Titel 6/2005

Autopendeln

Nur nicht nachdenken

Frauen mit Familie sind seltener für den Job unterwegs als Männer. Klara Meyer pendelt vom Saarland nach Leipzig.

Foto: www.marcusgloger.de

Ein kleiner Stau so gegen sieben Uhr kommt ihr ganz gelegen. Dann kann Klara Meyer mal einen Kaffee trinken und in ihr Brötchen beißen. Ein Frühstück am heimischen Küchentisch gönnt sich die 46-jährige Saarländerin am Montagmorgen nicht. „Ich muss einfach an Frankfurt vorbei sein, bevor dort die Stadt erwacht und der Berufsverkehr die Autobahnen verstopft“, sagt sie.

Klara Meyer ist Fernpendlerin. Ihr Mann und ihre zwei Töchter wohnen in der Nähe von Saarbrücken, ihren Arbeitsplatz hat Frau Meyer seit einem Jahr bei einer Softwarefirma in Leipzig. „Es war für mich einfach die Chance, noch mal richtig in meinem Beruf reinzukommen“, sagt die zierliche Frau und streicht sich zwischendurch eine Locke aus dem Gesicht. Als die Kinder noch klein waren, arbeitete die studierte Physikerin in Mainz, immer in der gleichen Branche, immer in Teilzeit. Dann bekam sie die Chance bei der Firma in Leipzig.

Das Autofahren macht ihr nichts aus. Auf den Zug umzusteigen, darüber hat sie nie ernsthaft nachgedacht. „Es fängt ja schon damit an, dass mich montags jemand von unserem Dorf nach Saarbrücken zum Bahnhof bringen müsste – und das morgens um 5“, sagt Meyer und schließt für sich das Umsteigen aufs Zugfahren aus. Klara Meyer braucht ihr Auto und hat es ziemlich vollgestopft: Klamotten für die Woche, die Sporttasche fürs Training, ein Kasten Mineralwasser, ihr Laptop, stapelweise Unterlagen, die sie über die freien Tage mit zu Hause hatte, auf dem Rücksitz liegen noch zwei Mäntel und eine Regenjacke – schließlich weiß man nie, wie im Osten das Wetter wird.

„Den Ausschlag, diesen Umzug auf Zeit zu wagen, gab die Entscheidung meiner Tochter Luise im letzten Herbst, für ein Jahr zum Schülerausstausch nach Australien zu gehen“, versucht Klara Meyer ihre Situation zu erklären. „Seit beide Töchter in der Oberstufe sind, brauchen sie mich einfach nicht mehr so viel.“ Als sie klein waren, hätte Meyer niemals eine Stelle so weit weg von zu Hause angenommen, da war der Job in Mainz oft schon eine Belastung. Heute verzeihen die Kinder ihr, wenn der Geburtstag am Wochenende nachgefeiert wird oder der Kuchen nicht selbstgebacken, sondern vom Konditor ist.

Alles im Griff

Harald Meyer hat seine Frau immer bestärkt, eigene Wege zu gehen. Der routinierte Lehrer hat nicht nur seinen Job, sondern auch den Haushalt im Griff, sagt seine Frau. Auf ihren Opel hat er jetzt die Winterreifen aufgezogen und ihr zum Geburtstag eine Freisprechanlage fürs Handy gekauft. „Ich telefoniere jetzt viel mehr als früher“, lacht Frau Meyer. Das Gespräch mit ihrer Mutter auf der Rückfahrt am Donnerstag ist schon eine feste Einrichtung. Auch das Plaudern mit der Freundin aus Hamburg verlegt sie immer öfter ins Auto, auch wenn es da natürlich teurer ist. Dass das nicht ungefährlich ist, weiß Frau Meyer. Deshalb schaltet sie das Telefon aus, wenn zu viel Verkehr ist.

Am Freitag kann Klara Meyer in ihrem „Home Office“ in Saarbrücken arbeiten. Ihre Firma ist ihr mit der Ausstattung entgegengekommen, und so erledigt sie zu Hause vor allen Dingen Anfragen, die die Woche über im Büro liegen bleiben. „Am Donnerstagabend sind die Autobahnen leer, dann schaffe ich die Strecke unter fünf Stunden“, sagt Meyer. Dann hat sie Zeit für ein Hörbuch oder zwei, auch wenn ihr das schon manchmal Leid ist und sie lieber im Auto ihren Gedanken nachhängt. „Klar ist das lästig, so viele Stunden in der Woche im Auto zu sitzen“, antwortet die Pendlerin auf die Frage nach der zeitlichen Belastung, „meine Freunde fragen mich das auch immer.“ Aber zu ihrer einmal getroffenen Entscheidung steht Frau Meyer. „Man darf nicht immer alles unentwegt hinterfragen“, sagt die resolute Mittvierzigerin, beißt noch mal in ihr Brötchen und gibt Gas. Bis Leipzig sind es noch drei Stunden.

Uta Linnert

 

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