Reise 4/2008

Segelreisen

Urlaub ahoi!

Auf Segelbooten übersteht die Besatzung gemeinsam Stürme und schlimmste Regenfälle, lernt eine Menge über Wind, Wellen, Navigation – und sich selbst.

Foto: Christian Dicke
Segel raffen und ankern in der Badebucht: Die Mannschaft macht Pause von der rauen See und lässt die Beine baumeln.

Am Montagabend haben sie das Schlimmste hinter sich. Drei Tage Wolkenbrüche, Windböen und eine Dünung, die außer dem Skipper die ganze Besatzung seekrank werden ließ. Unter Deck stapeln sich nasse Klamotten, kein Haken im holzgetäfelten Salon, an dem nicht eine feuchte Jeans hängt, auf Leinen gespannt tropfnasse Badetücher. „Da hätten wir genauso gut auf der Ostsee segeln könnnen“, spricht Co-Skipper Emanuel aus, was alle denken. Dies hier ist ein Segeltörn vor der Küste Mallorcas Ende Mai. Samstag hatte ein Teil der Mannschaft die 13-Meter-Yacht „Intention“ vom Charterer in Palma übernommen, jetzt, am Montag, wird die letzte Kajüte besetzt. Drei Männer und drei Frauen, die sich bis auf zwei Ausnahmen nicht kannten, werden eine Mannschaft.

„Klar zum Setzen der Segel!“ Skipper Marcus steht am Ruder und ruft die Kommandos. „Hisst das Groß!“ Ob Promotionsstudent, IT-Experte, Unternehmensberaterin oder Journalistin – alle fassen mit an. Leinen lösen, Genuawinsch kurbeln, Fock setzen, Klampen belegen, Fender einholen, dabei immer eine Hand am Boot behalten, damit niemand über Bord geht. Da einige Segelneulinge dabei sind, geht es mit den Fachbegriffen und Kommandos noch ziemlich durcheinander. So empfindlich wie befürchtet ist die Yacht zum Glück nicht – und der umsichtige Skipper behält in allen Situationen den Überblick. Bald blähen sich die Segel, die Sonne scheint, das Mittelmeer nimmt endlich seine erwartet blaue Farbe an – der Südwind treibt die „Intention“ vor sich her.
Schon vor der ersten Ausfahrt aus dem Hafen hatte die Crew einiges lernen müssen, vor allem zum Thema Sicherheit. Jeder bekommt eine eigene Schwimmweste. Wie legt man sie an? Wo ist das Rettungsboot? Wer kann im Notfall das Funkgerät bedienen, wer die Signalraketen abfeuern? Alle müssen aber auch wissen, wie die Waschräume zu benutzen sind: Wo sind die Absperrventile, wie funktioniert die Toilettenpumpe? Die zweite Lektion ist für den Erfolg des Törns mindestens ebenso wichtig, lernt sich aber erst mit der Zeit: Eine Woche lang bleibt von der eigenen Privatsphäre nicht viel mehr als die sprichwörtlich freien Gedanken. Das Leben an Bord ist beengt. Vier Kajüten mit jeweils zwei Kojen nehmen die sechs „Mann“ Besatzung auf. Die mit den Etagenbetten ist besonders eng. Nach einer Nacht hat man es aber raus: Die Tür erst zuziehen, wenn man sich auf die obere Koje geschwungen hat. Eine aufgestellte Fensterklappe in Kopfhöhe sorgt für Luft.

Dafür gibts tagsüber weites Meer, frischen Wind, herrliche Aussicht – und das schöne Gefühl, wenn das schwere Boot sich auf die Seite legt und durch das tintenblaue Wasser zieht. Kein Motor wummert, nichts zu hören, nur das Rauschen der Heckwelle und den Wind in der Takelage. Marcus hat auf der Seekarte die Route abgesteckt, der 39-jährige erfahrene Skipper segelt wie alle andern auch das erste Mal um Mallorca. Er lässt nach Landmarken steuern. Eben war der Leuchtturm auf der Klippe das anvisierte Ziel, jetzt nimmt die „Intention“ Kurs auf das weithin sichtbare Cap de Ses Salines, den südlichsten Zipfel Mallorcas. Zeit zum Dösen und Nase-in-die-Sonne-Halten. Patricia hat das Steuer übernommen, Emanuel sucht mit dem Feldstecher die Küste nach kleinen Buchten ab und bestaunt die Villen oben auf den Felsen. Christian liest und Miriam überlegt schon mal, was man abends in der Pantry kochen könnte.

Wenden und halsen

Die Einfahrt in die Cala Figuera ist von See aus fast nicht zu erkennen. Eng und gewunden hat sich der Fjörd tief in die felsige Steilküste eingegraben. An seinem Ende ein Hafen wie aus dem Mallorca-Bilderbuch. Fischer sitzen an der Kaimauer und flicken Netze. Vor den Häusern dümpeln weiße Kähne, ein großes Fischereiboot verkauft seinen Fang. Cala Figuera ist kein Yachthafen, sondern Anlegeplatz für Fischer und etwa fünf Segler, die nach und nach eintrudeln. Und weil die Bars und Restaurants oben auf der Klippe so verlockend aussehen, bleibt die Bordküche heute kalt.

 
  Foto: Marcus Gloger
  Bei viel Wind und hoher Welle heißt es Ruhe bewahren am Steuer und vor allem nicht seekrank werden.

Christian möchte am Ende der Woche seinen Sportküstenschifferschein machen. Den muss vorweisen, wer eine Charteryacht ausleihen will, um mit eigener Crew segeln zu können. So kommt es, dass die Männer und Frauen von der Besatzung unterwegs viele Manöver fahren: Sie wenden, kreuzen und halsen, luven an, fallen ab, holen die Schoten dicht, trimmen das Vorsegel oder fieren auf. Besonders oft muss der junge IT-Berater das Mann-über-Bord-Manöver mit einer ins Meer geworfenen Boje fahren, denn bei dieser Übung muss auch die gesamte Crew wissen, was sie zu tun hat – schließlich kann das selbst auf einem reinen Vergnügungstörn mal notwendig sein. Auch die wichtigsten Knoten – Palstek, Webeleinstek und Achtknoten – wollen gelernt sein, um die Fender an der Reling fachmännisch festzuzurren oder die Klampen beim Festmachen im Hafen sicher zu belegen.

Alles schwankt

Noch schwindelig von den vielen Wendemanövern wanken die ersten mit Badetuch und Schlappen in die Duschräume der nächsten Marina. Segeln ist immer auch ein bisschen wie Camping. Gebügelte Blusen können die Nachbarn von den großen Motoryachten vorn am Steg tragen. Segler lieben unkomplizierte Fleecepullis und tragen die Shirts vom Vorabend auf.

Zurück in Palma, dem Heimathafen der „Intention“, heißt es klar Schiff machen und Taschen packen. Ungewohnt, wieder dauerhaft festen Boden unter den Füßen zu haben. „Hat sich doch gelohnt, hier im Süden gesegelt zu sein“, sagt der von Seewind und Sonne gebräunte Co-Skipper Emanuel beim Abschiedsessen in einer Bodega im historischen Zentrum der Balearenhauptstadt, „aber wackel mal einer am Tisch, sonst kann ich nicht essen.“ In der Woche auf See hat sich der Gleichgewichtssinn auf das ständige Schaukeln bei Tag und Nacht umgestellt. Alles schwankt noch.

Uta Linnert

Viele Reiseveranstalter und Segelschulen bieten Törns mit Skipper zum Mitsegeln an. Diese Reise wurde gebucht über: www.lord-nelson.com
Anreise: Wer mit dem Zug über Spanien anreist, kommt per Fähre von Barcelona, Valencia oder Alicante nach Mallorca. Von Barcelona dauert die Überfahrt ca. vier Stunden. Bei Fluganreise den CO2-Ausgleich bei www.atmosfair.de nicht vergessen.

   
 

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