Wahlprogramme der Parteien

Papier und Wirklichkeit

Am 22. September steht auch die Zukunft der Mobilität zur Wahl. Der VCD hat deshalb die Wahlprogramme von SPD, CDU/CSU, FDP, Grüne und PDS auf ihre Aussagen zur Mobilität analysiert und bewertet. Ebenso wichtig wie die Programme sind jedoch die realen verkehrspolitischen Entscheidungen, die die Parteien während ihrer jeweiligen Regierungszeit getroffen haben.


Illustrationen: zwo3media

 

Dass Mobilität kein Selbstzweck und Verkehr nicht gleich Autoverkehr ist, haben mittlerweile alle Parteien erkannt. Alle reden von der Verknüpfung bzw. der Vernetzung der Verkehrsmittel und vom Ausbau der Verkehrsinfrastruktur für alle Verkehrsarten. Die Begründung ist immer dieselbe: Mobilität ist die Voraussetzung für „wirtschaftliche Prosperität“ sowie für „Freiheit und Lebensqualität“ (CDU/CSU bzw. SPD). Vor allem die anstehende EU-Osterweiterung wird als Anlass gesehen, die Verkehrsinfrastruktur auszubauen – was zudem Arbeitsplätze bringen soll. Konkret beziffert nur das SPD-Programm die Höhe eines Investitionsprogramms: 90 Milliarden Euro will sie als „nötige finanzielle Basis für dieses Jahrzehnt“ bereitstellen. Die CDU/CSU möchte „den Anteil der Investitionen an den Ausgaben im Bundeshaushalt wieder erhöhen“.

Bei näherem Hinsehen zeichnen sich jedoch Unterschiede bei der Gewichtung der einzelnen Verkehrmittel ab. CDU/CSU, FDP und SPD setzen keine Schwerpunkte zur Förderung bestimmter Verkehrsmittel. Die SPD möchte vor allem „gezielt Engpässe und Staupunkte auf den Autobahnen, auf der Schiene und auf den Wasserwegen beseitigen“. Die Grünen legen sich eindeutig „für eine Stärkung des Umweltverbundes von Bahn, öffentlichem Nahverkehr, Taxi, Fahrrad und Fußgängerinnen und Fußgängern“ fest – ähnlich auch die PDS.
Während SPD und Grüne der staatlichen Ebene bei der Verkehrspolitik wesentliche Steuerungsaufgaben zuordnen, legt vor allem das FDP-Programm die Betonung auf die primäre Rolle von Wirtschaft und Bürgern („Privatisierung des Straßen- und Schienennetzes“; „gegen staatliche Gängelung in der Verkehrspolitik“; „Die Bürger wollen ihr Verkehrsmittel frei wählen können.“).

Mobilität und Umweltschutz

Dass Mobilität etwas mit Umweltbelastung und Klimaveränderung zu tun hat, betonen explizit nur Grüne und PDS. Vor allem die Grünen sehen, dass „der Verkehr einen entscheidenden Beitrag zum Ressourcen- und Klimaschutz leisten“ muss. Sie machen eine Reihe von detaillierten Ankündigungen zur Senkung der Umweltbelastung durch Straße und Schiene: Die Grünen fordern „schärfere Abgasstandards, vor allem beim Diesel“, „schwefelfreien Kraftstoff“, die „Förderung des Drei-Liter-Autos und erdgasbetriebener Fahrzeuge“, Brennstoffzelle, solaren Wasserstoff. Dem Umweltproblem Lärm widmen die Grünen einen größeren Absatz. Sie planen ein „Verkehrslärmgesetz“, ein Nachtflugverbot für Flughäfen, Lärmsanierung an Verkehrswegen und Fahrzeugen usw.. Zum Thema Flugverkehr wird auch die PDS konkret: „Einsatz moderner umweltverträglicher Flugzeuge“, Kerosinsteuer, schrittweise Verminderu ng des Regionalflugverkehrs. Die FDP dagegen möchte einen „bedarfsgerechten Ausbau“ auch der Regionalflughäfen.

 

 

Förderung der Schiene

Die besondere Bedeutung der Schiene wird von allen Parteien betont – mit unterschiedlicher Gewichtung und Strategie. Während CDU/CSU und FDP die Gewichtung offen lassen, widmet die SPD einen großen Teil ihrer Mobilitätsaussagen dem Öffentlichen Verkehr. Noch eindeutiger ist die Gewichtung bei den Grünen: Sie überschreiben das gesamte Kapitel zur Mobilität mit „Verkehrswende: Grüne Welle für Bus und Bahn“. Ähnlich ist die Gewichtung auch bei der PDS, allerdings wenig konkret.

Positionen zum Thema Schiene:

  • Die Trennung von Netz und Betrieb bei der Bahn – eine wichtige VCD-Forderung – schreibt explizit nur die FDP ins Programm, bei CDU/CSU ist sie zwar angedeutet, dürfte aber zwischenzeitlich durch den Widerspruch Stoibers überholt sein. Von Grünen und PDS ist die Forderung zwar bekannt, im Programm jedoch nicht enthalten.
  • Sehr weit gehen die Vorstellungen darüber, wie eine generelle Verlagerung von der Straße auf die Schiene zu erreichen ist, auseinander: CDU/CSU und FDP setzen allein auf Wettbewerb durch Privatisierung, die Grünen dagegen fordern ökonomische Instrumente wie eine Halbierung des Mehrwertsteuersatzes für die Bahnen und eine Lkw-Maut, um bessere Wettbewerbsbedingungen für die Schiene zu schaffen. „Faire Wettbewerbsbedingungen für den Schienenverkehr“ will auch die SPD, ohne sich auf Details festzulegen. Vor allem den Güterverkehr wollen alle Parteien vermehrt auf die Schiene verlagern, ohne sich bei Zielgrößen festzulegen. Die SPD möchte die „Mittel für den kombinierten Verkehr verdoppeln“.
  • Alle möchten der Bahn „Dampf“ machen (Grüne) – wohin die Entwicklung allerdings gehen soll präzisieren vor allem Grüne mit Ihrer Forderung einer Flächenbahn für Personen und Güter. Die PDS setzt auf „regional attraktive Schienennetze“.
  • Zum Reizthema Transrapid legen sich SPD, CDU/CSU und FDP fest. Die Sozialdemokraten verkünden im Wahlprogramm die „modernste Bahntechnik wie zum Beispiel Magnetschwebetechnik fördern“ zu wollen, die Union will den „Transrapid auch zügig in Deutschland zum Einsatz“ kommen lassen.

 

 

Taten statt Worte

Mehr als alle Wahlprogramme sagt jedoch die konkrete Mobilitätspolitik aus, die die Parteien umgesetzt haben, während sie an der Regierung waren. In 16 Jahren CDU/ CSU/FDP-Koalition wurde die Bahn systematisch aufs Abstellgleis geschoben. Straßenverkehr und Straßenbau wurden massiv subventioniert. Nach nicht ganz vier Jahren Rot-Grün zeichnet sich dagegen eine vorsichtige Trendwende ab.

Die rot-grüne Koalition kann eine beachtliche Anzahl struktureller Weichenstellungen mit Langzeitwirkung vorweisen: eine ökologische Steuerreform in Form einer Energiesteuer auf Sprit, eine Entfernungspauschale, die unabhängig vom Verkehrsmittel greift, die Lkw-Maut, Erleichterungen bei der Einführung von Tempo-30-Zonen, massive Erhöhungen der Finanzmittel für die Schiene oder den Masterplan Fahrrad.

Der lange Jahre anhaltende Wachstumstrend auf den Straßen konnte gebrochen werden – in den ersten Städten stagniert die Auto-Neuzulassung, der Pkw-Verkehr ist um zwei Prozent gesunken. Die Schiene hat Zuwächse zu verzeichnen – beim Güterverkehr fast 13 Prozent, beim Fernreiseverkehr vier Prozent.

All das reicht nicht aus, es ist aber immerhin ein Einstieg in die überfällige Verkehrswende. Die erwartet der VCD nun mit mehr Tempo in der nächsten Legislaturperiode – mit größerer Wahrscheinlichkeit von der derzeitigen Koalition als von der Vorgängerregierung. Dazu muss allerdings die SPD vom Bremserhäuschen zu den Grünen auf den Lokomotivführerstand wechseln, sonst bleibt es bei der bisherigen Halbherzigkeit.

Thomas Schaller (Bundesvorsitzender des VCD)
Christoph Erdmenger (stellvertretender Bundesvorsitzender des VCD)

 

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