Reise 5/2006Geführte TourenWandern mit ProfisNirgends sonst gibt es so viele markierte Wanderwege und Klettersteige wie in den Alpen. Wer das Besondere sucht und die weniger ausgetretenen Routen finden will, kann sich einem Berg- oder Wanderführer anschließen.
Der Mann nimmt beim Wandern die Hände nicht aus den Hosentaschen –höchstens zum Telefonieren. Leichtfüßig und völlig unangestrengt geht er lässig über den schmalen Grad. Wo alle anderen mit Wanderstöcken auf steinigem Untergrund Halt suchen, schlendert Kammerlander unbesorgt am Abgrund. Die Wanderer tragen für die Hochgebirgstour feste Bergstiefel, der drahtige Kletterer mit der Basecap auf den langen Haaren hat leichte Joggingschuhe an den Füßen. „Ich gebe zu, vorbildlich ist das nicht mit den Turnschuhen, aber ich habe mich so an leichte Schuhe gewöhnt und gut trainierte Fußgelenke. Beim Klettern tragen wir ja die ganz weichen Ballerinas, deren Sohlen sehr gut haften“, sagt Hans Kammerlander. Der 49-jährige Profiwanderer und langjährige Weggefährte von Reinhold Messner kämpft im Gegensatz zu seinem Lehrmeister noch immer als Extrembergsteiger an den höchsten Gipfeln der Welt mit den Naturgewalten. Wenn er gerade nicht zu Expeditionen in den Himalaya aufbricht oder auf Vortragsreisen seine Bergsteigerkasse aufbessert, unternimmt er als Wanderführer Touren in den Bergen seiner Heimat Südtirol. Heute geht der Weg durch die Steinwüste des Rosengartens, da entlang, wo die weißen, gezackten Kalkwände am steilsten aufragen. Es ist ein verhangener Tag. Unten im Tal war es mild, hier in den Wolken auf 2300 Metern Höhe ist es unwirtlich feucht, windig und eisig kalt. Der Hirzelsteig am Fuß der steil aufragenden Rotwand ist ein viel begangener Wanderweg in den Dolomiten. Bei diesem Wetter ist kaum jemand hier. An einem besonders exponierten Fels über dem Weg demonstriert Hans Kammerlander seiner Wandergruppe die Grundprinzipien des Kletterns. Behende und scheinbar mühelos erklimmt der prominente Bergsteiger die senkrechte Wand. „Immer kleine Schritte machen, nicht zu weit vorgreifen, nicht mit Kraft, sondern mit Geschick die Berge hinaufgelangen“, sagt er, „da sind uns die Frauen oft voraus. Die Männer versuchen es mit zu viel Kraft und sind dann schnell erschöpft. Und eine vernünftige Angst und gesunde Spannung schützen vor Übermut.“ Niemand kann dem durchtrainierten Leichtgewicht auch nur annähernd folgen. Alle bleiben lieber auf dem Weg.
Auf Nummer sicherWegen der schlechten Sichtverhältnisse fällt die Überschreitung des Vaiolonpasses aus. Wanderführer Ludwig Seehauser, der als Ortskundiger mit von der Partie ist, will auf Nummer sicher gehen: „Wir sehen dort gar nichts und es wird nur noch klammer und kälter.“ Sonst ist Seehauser mit dem Wetter nicht unzufrieden. „Wenn die Sonne nicht scheint, sind auch nicht so viele lärmende Motorräder unterwegs“, sagt der 45-Jährige, der im Hauptberuf ein Hotel in Welschnofen betreibt, „an klaren Tagen und langen Wochenenden kommst du doch unten im Tal zwischen den Motorradkolonnen kaum über die Straße“. Viele seiner Kollegen haben „Biker welcome“-Schilder rausgestellt, Seehauser hat sich auf Wanderurlauber spezialisiert. Sein Haus gehört zum Ring der Wanderhotels und bietet den Gästen als besonderen Service mehrmals in der Woche Wandertouren in die umliegenden Berge, die der Chef persönlich anführt. Um den zunehmenden Autoverkehr in den Griff zu bekommen, haben sich die Gemeinden des Tourismusverbandes Rosengarten-Latemar dem Netzwerk „Alpine Pearls“ angeschlossen. Dieses Netzwerk steht für sanfte Mobilität und einzigartige Destinationen in den Alpen. Deren erklärtes Ziel ist es, ihren Gästen einen Urlaub ohne Auto bieten zu können. Siebzehn Gemeinden in fünf Alpenländern sind bislang Mitglied der Initiative, darunter die vier Südtiroler „Perlen“ Deutschnofen, Welschnofen, Tiers und Steinegg.
Kostenlose WanderbusseEin Standbein ihres Konzeptes sind die kostenlosen Wanderbusse. Von Juni bis September fahren sie mehrmals am Tag durch die Täler am Rosengarten. „Unsere Gäste müssen sich auch keine Sorgen machen, wie sie am Ende des Tages wieder zur Unterkunft zurückkommen“, sagt Claudia Matzneller, Geschäftsführerin des Tourismusverbandes, „die Haltestellen der Busse sind in unseren Wanderkarten eingezeichnet und unsere Vermieter sind beim Abholen sehr kooperativ.“ Wie sie sagt, haben sich die Gastgeber nicht nur verpflichtet, ihre autofrei anreisenden Gäste am Bahnhof abzuholen, sie sammeln verlorengegangene Wanderer abends auch mal in einem entlegenen Seitental auf. Nach zwei Stunden ist Rast auf der Pederiva-Hütte, wo man italienisch spricht und einen köstlichen Macchiato kocht. Irgendwo zwischen den Felstürmen hat die Wandergruppe unbemerkt die Sprachgrenze überschritten. Jetzt schickt auch die Sonne ihre ersten warmen Strahlen durch die Wolken. Hans Kammerlander genießt offensichtlich solch eine Tour. Sie muss ihm, der, bis auf einen, alle Achttausender dieser Welt bezwungen hat, wie ein gemütlicher Spaziergang vorkommen. „Beim ruhigen Gehen kommen mir die besten Ideen“, sagt der Extremsportler, von dem bekannt ist, dass er das Matterhorn in 24 Stunden von allen vier Seiten hinauf- und auch wieder hinunterläuft. In seinem Prospekt hat er ein tibetisches Sprichwort abgedruckt: „Wer schnell auf den Berg will, muss langsam gehen.“ Trotz Basecap und Freizeitausrüstung wird Hans Kammerlander auf dem Weg von seinen Landsleuten erkannt. „Ist das der Hans?“, fragt ihn eine ältere Frau und bleibt andächtig vor Kammerlander stehen. Den Hans mögen sie hier. Der Hans hat ein gutes Herz, ist bescheiden und auch nach seinen spektakulären Rekorden ein echter Südtiroler geblieben, sagen die Leute. Die Alte und der Bergsteiger erzählen sich in aller Ruhe, wo es heute hingeht und was das Schöne gerade an diesem Weg ist. Zwei junge Frauen kommen dazu und bitten um ein Autogramm. Zu ihrer großen Freude darf ihr Begleiter ein Foto der beiden mit Kammerlander in der Mitte machen. Die Wandergruppe wartet geduldig auf ihren berühmten Teilnehmer und sonnt sich ein wenig in seinem Glanz. Uta Linnert |
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Berg-ServiceWander- und Klettertourenprogramm: Büro Hans Kammerlander, Jungmannstr. 8, I-39032 Sand in Taufers, Tel./Fax: 0039 (0) 474-690012, www.kammerlander.com Urlaub bei den Wanderprofis:
Europäischer Verband der Wanderhotels: www.wanderhotels.com Der Tourismusverband Rosengarten Latemar hat eine vorbildliche
Mobilitätsfibel für Gäste
erstellt. Sie enthält die Fahrpläne der Wanderbusse und
öffentlichen Verkehrsmittel. Sehr nützlich:
Ausgewählte Wanderungen sind nach den Haltestellen der
Wanderbusse sortiert.
Anreise: Mit der Bahn bis Bozen, von dort in 30 Minuten mit dem Linienbus. www.bahn.de, www.trenitalia.de, www.sad.it Autofrei durch Südtirol: Mit der
„Mobilcard“ können Gäste nahezu alle
Verkehrsmittel benutzen – ausgenommen die Züge der
italienischen Eisenbahn Trenitalia.
Netzwerk Alpine Perlen:
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