innerhalb Kölns mit dem öffentlichen Verkehr gut vorankommen und dass Straßen gesperrt werden, damit darauf Open-Air-Feste gefeiert werden und die vielen Fußgänger zu den Eröffnungs- und Abschlussgottesdiensten promenieren können. Sie kümmern sich außerdem darum, dass Fahrradverleihe und Rikschas in der Stadt freie Fahrt haben und die Fußgängerströme auf den Rheinbrücken gefahrlos aneinander vorbeikommen.

Kirchentag mit Öko-Siegel

Dass ganz Europa nur noch übers Klima redet, hat die Macher des Kirchentages überrascht. „Vielleicht wären die Gremien an das Thema steiler rangegangen, hätten sie geahnt, wie sehr es jetzt in der öffentlichen Diskussion steht“, sagt Bodmann.

„Lebendig und kräftig und schärfer“ ist das Motto des Kirchentags, doch im Bereich klimaschonender Verkehr könnten die Veranstalter an Schärfe noch zulegen. Jobst Kraus, dem Sprecher des ehrenamtlichen Gremiums „Ständiger Ausschuss Umwelt“, das das Thema Umwelt von außen im Kirchentag verortet, gehen die Bemühungen im Verkehrsbereich nicht weit genug. Kraus, der auch Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat des VCD ist, bedauert, dass sich der Kirchentag bei der Mobilität nicht deutlich umweltfreundlicher verkauft und dass das im Vorfeld geplante Projekt „Klimafreundlich mobil“ mit dem Bundesverkehrsministerium nicht zustande kam. „Da wäre mehr drin gewesen. Allerdings war das für diesen Kirchentag zeitlich nicht mehr zu schaffen“, sagt Kraus. Der Umwelt-Studienleiter der Evangelischen Akademie Bad Boll hofft, dass das in den Umweltstatuten des Kirchentages festgeschriebene Ziel, der „Null-Emissions-Kirchentag“, so bald wie möglich umgesetzt wird.

 
  Die Losung des Kirchentags im Logo: Bei der klimaneutralen Verkehrspolitik könnte der Kirchentag an Schärfe noch zulegen.

In diesem Jahr möchte der Kirchentag in Köln die erste Großveranstaltung mit Öko-Siegel werden und sich EMAS-zertifizieren lassen. Das ist ein von der Europäischen Gemeinschaft entwickeltes Instrument für Unternehmen, die ihre Umweltleistung verbessern wollen. Nach Auskunft von Enno Nottelmann, Leiter der Abteilung Infrastruktur beim Kirchentag, berücksichtigt eine solche Zertifizierung auch die Verkehrsbilanz. Das Anreiseverhalten der Kirchentagsbesucher werde bei der Anmeldung abgefragt und ausgewertet.

Und wer trotz allem per Billigflieger nach Köln reist, kann in der Markthalle „Vorfahrt für den Klimaschutz“ am Stand der Initiative atmosfair seine CO2-Bilanz ausgleichen. Eigentlich waren Ablasszahlungen das Mittel der Wahl für Katholiken – schließlich hatte sich Martin Luther seinerzeit aus Protest gegen den Ablasshandel mit Rom angelegt und einer Gründung der evangelischen Kirche den Weg bereitet. Aber heutzutage will man ja mit den Zahlungen nicht mehr in den Himmel kommen, sondern die in der Atmosphäre hinterlassenen Treibhausgase an anderer Stelle einsparen. Weil auch das Zugfahren nicht vollkommen klimaneutral ist, gleicht die Bahn jedem Kirchentagsbesucher gegen Vorlage der Fahrkarte seine CO2-Bilanz auf DB-Kosten aus. Ein feiner Zug.

Uta Linnert

Mehr Infos und Anmeldung:
www.kirchentag.net

   
 

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