Politik 5/2008

Verkehrsregister

Punktsieg für Raser

Die Bundesregierung hat die Bußgelder erhöht. Doch in den europäischen Nachbarstaaten sind die Strafen für Verkehrssünder wesentlich härter.

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Rasen ist immer noch die Unfallursache Nummer eins auf deutschen Straßen.

Ein greller blitz leuchtet durch das Auto. Erwischt! Wer mit zu hoher Geschwindigkeit in eine Radarfalle rauscht, dem drohen eine Geldstrafe und Punkte in Flensburg. In Deutschland sind die Strafen für Verkehrssünder vergleichsweise mild. Doch Rasen wird teurer. Ab dem 1. Januar 2009 werden Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung härter bestraft. Reichen die angestrebten Änderungen der Bundesregierung aus, um die Sicherheit auf deutschen Straßen spürbar zu erhöhen?

In der Verkehrssünderkartei des Kraftfahrt-Bundesamtes sind knapp neun Millionen Personen registriert. Seit über 50 Jahren sammelt die Bundesbehörde in Flensburg die Daten auffällig gewordener Verkehrsteilnehmer. Einen Eintrag in die Kartei bekommt, wer für ein Vergehen im Straßenverkehr mindestens 40 Euro Strafe gezahlt hat. Verwarnungen und Ordnungswidrigkeiten, die mit weniger als 40 Euro bestraft werden, bleiben unberücksichtigt. Beispielsweise bekommen Falschparker und Autofahrer, die die zugelassene Höchstgeschwindigkeit um bis zu 20 km/h überschreiten, keinen Eintrag in das Verkehrszentralregister. Hat ein Autofahrer mehr als 17 Punkte auf seinem Konto, wird ihm die Fahrerlaubnis entzogen.

Verkehrsverstöße werden auf einer Skala von eins bis sieben Punkten bewertet. Für Ordnungswidrigkeiten gibt es eins bis vier Punkte in Flensburg, Straftaten werden mit fünf bis sieben Punkten bewertet. Autofahrer, die mit mehr als 20 km/h zu schnell unterwegs sind, bekommen einen Punkt in Flensburg, bei über 30 km/h Geschwindigkeitsüberschreitung sind es drei Punkte. Wer innerorts dabei erwischt wird, muss dazu seinen Führerschein für einen Monat abgeben. Für das Überfahren einer roten Ampel erhalten Autofahrer drei Punkte, ist sie allerdings schon länger als eine Sekunde rot, drohen vier Punkte und ein Fahrverbot von einem Monat. Wer beim Fahren mit dem Handy ohne Freisprechanlage telefoniert, bekommt einen Punkt in Flensburg.

Zu den Straftaten im Straßenverkehr gehören die Fahrunsicherheit durch Alkohol oder Drogen, das Fahren ohne Fahrerlaubnis und die fahrlässige Körperverletzung. Wer unter Alkoholeinfluss durch unsicheres Fahren auffällt, den Straßenverkehr behindert oder sogar einen Unfall verursacht, bekommt sieben Punkte in Flensburg. Zusätzlich droht eine Geld- oder Freiheitsstrafe. Wer trotz Fahrverbots fährt, riskiert sechs Punkte, für fahrlässige Körperverletzung gibt es fünf Punkte. Bei Straftaten legt ein Gericht das Strafmaß fest.

Strafen für Radfahrer

Doch nicht nur Autofahrer können in Flensburg Punkte sammeln. Auch für Fahrradfahrer und Fußgänger können Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung Folgen haben. Kommt ein Radfahrer beim Fahren ohne Licht mit zehn Euro Ordnungsgeld davon, so werden beim Telefonieren auf dem Rad oder bei Überfahren einer roten Ampel schon 25 Euro fällig. Ist die Ampel länger als eine Sekunde rot, drohen ein Punkt in Flensburg sowie 60 Euro Bußgeld.

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Auch für Fahrradfahrer haben Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung Folgen.

Wer nach dem Genuss von Alkohol das Auto stehen lässt, ist nicht unbedingt auf der sicheren Seite. Auch Fahrradfahrer und Fußgänger riskieren Geldstrafen bis hin zum Führerscheinentzug, wenn sie alkoholisiert am Straßenverkehr teilnehmen. Ist ein Fahrradfahrer unter Alkoholeinfluss an einem Unfall beteiligt, kann ab einem Alkoholwert von 0,3 Promille ein Fahrverbot fürs Auto ausgesprochen werden. In diesem Fall gibt es sieben Punkte in Flensburg. Ab einem Blutalkoholgehalt von 1,6 Promille wird eine medizinisch-psychologische Untersuchung angeordnet, besser bekannt als „Idiotentest“. Fällt das Gutachten zur Fahreignung negativ aus, wird die Fahr-erlaubnis entzogen. Überdies gibt es sieben Punkte in Flensburg. Verursacht ein Fahrradfahrer betrunken einen Unfall, kann er in schwerwiegenden Fällen wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr angeklagt werden. Das Gleiche gilt für Fußgänger, wenn sie unter Alkoholeinfluss in einen Unfall verwickelt sind oder sogar einen Unfall verursachen.
Wer keinen Führerschein hat, kann trotzdem Punkte in Flensburg bekommen. Bei Jugendlichen unter 18 Jahren kann dies dazu führen, dass sie den Führerschein erst nach dem Ablauf einer festgelegten Sperre machen dürfen. Auch ein medizinisch-psychologisches Gutachten kann in solchen Fällen angeordnet werden.

Schulung baut Punkte ab

Wer im Straßenverkehr regelmäßig Punkte sammelt, muss bei Erreichen von 17 Punkten seinen Führerschein abgeben. 18 und mehr Punkte erreichen in Deutschland rund 0,3 Prozent der im Verkehrszentralregister eingetragenen Verkehrssünder, das sind im Jahr etwa 9000 Personen.

Punkte in Flensburg haben eine begrenzte Haltbarkeit. Bei einer Ordnungswidrigkeit, wie der Überschreitung der zugelassenen Höchstgeschwindigkeit, bleiben die Punkte zwei Jahre bestehen, bei einer Straftat fünf Jahre. Bei Straftaten, die unter Alkohol- oder Drogeneinfluss begangen werden, bleiben die Punkte zehn Jahre lang im Verkehrzentralregister gespeichert. Nach Ablauf der Frist tritt die sogenannte Überliegefrist in Kraft. Die Punkte werden noch ein Jahr aufbewahrt, bis sie endgültig gelöscht werden. Das Punktesystem funktioniert nach dem Prinzip der Bewährung: Nur wenn innerhalb der folgenden zwei, fünf oder zehn Jahre keine weiteren Verkehrsverstöße begangen werden, löscht das Kraftfahrt-Bundesamt die Einträge.

Ein Teil der Punkte wird durch freiwillige Maßnahmen erlassen: Durch die Teilnahme an einem Aufbauseminar oder an einer verkehrspsychologischen Beratung können Verkehrssünder bis zu vier Punkte abbauen. In den Seminaren sollen die Teilnehmer ihr Fehlverhalten reflektieren und lernen, Gefahrensituationen besser einzuschätzen.

Auch einige unserer europäischen Nachbarn haben ein Punktesystem und jedes hat das Ziel, Verkehrssicherheit zu erhöhen. „Das Punktesystem ist zu einem wichtigen Instrument der Verkehrssicherheit geworden, weil es präventive Wirkung zeigt“, ist auf der Internetseite des Kraftfahrt-Bundesamtes zu lesen. Die Punkte sollen Mehrfachtäter abschrecken. Nichtsdestotrotz ist die Zahl der registrierten Verkehrssünder in Deutschland im Jahr 2007 weiter gestiegen, um knapp drei Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Vorbildliche Nachbarn

Ab dem 1. Januar 2009 erhöhen sich die Bußgelder. Unter anderem für Geschwindigkeitsüberschreitungen, Fahren unter Alkoholeinfluss und Drängeln zahlen die Autofahrer dann bis zu fünfzig Prozent mehr. Die Anzahl der Punkte für die Verkehrsverstöße bleibt allerdings gleich. Das höhere Bußgeld soll abschrecken. Dabei sind die Strafen hierzulande immer noch mild. „Im Vergleich zu unseren europäischen Nachbarn haben wir erheblichen Nachholbedarf bei den Bußgeldsätzen. Darin liegt ein wesentlicher Grund, warum beispielsweise das Geschwindigeitsniveau auf deutschen Straßen viel zu hoch ist“, sagt Hermann-Josef Vogt vom Bundesvorstand des VCD. Das zeigt auch die Statistik: Rund 60 Prozent der im Verkehrszentralregister eingetragenen Personen sind dort wegen Geschwindigkeitsdelikten erfasst.

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Für Geschwindigkeitsüberschreitungen von bis zu 20 km/h bleiben die Bußgelder unverändert niedrig.

Für eine Geschwindigkeitsüberschreitung von einem bis fünf km/h (nach Abzug der drei bis fünf km/h Toleranz je nach Messgerät) bezahlt ein Autofahrer in der Schweiz 20 bis 40 Franken, das sind zwischen 13 und 25 Euro. Das fällt in Deutschland noch unter die Toleranzgrenze. Wer bis zu zehn km/h zu schnell unterwegs ist, muss in der Schweiz 40 bis 80 Euro berappen, bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von bis zu 20 km/h bezahlt ein Verkehrssünder umgerechnet bis zu 250 Euro. In Spanien können dafür bis zu 300 Euro Bußgeld verlangt werden, in Norwegen sogar noch mehr. Auch Belgien, Dänemark, Finnland, Italien, Luxemburg, Schweden und Ungarn kassieren in diesem Fall dreistellige Beträge. Zum Vergleich: In Deutschland werden bei einer Überschreitung bis zu 20 km/h innerorts maximal 35 Euro fällig, außerorts sind es 30.

Der Entwurf für den neuen Bußgeldkatalog sieht vor, Strafen für Geschwindigkeitsüberschreitungen von bis zu 20 km/h unverändert niedrig zu lassen. Die Beträge sind so gering, dass die Kosten der Verfolgung für die zuständigen Behörden höher sind als die Einnahmen. Kontrollen werden damit unattraktiv. „In der Konsequenz werden viele Autofahrer weiterhin viel zu schnell unterwegs sein. Dabei können schon 20 km/h über Leben und Tod entscheiden“, kritisiert Hermann-Josef Vogt. Der Anhalteweg eines Pkw ist bei Tempo 50 mehr als doppelt so lang wie bei Tempo 30. Zudem steigt die Wucht des Aufpralls überproportional zur Geschwindigkeit. Das hat Folgen: Bei Tempo 50 enden acht von zehn Unfällen mit Fußgängern oder Radfahrern tödlich, bei einer Geschwindigkeit von 30 km/h sind es zwei bis drei von zehn. Rasen ist immer noch die Unfallursache Nummer eins auf deutschen Straßen: Fast ein Drittel aller schweren Unfälle passiert, weil Autofahrer zu schnell unterwegs sind.

Falschparken verursacht Unfälle

Auch Halt- und Parkverstöße sind bei der Bußgelderhöhung nicht berücksichtigt. „Anders als von der Bundesregierung propagiert, sind Parkverstöße durchaus sicherheitsrelevant und stellen eine Gefährdung im Straßenverkehr dar“, sagt Michael Gehrmann, VCD-Bundesvorsitzender. Auch Unfallberichte der Polizei zeigen, dass falsch abgestellte Fahrzeuge die Sicht behindern oder die Straßen verengen können und dadurch häufige Unfallursachen mit Fahrradfahrern oder querenden Fußgängern sind. Insbesondere für Kinder stellen Fahrzeuge wie die in wachsender Zahl zugelassenen Sport Utility Vehicles (SUVs), Geländewagen für die Stadt, eine große Gefahr dar. Fünf bis 35 Euro kosten Halt- und Parkverstöße in Deutschland, wird dabei ein Rettungsfahrzeug behindert, bis zu 50 Euro. In Norwegen wird für Parkvergehen ein Bußgeld von 90 Euro verlangt, in Irland sind es 80 Euro. „Die Bundesregierung will die Verwarnungsgelder in diesem Bereich nicht einmal an die Einkommensentwicklung der letzten 19 Jahre anpassen“, bemängelt Anja Hänel, Verkehrsreferentin beim VCD, „das VCD-Konzept für mehr Verkehrssicherheit heißt »Vision Zero – Null Verkehrstote«.“ Leitgedanke von Vision Zero ist, dass sich alle für das System Verkehr Verantwortlichen auf einen Grundsatz einigen: Sicherheit und Gesundheit der Menschen haben höchste Priorität, alles andere muss sich dem unterordnen. „Wichtigster Baustein für sicherere Straßen ist die Senkung der Geschwindigkeit und deren Überwachung,“ fordert die VCD-Verkehrsreferentin.

Allein im vergangenen Jahr starben auf Deutschlands Straßen 5000 Menschen, 430000 wurden verletzt. Auch die Europäische Union macht Druck: Bis zum Jahr 2010 soll die Zahl der Verkehrstoten im Vergleich zu 2000 halbiert werden. Ab dem nächsten Jahr sollen Verkehrssünder in Europa auch über die landeseigenen Grenzen hinweg zur Kasse gebeten werden. Ein entsprechendes Abkommen der EU tritt Anfang 2009 in Kraft.
Für mehr Sicherheit auf Deutschlands Straßen ist nicht nur die Höhe der Strafe entscheidend, sondern auch die Wahrscheinlichkeit, erwischt zu werden. Der VCD-Bundesvorsitzende Michael Gehrmann fordert deshalb schärfere Kontrollen, besonders an neuralgischen Stellen. „Es geht dabei um nichts Geringeres als die Durchsetzung lebensrettender Regeln.“

Hannah Dudeck

Detallierter Punktekatalog und
Formular zum Abfragen des eigenen Punktestands: www.kba.de

   
 

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