Politik 6/2008

Europäische Bahnprojekte I

Geht nicht gibt’s nicht

Im Jahr 2010 wird der Bahnverkehr europaweit liberalisiert. Anbieter Thalys bereitet sich mit schnelleren Verbindungen, neuem Design und Kunstaktionen auf den Wettbewerb vor.

Foto: Thalys/Donja Pitsch
Bahnsteig statt Laufsteg: Die Modefotografin Donja Pitsch hat die neuen Uniformen des Bordpersonals stilvoll in Szene gesetzt.

Man schrieb die 90er Jahre, Brüssel war bereits Hauptstadt Europas. Dennoch gab es keinen grenzüberschreitenden Zug, mit dem Besucher und Abgeordnete von Frankreich, Deutschland oder den Niederlanden aus ihr Ziel schnell, bequem und direkt erreichen konnten. Europäisches Denken und das Überwinden nationaler Hindernisse waren die Aufgaben, mit denen Thalys als Tochter der französischen und belgischen Bahnen 1995 an den Start ging.

Seither kommen von der Zentrale in Brüssel – fast nur – Erfolgsmeldungen: Die Verbindungen werden schneller, die Preise sinken, jährlich steigen die Fahrgastzahlen. Bis auf ein kurzes Zwischentief im Jahr 2003, als die Billigflieger den europäischen Bahnverbindungen mit aggressiver Preispolitik die Fahrgäste abjagten, ging es bei Thalys ständig bergauf. „2003 hatten wir Fahrgasteinbrüche von über zehn Prozent“, sagt Thalys-Pressesprecher Andreas Leisdon. „Wir haben reagiert und uns mit güns-tigen Angeboten für Einzeltickets auf die neue Buchungsmentalität eingestellt.“ Heute verkaufe Thalys etwa 75 Prozent aller Tickets zu reduzierten Preisen. „Aber viele Kunden haben auch gemerkt, dass die Angebote der Billigflieger qualitativ nicht besser sind“, sagt Leisdon. Fuhren Bahnreisende von Köln nach Paris Mitte der 90er Jahre noch fünfeinhalb Stunden, ist die Fahrtzeit inzwischen auf 3 Stunden 50 gesunken. Wenn alles nach Plan geht, verringert sie sich Mitte 2009 noch einmal um 36 Minuten. „Dann wird Fliegen unattraktiv“, sagt Leisdon. Die Fluggesellschaft Germanwings hat mit Verweis auf die guten Bahnverbindungen im April 2008 die beiden letzten Flüge von Köln nach Paris eingestellt. Aber bei Thalys weiß man, dass man sich auf diesem Erfolg nicht ausruhen darf. 2010 wird der europäische Markt für den Schienenverkehr liberalisiert. Dann werden sich viele Anbieter um die attraktiven Hochgeschwindigkeitsstrecken zwischen Köln, Amsterdam, Brüssel und Paris streiten.

Zugbegleiter generalüberholt

Geschwindigkeit allein wird dann für den Erfolg nicht mehr genügen. Daher investiert Thalys in das Design der 26 Züge, in einen noch umfangreicheren Service und in den Transfer der Firmenphilosophie. „Ab Januar werden wir nach und nach die Züge für jeweils zwei Monate aus dem Betrieb nehmen und komplett neu ausstatten“, sagt der Pressesprecher. 

Bei dieser Gelegenheit werden auch die Zugbegleiterinnen und Zugbegleiter generalüberholt: Die neuen Uniformen, die Anfang 2009 zum Einsatz kommen, hat die Kölner Nachwuchsdesignerin Eva Gronbach entworfen. „Der Thalys verbindet Kunstmetropolen“, erklärt Andreas Leisdon. „Wir wollen unseren Fahrgästen vermitteln, dass der Besuch dieser großen Städte und ihrer Museen auch ein Reiseanlass ist. Daher arbeiten wir gern mit jungen Künstlern zusammen.“

Foto: Thalys
Thalys geht mit Service und modernem Design in den internationalen Wettbewerb.

Auch technisch versucht der Europazug, weiter Trendsetter zu sein: Ein satellitengestütztes Kommunikationssystem schafft Internetverbindung überall im Zug, auch beim Überschreiten der Grenzen. Der papierlose Fahrschein „Ticketless“ kann im Internet gebucht und im Zug per Chipkarte aktualisiert werden. Er soll bald auch schon für den Nahverkehr an den Zielorten gelten. Wer wie der Bahnanbieter Thalys vier Länder verbindet, hält alles für möglich.

Regine Gwinner

   
 

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