Titel 4/2005

Weg vom Öl

Sonne im Tank

 

Die Erdölreserven sind erschöpflich und der Ölbedarf der Welt ist gigantisch. Schon heute ist absehbar, dass der Verbrauch an Benzin und Diesel aus Erdöl in Zukunft nicht mehr gedeckt werden kann. Wann das Öl aufgebraucht sein wird, kann zwar niemand genau sagen. Einig sind sich die Experten jedoch darüber, dass bei weltweit steigender Nachfrage billiges Erdöl knapp wird. Es ist deshalb sinnvoll und vernünftig, Alternativen zu suchen, zu entwickeln und zu erproben.

Fossile Brennstoffe sind nicht nur endlich: Ihre Nutzung ist klimaschädlich. Bei der Verbrennung wird CO2 frei, das den Treibhauseffekt der Erde anheizt. Der VCD setzt sich dafür ein, die Option Biokraftstoffe zu nutzen, verweist aber auf das begrenzte Angebot. Der VCD fordert eine Effizienzsteigerung der Automotoren. Langfristig dürften Autos nur ein Viertel des heutigen Energiebedarfs haben, gleichgültig, ob sie mit Biosprit fahren oder nicht. Die Autoindustrie unterstützt dagegen die Forschung zur Herstellung weitgehend CO2-neutraler synthetischer Kraftstoffe, um gerade nichts an den Jahr für Jahr schneller, stärker und schwerer werdenden Modellen ändern zu müssen. Rohstoffe dieser Designerkraftstoffe, die die Industrie Sunfuel nennt, sind tonnenweise Biomasse und die Sonne.

Trotz aller Fortschritte bei den Biokraftstoffen ist nicht vorstellbar, wo die Flächen herkommen sollen, auf denen die Biomasse wächst, die dann zu Treibstoff verarbeitet wird. Mit Biosprit werden die Menschen dieser Erde die motorisierte Fortbewegung jedenfalls nicht so praktizieren können, wie es die Industriestaaten seit Jahren vorleben und wie es mehr und mehr Nationen in der Welt kopieren. Mit dem Erforschen neuer Antriebsarten muss deshalb zugleich eine Mobilitätswende eingeleitet werden.

fairkehr stellt vor, welche ernst zu nehmenden Alternativen zum Erdöl es gibt, welche Antriebe und Treibstoffe zur Zeit entwickelt werden, welche Vor- und Nachteile sie haben, was sie kosten und welches Potenzial in ihnen steckt.

Uta Linnert

 

Energie aus der Steckdose

Elektroantrieb

Plan Elektroantrieb ist die älteste und eine technisch weitgehend erforschte Alternative.

Akteure Elektroautos verschiedener Größe und Reichweite sind im Einsatz, konnten sich aber nie auf dem Markt durchsetzen. Bundesweit sind nicht mehr als 3000 Fahrzeuge unterwegs.

Aufwand Strom ist überall verfügbar, für die Ökobilanz der Elektroantriebe ist entscheidend, wie der Strom erzeugt wurde.

Vorteile Elektromotoren sind leise und stoßen bei der Fahrt keine Abgase aus.

Nachteile Mit einer Batterieladung können Elektroautos nur zwischen 70 und 100 Kilometern zurücklegen. Ihre Batterien sind schwer, platzintensiv und vor allem teuer. Bei der Stromproduktion können Emissionen anfallen. Rechnet man mit dem durchschnittlichen europäischen Stom-Mix, erreichen E-Mobile keine besseren CO2-Werte als Autos mit modernen Verbrennungsmotoren. Sinnvoll wären Elektrofahrzeuge nur, wenn sie baubedingt klein, leicht und raumsparend wären. Solche E-Mobile konnten sich bisher in unserem auf Höchstgeschwindigkeit ausgerichteten Verkehrssystem nicht durchsetzen. Es gilt als effektiver, Solarstrom für den Ersatz von Strom aus herkömmlichen Kohle- oder Atomkraftwerken zu nutzen, als für den Antrieb von Solarfahrzeugen.

Schwingen und Schieben

Hybridantrieb

Plan Hybridfahrzeuge nutzen einen Benzin- und einen Elektromotor für den Antrieb. Der Strom wird an Bord erzeugt – über den Ottomotor, durch die Nutzung der Bremsenergie oder der Schwungenergie.

Akteure Die deutsche Automobilindustrie hat die Entwicklung des Hybridantriebs völlig verschlafen. Zur Zeit bieten nur Honda und Toyota Hybridautos an, US-Hersteller ziehen nach.

Aufwand Beim Anfahren und bei niedrigen Geschwindigkeiten fährt das Hybridfahrzeug elektrisch, wird mehr Leistung gefordert, schaltet sich automatisch der Verbrennungsmotor zu. Bergab und beim Bremsen schaltet er sich wieder aus. Bei hohen Anforderungen unterstützt der Elektromotor den Benzinmotor.

Vorteile Die Technik ist sparsam und erreicht gute Umweltwerte. Bei vernünftiger Fahrweise ist der Toyota Prius ein echtes Fünf-Liter-Auto.

Nachteile Noch gibt es nur drei Pkw im Angebot: Den Toyota Prius, Lexus RX 400 h und den Honda Civic IMA mit Hybridantrieb. Es ist zu hoffen, dass die Technik zukünftig auch in kleinere Wagen eingebaut wird, die dann noch sparsamer sein können.

Mobil ohne Ruß

Erdgas

Plan Den Kraftstoff Erdgas gibt es als komprimiertes Gas (CNG) und als Flüssiggas (LPG). Die Technologie gilt als etabliert.

Akteure Etwa 15 verschiedene Fahrzeugmodelle namhafter Hersteller sind zur Zeit auf dem Markt. Die Erdgaswirtschaft ist dabei, die Tankstelleninfrastruktur in Deutschland von derzeit etwa 580 in den nächsten Jahren auf 1000 Erdgastankstellen auszubauen. Zukünftig soll jede zehnte konventionelle Tankstelle den Kraftstoff Erdgas anbieten.

Aufwand Erdgas kommt wie das Gas zum Heizen und Kochen in Pipelines bei uns an. Außerdem werden große Mengen Gas, die bei der Erdölförderung frei werden, sinnlos verbrannt. Dieses vernichtete Gas könnte gewinnbringend in Motoren zum Einsatz kommen.

Vorteile Erdgasfahrzeuge sind sehr leise und stoßen praktisch keine Rußpartikel aus. Auch bei den Stickoxiden (NOx) sind sie deutlich sauberer als Diesel. Beim Kohlendioxid (CO2) sind die Emissionen verglichen mit Benzinfahrzeugen deutlich niedriger. Laut Umweltbundesamt führen mit Erdgas betriebene Busflotten zu einer 85-prozentigen Minderung der NOx-Emissionen. Erdgas wird wegen seiner Umweltvorteile von der Bundesregierung bis 2020 steuerlich gefördert und kostet an der Tankstelle umgerechnet nur halb so viel wie Benzin. Weitere Einsparungen sind bei Versicherung und Kfz-Steuer drin. Anfängliche Mehrkosten beim Kauf eines Erdgasautos lassen sich somit wieder einfahren.

Nachteile Erdgas ist wie Öl eine begrenzte Ressource. Die Verbrennung setzt wie bei allen fossilen Brennstoffen Treibhausgase frei.

Zukunftsmusik

Brennstoffzelle (BZ)

Plan Brennstoffzellen wandeln Wasserstoff durch chemische Reaktion mit Sauerstoff in elektrische Energie um, die einen Elektromotor antreibt – eine Zukunftstechnologie für emissionsfreies Autofahren.

Akteure Einige Automobilhersteller haben bereits funktionierende Prototypen vorgestellt. Testbetriebe mit Personenwagen, Bussen und Transportern laufen.

Aufwand Die Technik, Wasserstoff herzustellen, ist sehr aufwändig und teuer, weshalb Serienautos noch Jahre auf sich warten lassen werden. Auch müsste ein völlig neuartiges Tankstellennetz aufgebaut werden. Angesichts der Kosten unter heutigen Bedingungen noch Utopie.

Vorteile Der Antrieb arbeitet völlig abgasfrei und bietet langfristig die besten Möglichkeiten, umweltgerechte Mobilität mit dem Auto zu sichern. Das Prinzip des Brennstoffzellenantriebs hat einen rund doppelt so hohen Wirkungsgrad wie herkömmliche Verbrennungsmotoren.

Nachteile Die Produktion von Wasserstoff verschlingt viel Energie. Nur wenn regenerativ erzeugter Strom – aus Sonne oder Wind – dabei zum Einsatz kommt, könnte die Brennstoffzellentechnologie als wirklich umweltfreundlich gelten.

Kraftstoff vom Acker

Bio-Diesel

Plan Biodiesel (RME=Rapsmethylester) wird aus Rapsöl hergestellt und kann in den meisten herkömmlichen Dieselmotoren genutzt werden.

Akteure Frei werdende Ackerflächen und Brachen nutzen die Bauern mehr und mehr zum Rapsanbau. 2005 ist eine Zunahme um 400000 auf 1,5 Millionen Tonnen zu verzeichnen. Die Bundesregierung subventioniert die hohen Herstellungskosten durch die Befreiung des Biosprits von der Mineralöl- und Ökosteuer sowie durch Stilllegungsprämien in der Landwirtschaft. Die großen Mineralölgesellschaften dürfen heute bereits bis zu fünf Prozent Biodiesel dem konventionellen Diesel zumischen.

Aufwand Ausschließlich die Samen der Rapspflanze kommen bei der Kraftstoffproduktion zum Einsatz. Der Rest ist Abfall. Raps kann nur alle vier Jahre auf dem gleichen Feld angebaut werden und für hohe Erträge ist ein großer Einsatz von Dünger und Pestiziden üblich.

Vorteile Mancher Landwirt wandelt sich durch die Bestellung seiner Brachflächen mit Raps zum Energiewirt. Die CO2-Bilanz von Biodiesel ist erst mal besser als die von herkömmlichem Diesel. Das Umweltbundesamt spricht von 20 bis 80 Prozent Einsparpotenzial bei den Treibhausgasen. Die große Spanne liegt vor allem daran, wieviel Lachgas als Folge der Stickstoff(über)düngung frei wird. Lachgas ist ein starkes Klimagas mit etwa 300-mal größerer Klimawirksamkeit als CO2.

Nachteile Das Bundesumweltministerium geht davon aus, dass in Zukunft 30 Prozent der Ackerflächen in Deutschland für den Anbau von Energiepflanzen zur Verfügung stehen. Damit ließen sich bis 2030 etwa acht Prozent des Kraftstoffbedarfs decken. Das Umweltbundesamt rechnet vor, dass nur maximal fünf Prozent Dieselkraftstoff ersetzt werden könnten. Fazit: hoher Aufwand, geringe Leistung. Dazu kommen die negativen ökologischen Folgen aus Monokultur, Düngung und Bodenversauerung.

Designerkraftstoffe

Biomass to Liquid (BTL)

Plan Wofür die Natur Millionen von Jahren brauchte, das schafft ein Unternehmer aus Sachsen in wenigen Minuten: Aus Pflanzen, denen die Sonne zum Wachsen verholfen hat, Sprit zu machen – sogenannten Sunfuel. Bisher läuft die erste Anlage aber noch in Erprobung und nur wenige Liter haben das Werk verlassen. Aus gehäxelter Biomasse entsteht zunächst ein Synthesegas, das dann zu flüssigem Kraftstoff verpresst wird. Dieser Kraftstoff ist, je nach Oktanzahl, in herkömmlichen Otto- oder Dieselmotoren einsetzbar.

Akteure Choren Industries hat ein weltweites Patent auf Sunfuel angemeldet und wird bei der weiteren Erforschung von VW und Daimler-Chrysler unterstützt. Rückenwind kommt auch von der Bundesregierung. Im sächsischen Freiberg betreibt die Firma eine Pilotanlage. Nach einer Studie des Instituts für Energetik und Umwelt (2004) liegt das technisch umsetzbare Potenzial von Sunfuel im heutigen Europa – ohne Einschränkung der Nahrungsmittelproduktion – bei 70 Millionen Tonnen Kraftstoff. Das entspräche umgerechnet etwa einem Drittel des gesamten Kraftstoffbedarfs für Fahrzeuge (Diesel und Benzin für Pkw und Lkw) der 15 EU-Staaten des Jahres 2000. Die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V., die dem Verbraucherschutzministerium unterstellt ist, schätzt, dass von einem Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche etwa 4000 Liter BTL-Kraftstoffe erzeugt werden können. Damit ließen sich in Zukunft etwa 25 Prozent des gesamten Kraftstoffbedarfs in Deutschland ersetzen.

Aufwand Die Kosten für Sunfuel schätzt die Firma Choren optimistisch auf ca. 60 Cent pro Liter. Da die Bundesregierung bis 2009 Biokraftstoffe von der Mineralölsteuer befreit, wäre Sunfuel bei diesen Herstellungskosten zu herkömmlichem Diesel aus Mineralöl konkurrenzfähig. Ein neues Tankstellennetz wäre nicht nötig.

Vorteile Alle Arten von Biomasse sind einsetzbar. Neben Holz können schnellwachsende und anspruchslose Pflanzen verwendet werden – von der Wurzel bis zur Blüte –, aber auch Bioreststoffe wie Stroh oder Laub. Weil Pflanzen bei ihrer Verbrennung immer nur die Menge an CO2 freisetzen, die sie während des Wachstums der Atmosphäre entnommen haben, ist die CO2 -Einsparung hoch, CO2. wird nur in der Produktionskette erzeugt. Sunfuel ist sauber und frei von Schwefel und anderen Schadstoffen: Bei der Verbrennung entstehen kein Ruß und kein Benzol.

Nachteile Unsicherheit besteht über das Potenzial. Auch wenn, anders als beim Rapsanbau, keine Monokulturpflanzen nötig sind, ist unklar, wo die Mengen an Bioabfällen und Holz herkommen sollen, und in welchen großtechnischen Anlagen sie zu Alternativsprit verarbeitet werden könnten – vom Transport der unvorstellbare großen Biomassen ganz zu schweigen.

Informationen und Links

www.fnr.de

Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR) unterstützt als Projektträger des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft  (BMVEL) die Forschung, Entwicklung und Markteinführung im Bereich Nachwachsende Rohstoffe.

www.erdgasfahrzeuge.de

 

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