Editorial 2/2006
 

Es will doch nur bauen

 
Michael Adler

Foto: www.marcusgloger.de

Es stinkt nicht, es macht keinen Krach, es kostet wenig Geld und es bewegt sich doch – das Fahrrad. 73 Millionen dieser genügsamen Transportmittel stehen in deutschen Haushalten. Leider werden sie viel zu selten bewegt. Trotz hoher Spritpreise, trotz Feinstaubdebatte und erwiesener gesundheitsfördernder Wirkung der selbsttätigen Fortbewegung. Woran liegt das?

An der im Vergleich zu den Niederlanden alpinen Topographie in Deutschland? Wo sind denn die Bergetappen in Hamburg, in Berlin, Essen oder Frankfurt? Am Wetter? Erstens regnet es in den Niederlanden oder Dänemark genauso oft und zweitens regnet es hierzulande nur in sieben Prozent der Zeit, die Nacht mitgerechnet. Es muss also andere Gründe geben.

Ich meine, es liegt daran, dass das Fahrrad zu billig ist. Wenn man sich das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung genauer anschaut, stellt man fest, dass dort nur ganz wenige Verkehrspolitik machen. Es wird vor allem gebaut: Verkehrsinfrastruktur – sprich Straßen, Schienen, Wasserstraßen. Egal wer in den vergangenen Jahren Minister war, und es waren viele, gebaut wurde immer und viel.

Bundesverkehrsminister sieht man daher auch besonders häufig beim Zerschneiden roter Bänder, wenn irgendwo ein neues Autobahnteilstück oder eine neue ICE-Trasse für den Verkehr freigegeben wird. Meistens wird dann noch eine sehr hohe Summe, mindestens im dreistelligen Millionenbereich genannt und die Öffentlichkeit ist beeindruckt.

1600 Mitarbeiter im Ministerium selbst und fast 30000 weitere in nachgeordneten Behörden sorgen dafür, dass mit einem Etat von knapp 24 Milliarden Euro weiter gebaut wird. Das Thema, an dem besonders viele Menschen arbeiten und für das besonders viel Geld ausgegeben wird, gilt natürlich auch als besonders wichtig. Für Fahrradverkehr werden 100 Millionen ausgegeben, kein halbes Prozent des Gesamtetats. Im Stellenplan findet sich eine Sachbearbeiterstelle, die für das Verkehrsmittel zuständig ist, mit dem immerhin knapp neun Prozent aller Wege zurückgelegt werden. Zusammen mit einer vom Hamburger Senat ausgeliehenen Referentin bilden die beiden Frauen die Arbeitsgruppe Radverkehr und sollen den „Nationalen Radverkehrsplan 2002–2012“ umsetzen.

Meint man es wirklich ernst damit, den holländischen Verhältnissen mit 28 Prozent Anteil des Fahrrades an allen Wegen näher kommen zu wollen, dann müssen auch ernst zu nehmende Mittel eingesetzt werden, finanziell und personell. Das wäre gut für die Luft in unseren Städten, das würde die Gesundheitskosten senken, das würde deutlich weniger Geld kosten, als noch eine Umgehungsstraße und noch eine kaum befahrene Autobahn in Ostdeutschland zu bauen. Aber leider erkennt das Verkehrsministerium diese Chancen nicht. Es will doch nur bauen.

Einen schönen Radfrühling wünscht Ihnen Ihr

 

zurück zum Inhalt