Politik 1/2006

Kommentar

Der Bahnbörsengang –
und die Frage nach dem Wie

Nur die Trennung von Netz und Betrieb bringt mehr Verkehr auf die Schiene.

Foto: VCD
Kommentar: Michael Gehrmann,
Bundesvorsitzender VCD.

Seit Jahren existiert zwischen Fachleuten eine lebhafte, zuweilen aggressive Diskussion, ob und wie die ehemalige Bundesbahn/Reichsbahn privatisiert werden kann. Anfang dieses Jahres wurde nun ein vom Bundestag bestelltes Gutachten über unterschiedliche Möglichkeiten eines Börsengangs veröffentlicht. Das Gutachten dient als Entscheidungsgrundlage und wird von unterschiedlicher Seite zur Untermauerung eigener Standpunkte herangezogen. In den kommenden Monaten werden die Weichen für die Zukunft des Systems Schiene gestellt. Zu befürchten ist, dass die Höhe der Erlöse für den Staatshaushalt den Ausschlag geben wird.

Kern der Diskussion ist die Frage, ob Schieneninfrastruktur und Transportunternehmen bei einem Verkauf an private Investoren getrennt werden sollen oder nicht. Die Deutsche Bahn AG argumentiert vehement, dass nur ein börsennotierter integrierter Konzern die Zukunft des Systems Schiene sicherstellen könne. Nur wenn Schienennetz und Betriebe zusammen blieben und der staatliche Einfluss im Schienenwesen reduziert würde, könne sich das Unternehmen im Sinne der Kunden im Personen- wie im Güterverkehr am besten entfalten. Der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende der DB und Vorsitzende der Eisenbahnergewerkschaft transnet, Norbert Hansen, sieht außerdem 50000 Arbeitsplätze in Gefahr, sollte der Konzern beim Börsengang „zerschlagen“ werden. Ein integrierter Börsengang sei also das Beste, was der Schiene passieren könne.

Dies bezweifeln nicht nur die meisten VerkehrspolitikerInnen des Bundestages von der CDU bis zur Linken Fraktion, sondern auch Institutionen wie der Bundesrechnungshof oder die EU-Kommission. Schon heute stehen privatwirtschaftliche Interessen der DB AG über dem Gemeinwohl. Der Bund der Steuerzahler kritisierte unlängst, dass die Bahn betriebsfähige, vom Steuerzahler finanzierte Dieselloks lieber verrotten lasse, statt sie gewinnbringend an andere Bahnen zu verkaufen.

Der Konzern reduziert das Schienennetz seit Jahren drastisch – zum Beispiel durch den Abbau von Überholgleisen – und schränkt es in seiner Leistungsfähigkeit stark ein. Der Staat investiert Milliardensummen in das Schienennetz, kann aber schon jetzt nur dabei zuschauen, was der Konzern daraus macht. Oder auch nicht macht. Hinzu kommt, dass die DB regelmäßig Investitionsmittel für neue Schienenwege an den Bund zurückgibt, weil sie sie nicht verbaut. In den vergangenen Jahren waren es mehr als 1,4 Milliarden Euro – die Kapitalmarktfähigkeit steht für die Konzernleitung über allem.

Sollte staatliches Eigentum nun zusammen mit dem marktbeherrschenden Transportunternehmen an die Börse gehen, steht zu befürchten, dass alles noch schlechter wird. Das Nachsehen hätten dann die Bahnkunden. Im Fernverkehr gibt es keine Alternative zur DB AG und auch den Güterverkehrsmarkt beherrscht die DB zu 90 Prozent. Lediglich im Nahverkehr gibt es etwas Wettbewerb. Zehn Jahre nach der Bahnreform fahren weitere 300 Transportunternehmen gerade mal 8,9 Prozent des Verkehrs auf der Bundesschiene.

Die zukünftigen Miteigentümer an der DB AG werden wenig Interesse an mehr Wettbewerb auf der Schiene haben. Über das Eigentum am Netz und dessen Betrieb gäbe es beim integrierten Modell die besten Möglichkeiten, unliebsame Konkurrenz fern zu halten. Auch wenn die DB AG den Diskriminierungsvorwurf selbst für die Zukunft weit von sich weist, werden Wettbewerber neben der mächtigen Bahn, trotz staatlicher Regulierung wenig Chancen haben.

Eine erfolgreiche Privatisierung des staatlichen Schienennetzes wäre in Europa etwas Neues. Fatal wäre es jedoch, sollte der Praxistest in Deutschland negativ ausfallen, denn ist das Netz erst einmal an der Börse, kann es schwer in staatliche Verantwortung zurückgeholt werden.

Ein Blick nach Skandinavien oder Großbritannien zeigt, dass es auch anders geht. Eine Trennung von Infrastruktur und Transport ist möglich und führte dort zu erheblichem Verkehrswachstum auf der Schiene. Weder gibt es Synergieverluste noch den Verlust von Arbeitsplätzen, wie es die Gegner einer Trennung von Netz und Betrieb an die Wand malen.

Vorrangig sollte das Ziel sein, mehr Verkehr auf die Schiene zu verlagern. Nur ein Verkehrswachstum auf der Bahn sichert Arbeitsplätze und schafft neue Jobs. Dies kann, so auch das Gutachten, am ehesten durch eine Trennung von Infrastruktur und Transport erfolgen. Auch deshalb darf es keine Privatisierung des Schienennetzes geben.

zurück zum Inhalt