Titel 1/2005

Interview

Verkehr ist zu billig

Klaus Vestner hat an der Uni Bayreuth eine Dissertation zum Thema „Diskriminierungsfreie Rahmenbedingungen im Personenfernverkehr“ vorgelegt. Die gebundene Ausgabe kostet 49,80 Euro und ist im Shaker-Verlag, Aachen, ISBN 3-8322-3160-9 erschienen.

Foto: Privat

fairkehr: Herr Vestner, Fliegen ist billig, Bahnfahren teuer.
Vestner: Diese Meinung beruht auf einer verzerrten Wahrnehmung. Ein Billigflugticket kostet durchschnittlich 50 Euro und nicht die beworbenen 9,90 Euro, an die wir meistens denken. Richtig ist: Fliegen ist billiger, als das, was es wirklich kostet. Aber das gilt für alle Verkehrsträger.

fairkehr: Trotz steigender Spritpreise und Preiserhöhungen im Bahnverkehr behaupten Sie, wir würden alle noch zu wenig bezahlen?
Vestner: So ist es. Weder Auto-, noch Bahnfahrer, Fluggäste oder Busreisende tragen auch nur einen Cent der externen Kosten, die sie verursachen. Straßen,
Schienen und Flughäfen werden nur zu einem geringen Teil von den Nutzern bezahlt. Außerdem ist die steuerliche Belastung im Fernverkehr sehr unausgewogen.

fairkehr: Wer profitiert am meisten von diesen Subventionen?
Vestner: Auto und Flugzeug. Zwar zahlen zur Zeit Autofahrer mehr Steuern als alle anderen. Fluggäste zahlen überhaupt
keine Steuern. Bei der Infrastruktur zahlen hingegen Autofahrer bisher nichts, der Bahnnutzer und Fluggast nicht alles.

fairkehr: Über welche Größenordnung reden wir bei der Infrastruktur?
Vestner: Nach meinen Untersuchungen zahlt der Bahnkunde 0,20 Euro je 100
Personenkilometer (Pkm) zu wenig. Wer im Pkw unterwegs ist, zahlt 1,79 Euro und im Flugzeug je nach Flughafen bis zu 3,07 Euro pro 100 Pkm zu wenig.

fairkehr: Was und wie hoch sind externe Kosten?
Vestner: Die größten Blöcke sind ungedeckte Unfallkosten, Klimaschäden und Luftverschmutzung. Bei der Bahn addieren sich diese bisher nicht angelasteten Kosten auf 2,50 Euro je 100 Pkm. Beim Bus sind es rund 3,50 Euro, beim Flugzeug knapp 5,00 und beim Auto 11,00 Euro.

fairkehr: Wie können die wahren Kosten der Mobilität ermittelt werden?
Vestner: Der Lösungsansatz in meiner Arbeit ist einfach und fair: Alle Verkehrsträger werden nach ihrem Energieverbrauch besteuert. Infrastrukturkosten und
externe Kosten werden komplett von den Nutzern getragen.

fairkehr: Um wieviel wird Mobilität dann teurer?
Vestner: Der Bus verteuert sich von gut 5 Euro pro 100 Pkm auf 10 Euro, bleibt aber das günstigste Verkehrsmittel. Die variablen Pkw-Kosten liegen statt bei 6,50 Euro, dann bei gut 19 Euro – die Vollkosten bei fast 31 Euro -, die Bahn kostet statt 11 dann knapp 15 Euro
und das Flugzeug 40 statt bisher 31 Euro.

fairkehr: Bei diesen Preisen bewegt sich doch nichts mehr.
Vestner: Das stimmt nicht. Die Gesamtverkehrsleistung würde zwar deutlich sinken. Aber nach wie vor wäre das Auto Verkehrsmittel Nummer eins, der Anteil von Bus und Bahn wäre jedoch deutlich höher.

fairkehr: Politisch ist Ihr Konzept chancenlos. Wer das umsetzt, wird aus dem Amt gejagt.
Vestner: Man muss in längeren Zeiträumen und in größeren Zusammenhängen denken. Mobilität wäre teurer, aber die politischen Spielräume auch deutlich größer, da die Allgemeinheit nicht mehr die Infrastrukturkosten und die externen Kosten des Verkehrs tragen müsste. Dadurch könnte man die Mehrwertsteuer senken oder die Einkommensteuer. Außerdem wäre unsere Mobilität umweltverträglicher und die Lebensqualität würde steigen. Selbst wenn eine so umfassende Reform noch nicht umsetzbar sein sollte, kann mit meinem Untersuchungsansatz erstmals eine ganzheitliche Analyse der relevanten Rahmenbedingungen erfolgen. Dies hilft z.B. bei der Diskussion über die Kerosinbesteuerung mehr als die bisher übliche Partialbetrachtung.

Interview: Michael Adler

 

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