Editorial 6/2008
 

Wie viel Dummheit ist erlaubt?

 
Michael Adler

Foto: www.marcusgloger.de

Regnet’s im Mai, ist der April vorbei. Auf diesem Niveau bewegen sich die meisten derzeitigen Prognosen der Ökonomen. Ökologie und Ökonomie verhielten sich wie Astrologie zu Astronomie, spotten immer noch viele Wirtschaftswissenschaftler in dunklen Anzügen. Umgekehrt wird ein Schuh draus, schrieb kürzlich die Süddeutsche Zeitung – zu Recht. Die sogenannten Analysten werfen doch nur Knochen oder lesen im Kaffeesatz.
Da das Vertrauen in diese virtuelle Wirtschaft erschüttert ist, wenden wir uns der Realwirtschaft zu. Diese nimmt die globale Finanzkrise zum Anlass, beim Staat betteln zu gehen. Allen voran die Automobilindustrie. Die Chefs der ehemals „Großen Drei von Detroit“, General Motors, Ford und Chrysler, saßen Mitte November wie Schuljungen vor dem US-amerikanischen Senatsausschuss, um sich 25 Milliarden Dollar Staatshilfen abzuholen. Aber sie waren schlecht vorbereitet. Alle drei waren mit Privatjets eingeflogen. Keiner wollte einen Dollar von seinem durchschnittlich über 20 Millionen Dollar dicken Jahressalär abgeben. Nur zu verständlich, dass die Abge­ordneten nicht überzeugt waren, dass diese drei Männer Motoren des ökologischen Neuanfangs sein könnten.

Die globale Finanzkrise setzt auch in Deutschland plötzlich unglaubliche staatliche Milliardensummen frei, nur für fragwürdige Zwecke. Das Land Hessen und die Bundesregierung überbieten sich gegenseitig in Hilfszusagen für Opel.

 

Begründet wird das Ganze mit dem Verweis auf die „hervorragende Produktpalette“, die Opel zu bieten habe. Namentlich das frisch gekürte „Auto des Jahres“, der Opel Insignia, sei Ausdruck der Rüsselsheimer Ingenieurskunst. Der CO2-Wert des Insignia liegt allerdings meilenweit von den in der EU diskutierten Grenzwerten entfernt: 155 bis 272 Gramm CO2 pro Kilo­meter emittiert die Mittelklasse­limousine. Die Vorstandsvorsitzenden der Automobilhersteller sollten die VCD Auto-Umweltliste lesen, damit sie wissen, was gemeint ist, wenn von zukunfts­fähigen Autos die Rede ist.

Außerdem strich die Bundesregierung in einem Schnellschuss die Kfz-Steuer für Neuwagen, die innerhalb des kommenden halben Jahres gekauft werden. Ökonomisch sinnlos und ökologisch fatal, so lautet das einhellige Expertenurteil. Damit wird das Gegenteil von dem bewirkt, was seit Jahren unter dem Titel CO2-orientierte Kfz-Steuer diskutiert wird, nämlich verbrauchsärmere Fahrzeuge zu fördern. Dieses absurde Manöver disqualifizierten selbst die fünf Wirtschaftsweisen als wirkungslosen Quatsch. Nur um sich dann selbst die Krone für das dümmste aller Patentrezepte aufzusetzen: Zur Ankur­belung der Wirtschaft, forderten die „Fünf Weisen“ die Bundesregierung auf, mehr in Straßenbau zu investieren. Und das in einem Land mit 650000 Kilo­meter Straßennetz. Nur China und die USA haben mehr.

Wie viel Dummheit erlaubt sich unser Führungspersonal eigentlich noch? Ich fordere sofortige Steuerfreiheit für Fahrräder, Bus und Bahn und Milliardenspritzen für Kindergärten und Schulen. Und lasst Solarworld doch Opel kaufen. Es kann nur besser werden.

Frohe Weihnachten wünscht Ihnen Ihr

 

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