Politik 5/2008FahrgastrechteFreundlich ist bezahlbarBahnreisende sollen ein Recht auf Entschädigung bekommen. Dem VCD geht der Gesetzentwurf nicht weit genug.
Horst Seehofer konnte sich nicht durchsetzen: Der Bundesverbraucherminister hatte sich dafür ausgesprochen, Bahnreisenden bei 30 Minuten Zugverspätung ein Viertel des Fahrpreises zu erstatten, nach 60 Minuten sollte es die Hälfte sein. Der Entwurf des Verbraucher- und des Justizministeriums für ein Fahrgastrechte-Gesetz, das zurzeit in Bundestag und Bundesrat diskutiert wird und vermutlich im Mai 2009 in Kraft tritt, gibt sich weniger fahrgastfreundlich: Eine Erstattung von 25 Prozent ist erst ab einer Stunde Verspätung vorgesehen, ab 120 Minuten gibt es die Hälfte des Fahrpreises zurück – immerhin: wenn gewünscht, bar auf die Hand. Damit hält sich der deutsche Gesetzentwurf an die Vorgaben der EU-Verordnung über die Rechte von Fahrgästen im Eisenbahnverkehr, die ab Dezember 2009 gelten wird. „Wir begrüßen es grundsätzlich, dass die Bundesregierung ein Fahrgastrechte-gesetz verabschieden will, sogar noch vor Inkrafttreten der EU-Verordnung“, sagt VCD-Bahnreferentin Heidi Tischmann. „Doch viele Regelungen gehen uns nicht weit genug.“ Der VCD hält es mit Seehofer: „Die von ihm vorgeschlagenen Entschädigungshöhen stehen zumindest annähernd in Relation zu der Wertminderung einer Reise durch Verspätung“, betont Tischmann. Den Einwand, dass eine solche Entschädigungspraxis die Eisenbahnunternehmen in den Ruin treiben könnte, lässt die Bahnreferentin nicht gelten. „Das Gegenteil ist der Fall: Bahnfahren würde dadurch attraktiver, die Unternehmen würden neue Kunden gewinnen.“ Kundenfreundliche Fahrgastrechte sind bezahlbar – das ist auch das Ergebnis einer Kostenabschätzung des Verbraucherzentrale Bundesverbands auf Grundlage von Untersuchungen der Stiftung Warentest. Der Verband berechnete im Mai 2008, dass die Umsetzung des Verbraucherminister-Vorschlags die Deutsche Bahn jährlich etwa sechs Millionen Euro zusätzlich kosten würde. Der Umsatz der DB AG lag 2007 bei 6,5 Milliarden Euro. Der VCD kritisiert außerdem, dass der Gesetzentwurf die Nutzung anderer öffentlicher Verkehrsmittel bei Verspätung einschränkt. Zwar sollen Fahrgäste im Nahverkehr das Recht bekommen, ab einer Verspätung von 20 Minuten in einen teureren Zug umzusteigen. Die Bahn darf aber einzelne Züge sperren lassen, wenn sich durch die Aufnahme der Gestrandeten der „Betriebsablauf verzögern“ würde. Voraussetzung für den Umstieg ist außerdem, dass die Züge vom gleichen Konzern oder von einem Unternehmen aus derselben Tarifgemeinschaft betrieben werden. „Fahrgäste sollten das Recht haben, ohne Aufpreis beispielsweise von einem Regionalexpress in einen IC umzusteigen, mit dem sie möglichst schnell ans Ziel kommen“, fordert Heidi Tischmann. „Das muss auch im Fernverkehr gelten, wenn Reisende einen Fahrschein mit Zugbindung haben.“ Schlichtung festgeschriebenAls positiv bezeichnet es die Bahnreferentin, dass bei einer Entschädigungszahlung im Verspätungsfall die Reisekette berücksichtigt werden soll. „Gilt ein Fahrschein für die gesamte Strecke, ist es egal, ob die Verspätung im Nah- oder im Fernverkehr entstanden ist. Fahrgäste bekommen die anteilige Erstattung für die gesamte Bahnreise“, erklärt Heidi Tischmann. Kirsten Lange Mehr über das Fahrgastrechtegesetz und die Positionen des VCD unter www.vcd.org/themen.html. |
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