Titel 4/2005

Zahlenspiel

Deutschland, deine Autos

Die deutsche Pkw-Flotte wird von Jahr zu Jahr größer. Auch Motorenleistung und durchschnittliche Spitzengeschwindigkeiten der Autos nehmen kontinuierlich zu.

Fotos: Marcus Gloger
Ob offen oder geschlossen: Die Deutschen mögen ihre Autos groß und schnell.

Mehr als 4,3 Millionen Autos mit einer möglichen Geschwindigkeit von 210 Stundenkilometern und mehr rasen nach einer Statistik des Kraftfahrtbundesamts (KBA) zur Zeit durch die Republik – das sind fast zehn Prozent des gesamten Pkw-Bestandes. 1990 machte die Zahl dieser hochmotorisierten Wagen noch etwa drei Prozent der Flotte aus. Gleichzeitig nahm der Anteil der Autos mit gemäßigten Spitzengeschwindigkeiten zwischen 100 und 140 km/h von 15 auf etwa vier Prozent ab. Gute Zeiten für Ferrari, Bugatti und Co: Während es vor 15 Jahren gerade einmal knapp 18000 zugelassene Autos auf mehr als 250 km/h brachten – in Westdeutschland wohlgemerkt – sind es nun über 103000 in der ganzen Republik. Im Vergleich zu 1995, als etwa 54000 PS-Giganten auf Deutschlands vereinigten Straßen unterwegs waren, stellt diese Zahl immer noch eine Verdoppelung dar.

Aber die Fahrzeuge werden nicht nur schneller, sondern immer größer. Das wird deutlich am Siegeszug der sogenannten SUVs (Sports Utility Vehicles), den Geländewagen für den Alltagsgebrauch. Im ersten Halbjahr 2005 sind nach Angaben des KBA über 93000 SUVs zugelassen worden, 8,5 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. SUVs mit 5 Metern Länge und 2 Metern breite beanspruchen locker 10 Quadratmeter öffentlichen Raums zum Parken. Das ist frech. Gefährlich ist, dass sie durch ihre Höhe außerdem auch erwachsene Fußgänger komplett vom Verkehrsgeschehen isolieren. Früher waren es die Kinder, die hinter einer Reihe parkender Autos nicht mehr zu sehen waren und nichts mehr sahen. Heute haben auch 1,80 Meter große Erwachsene Schwierigkeiten, über die zwischen 170 und 180 Zentimeter hohen SUVs einen Blick auf die Straße zu werfen.

Dieser Hang zu Größe und Geschwindigkeit kann drastische Folgen haben. Unfallberichte aus Mecklenburg-Vorpommern zeigen den unmittelbaren Zusammenhang von zulässiger Höchstgeschwindigkeit der Fahrzeuge und Unfallhäufigkeit. 2004 wurden nach Angaben des dortigen Statistischen Landesamts rund 70 Prozent der Unfälle mit Personenschaden von Autos mit möglichen Maximalgeschwindigkeiten von 160 bis 240 km/h und mehr verursacht.

Die Zahl der in Deutschland zugelassenen Pkw steigt kontinuierlich: Knapp 40 Millionen Autos waren es noch vor zehn Jahren, mehr als 45 Millionen sind es heute. Jährlich kommen weit über drei Millionen Wagen neu hinzu, im Durchschnitt etwa 300000 pro Monat. So steigt auch die Autodichte. Sie lag 1995 nach Auskunft von Eurostat, der EU-Statistikbehörde, bei 495 Autos je 1000 Einwohner, 2003 waren es bereits 546. Damit ist Deutschland allerdings keinesfalls Spitze in Europa und der Welt. Das Statistische Bundesamt weist Luxemburg als weltweite Nummer 1 bei der Autodichte aus: 650 Pkw kommen dort auf 1000 Einwohner. Es folgen Italien mit 593, Island mit 575, das südostasiatische Sultanat Brunei mit 571 und Kanada mit 563 Autos pro 1000 Einwohner. Deutschlands weitere Nachbarn sind weniger dicht mit Pkw besiedelt, zum Beispiel Österreich (498 Pkw), Frankreich (493), die Niederlande (423), Tschechien (363) oder Dänemark (351). Was erstaunen mag: Die USA, nach landläufiger Meinung die Autofahrernation schlechthin, tauchen erst hinter Frankreich auf Platz 11 der Pkw-Weltrangliste auf (467 Wagen pro 1000 Einwohner) und damit sechs Plätze hinter der Bundesrepublik.

Deutschland, deine Autos: Groß müssen sie sein, schnell – und möglichst neutral lackiert. Bei der Farbwahl zeigen sich die Deutschen nämlich eher dezent. Fast die Hälfte aller 2004 neu zugelassenen Pkw war grau, ein Viertel schwarz. 1980 waren die beliebtesten Farben noch rot (22 Prozent) und grün (18 Prozent). Die haben nun ausgedient.

Kirsten Lange

 

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