Titel 4/2005

Leichtbaufahrzeug Cityel

100 % feinstaubfrei

Mit dem Cityel lässt es sich unbeschwert durch den Feinstaub fahren. Dafür muss man alle 50 Kilometer Strom tanken.

Fotos Archiv

Herr Schindowski von der Schindowski Dachbau GmbH in 27356 Rotenburg an der Wümme lacht. Seine Sekretärin lacht auch. Ich stehe vor ihrem Betrieb am Rotenburger Bahnhof und habe ein Elektrokabel in der Hand. „Hätten Sie wohl mal eine Steckdose für mich?“, frage ich ein wenig schüchtern. Der Dachbauer versteht sofort. Er kippt das Fenster und lässt ein Verlängerungskabel herunter. Ich stöpsele das Ladekabel ein, die grüne Kontrollleuchte glüht auf – ich seufze erleichtert. So also geht das Tanken. Es wird sechs Stunden dauern. Am Abend werde ich das Auto wieder abholen. „Ich werfe Ihnen dann 50 Cent in den Briefkasten.“ Herr Schindowski ist einverstanden. Ich schlendere zum Bahnhof. Von Bremen nach Hamburg in einem Rutsch? Nicht mit diesem Auto. 50 Kilometer am Stück sind garantiert, 80 Kilometer sind Oberkante, die schafft man aber nur bei Rückenwind und Sonnenschein. Es ist sonnenblumengelb und könnte mit seinem Näschen, das kaum das Pkw-Kennzeichen fasst, zum Beispiel Mausi heißen. Doch das Kleine trägt den blöden Namen Cityel. Es ist ein elektrisch getriebenes Radikalmobil. Kein schweineteurer umgebauter Golf mit einer Tonne Akkus an Bord, damit es dem Fahrer bloß an nichts fehle, sondern ein unter dem Energiespardiktat aufs Nötigste reduziertes Auto. Damit jeder weiß, warum ich so ein komisches Auto fahre, steht draußen groß dran: „60 Cent auf 100 Kilometer!“ Das entspräche einem halben Liter Benzin. Jeder Autofahrer weiß, dass seine Kiste zehnmal so viel frisst.

Volltanken für 60 Cent

Rund 15 Cent kostet die Kilowattstunde. Vier kWh auf 100 Kilometer – das schafft nur radikaler Leichtbau. Plastik und Alu sind um den Körper des Fahrers herum geschneidert. Das Ganzkörperfahrzeug ist winzig. 2,75 Meter lang, 1,065 Meter breit, 1,24 Meter hoch, keine 300 Kilo schwer, spartanisch gefedert. Die dünnen Reifen stehen unter Hochdruck, damit ja kein Wattstündchen fürs Heizen von Federelementen draufgeht. Drei Räder reichen. Der Motor erinnert an einen Rasenmäher. Trotzdem hat das Ding viele Zutaten: Scheibenwischer samt Waschvorrichtung, Radio (Stereo!), Scheiben- und Sitzheizung, Nebelschlussleuchte.

Nacht über Rotenburg an der Wümme. Süß, wie Mausi da steht, vor dem Dachbauladen. Die Nacht ist kalt. Ich krieche ins Auto und fühle mich geschützt. Die Lämpchen, die über den Ladezustand informieren, glühen vollzählig. Während der Fahrt erlischt ein ums andere Lämpchen, bis zwei rote übrig bleiben. Dann heißt es: Nichts wie an die Steckdose! Ich drehe an einem Knöpfchen in der Seitenwand. Hier kann man stufenlos zwischen Powerfahrt und Sparreise wählen. Ich nehme das Sparprogramm, um das 60-Cent-Versprechen zu testen. Damit wird das Auto etwas lahm. Kurven nehme ich respektvoll, ein Dreirad ist nicht kippsicher. Einen kleinen Schreck bekomme ich jedes Mal beim „Gasgeben“ – weil nur das linke Hinterrad angetrieben wird, zieht der Wagen stark nach rechts. Dann kommt die lange Überholverbotsstrecke auf der B 75 vor Sottrum. Mausi und ich führen die schnell wachsende Schlange stoisch und ein bisschen stolz an. Wir sind die Guten! Mit 63 Dezibel so leise wie die Kühlung mancher Computer, emittieren wir null Feinstaub, Stickoxide und CO2.

Am nächsten Morgen der Blick auf den Stromzähler. Zwei kWh für 50 Kilometer! Bravo! Die Außenwerbung stimmt. Die Sonne scheint, ich demontiere das Textildach meiner Cabrioversion und verkleide mich mit Sonnenbrille und Schumikappe. Nachmittags hole ich meine Tochter aus dem Kindergarten ab. Stolz klettert das Kind auf den hinten in Gegenrichtung angebrachten Kindersitz. Geräuschlos sausen wir davon. Auf dem durchschlagenden Kopfsteinpflaster gibt es Einspruch von hinten, dann ist das Kind eingeschlafen. Erst jetzt stellt sich dem Vater die Frage, ob dieses Auto nicht nur leise, sauber und sparsam ist, sondern auch sicher. Der ADAC hat neulich all diese Fahrzeuge, die durch den neuen Führerschein populär werden, pauschal als „für den Straßenverkehr nicht geeignet“ abqualifiziert. Die Cityel-Bauer aus Aub bei Würzburg dagegen verweisen auf ihre Sandwichbauweise aus Kunststoffen mit Überrollbügel.

Als in Bremen die Akkus alle sind, biege ich in das Parkhaus am Brill ein. Hier soll sich laut www. cityel.com eine Steckdose zum Akkuladen befinden. „Gibbet längst nicht mehr“, informiert mich der Parkhausaufseher. Ich düse zur Uni und suche die „Solartankstelle“. Seit Jahren abgebaut. Es gab einmal einen Elektromobil-Boom vor 15 Jahren. Der Boom ist offenbar vorbei.

Burkhard Straßman

 

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