Reise 4/2008

Schnelle Fährfahrt

Reisen statt rasen

Hochgeschwindigkeitsfähren bringen Reisende schnell übers Wasser: Von Barcelona nach Mallorca in vier Stunden, von Emden nach Borkum mit dem Katamaran in einer Stunde oder mit „Highspeed“ durch Norwegens Fjorde – ist das ökologisch?

Foto: Uta Linnert
Wenn Schiffe im Turbogang durch die Meere pflügen, steigt der Spritverbrauch extrem an.

Norwegen, Endstation Flåmsbahn. Paul Peeters steigt aus dem Zug. Für seine Weiterfahrt muss er den Sognefjord überqueren. Nach Balestrand auf der anderen Seite des Meeresarms muss der niederländische Professor für nachhaltigen Verkehr und Tourismus die Schnellfähre nehmen. Schnellfähren werden mittlerweile überall auf der Welt auf kurzen und mittleren Strecken eingesetzt, weil sie ihre Passagiere doppelt so schnell ans Ziel bringen wie konventionelle Fähren.

Von dieser Zeitersparnis hat Peeters jedoch nichts – er muss erst mal zwei Stunden am Hafen warten, bis die Fähre ablegt, weil der Schiffsverkehr nicht auf den Bahnfahrplan abgestimmt ist. „Gäbe es eine normale Fähre, die, sagen wir, eine halbe Stunde nach Ankunft des Zuges starten würde, käme man auf dieselbe Reisezeit und würde viel Sprit sparen“, sagt Peeters. Er nennt damit zwei wichtige Aspekte des immer schneller werdenden Fährverkehrs: Der Kraftstoffverbrauch von Schiffen steigt exponentiell mit der Geschwindigkeit. Und: Zeitsparen ist relativ.
Bereits 1996 zeigte Peeters in einer Studie, dass konventionelle Passagierschiffe pro Sitzplatz und Kilometer elf Gramm Kohlendioxid (CO2) ausstoßen, schnelle hingegen 34,5 Gramm – das Dreifache. Der Bund für Umwelt- und Naturschutz Schleswig-Holstein berechnete sogar, dass eine Schnellfähre zur Nordseeinsel Helgoland im Vergleich zum traditionellen Bäderschiff mehr als viermal so viel Treibstoff pro Fahrgast verbraucht und entsprechend mehr Emissionen in die Luft jagt. Diese sind nicht nur schlecht fürs Klima, sondern auch für die Gesundheit, weil für Schiffsabgase keine verbindlichen Standards gelten (fairkehr 1/2008).

Trotzdem setzen Reedereien bis heute auf Geschwindigkeit statt auf Umweltschutz. Nimmt das Schiff nicht nur Menschen, sondern auch Fahrzeuge mit, erhöht sich der CO2-Ausstoß nach Peeters Studie wegen des Gewichts auf bis zu 100 Gramm. Zum Vergleich: Ein Flugzeug emittiert durchschnittlich 90 Gramm CO2 pro Sitzplatz und Kilometer – die erhöhte Klimawirkung in großen Flughöhen ist dabei allerdings nicht eingerechnet.

Schnelle Schiffe gefährden Wale und Delfine

Aber nicht nur der hohe Energieverbrauch und die Emissionen sind der Preis für die Geschwindigkeit auf See. Meerestiere leiden erheblich unter dem schnellen Schiffsverkehr. Schiffsschrauben und Jetantrieb haben eine Sogwirkung, durch die Kleinstlebewesen wie Plankton vernichtet werden. Der Lärm verursacht Hörschäden bei Walen und stört deren Orientierungssinn. Meeressäuger sowie auf dem Wasser
ruhende Seevögel können die hohe Geschwindigkeit der Schiffe nicht abschätzen und schaffen es oft nicht rechtzeitig auszuweichen. „Seitdem Highspeed-Fähren in den Gewässern der Kanarischen Inseln verkehren, haben Kollisionen von Schiffen und Walen extrem zugenommen“, berichtet der Verhaltensbiologe Fabian Ritter von der Umweltorganisation M.E.E.R. e.V. (s. Kasten rechts). Die Zusammenstöße enden für die Tiere meist tödlich. Forscher entdeckten bei gestrandeten Walen riesige Schnittwunden und fanden sogar in zwei Hälften zerschnittene Tiere. Um die Artenvielfalt von Walen und Delfinen auf den Kanaren nicht weiter zu gefährden, fordert der Meeresschutzverein deshalb ein Tempolimit.

In Norwegen sitzt Paul Peeters mittlerweile an Bord der Schnellfähre und eilt über Europas größten Fjord hinweg. Sind Highspeed-Schiffe den hohen Spritverbrauch wert? „Nur wenn dadurch die Reisekette von Zug und Schiff konkurrenzfähig zum Flugzeug oder Auto wird. Aber das ist in den wenigsten Fällen so“, sagt Peeters. Er bedauert, dass mit der Geschwindigkeit der Zauber einer entspannten Schiffsreise verloren geht. Das haben auch die Kapitäne der schnellen Fjordfähren erkannt. Mittlerweile machen sie an Wasserfällen, spektakulären Aussichten oder wenn Wale auftauchen einfach einen Stopp. Zeitsparen ist manchmal relativ unwichtig.

Valeska Zepp

   
 

Delfine schützen

Foto: IStockphoto.com

Die Umweltorganisation M.E.E.R. e.V. ist ein gemeinnütziger Verein, der sich dem Schutz der Wale und Delfine und ihres natürlichen Lebensraumes verpflichtet hat. Seit Jahren erforscht der Verein die Ursachen von Zusammenstößen zwischen Meeressäugern und Schiffen. Zu solchen Kollisionen kommt es hauptsächlich mit schnellen Fähren und Kreuzfahrtschiffen, aber es stoßen auch immer wieder Segler mit Walen oder Delfinen zusammen. Darüber ist sehr wenig bekannt. Um mehr über die Auswirkungen von Segelschiffen oder Segelregattas auf Wale und Delfine zu erfahren, hat der Verein vor kurzem eine Pilotstudie gestartet. Hierzu sammeln die Forscher Berichte von Seglern. Wer schon einmal einen Zusammenstoß oder eine Beinahe-Kollision mit Meeressäugern hatte, kann an einer Online-Umfrage teilnehmen: http://m-e-e-r.de/441.1.html

Auf La Gomera bietet M.E.E.R. e.V. verantwortliches Whale-Watching an. Geschulte Mitarbeiter begleiten Bootsausflüge, informieren Touristen und führen wissenschaftliche Datenerhebungen durch.
www.m-e-e-r.de

   
 

Wie öko ist Segeln?

Foto: Marcus Gloger
Wenn der Wind mal nicht bläst, werfen Freizeitkapitäne gern den Motor an, um der Flaute davonzufahren.

Segelboote rauschen allein mit der Kraft des Windes übers Meer? Ja und nein. Geblähte Segel bedeuten noch nicht, dass durchweg auf Motorkraft verzichtet wird: Nur ein winziger Anteil der Segler fährt Hafenmanöver unter Segeln. Bei Flaute, Gegenwind und Sturm schalten viele Yachtkapitäne ihren Diesel zu oder an. Zusätzlich fahren die Beiboote mit 2- bis 10-PS-Außenbordmotoren. Vor Anker müssen die Akkus oft mit der Lichtmaschine des Schiffsdiesels geladen werden, damit das Bier kühl bleibt und das Druckwasser warm aus dem Hahn kommt. Ganz ohne Motor gehts aber auch: Die stolze 21,57 Meter lange ANITRA (Baujahr 1938) ist ein ehemaliger Segler des Americas Cup und wird bis heute ohne Maschine bewegt. Törns in der Ostsee: www.skostsee.org

Die „kleinen“ Motoren fallen in der Energiebilanz jedoch nicht besonders ins Gewicht. Die Anfahrt macht den Löwenanteil der Ferienökologie aus. Die Schweizer Studie „Sport und Verkehr“ von Jürg Stettler ermittelte, dass die Ferienmobilität beim Segeln mit durchschnittlich 4000 Kilometern (ein Weg) pro Urlaub nur vom Tauchen (5000 km) geschlagen wird und noch vor dem Windsurfen (3000 km) und Golf (2800 km) liegt. Die lange Anreise in die Karibik oder nach Französisch-Polynesien macht also die Vorteile des recht energieautarken Segelurlaubs wett. Dafür können gerade Törns ein hervorragender Ausgleich zu Alltags- und Berufsleben sein – das ist schon eine ganze Menge. Außerdem verleitet das Segeln nicht zu weiteren Touren am Urlaubsort, da man ja bereits „unterwegs“ ist. Das sind sonst häufig 1000 Kilometer pro Woche allein vor Ort. Wer lediglich mit dem Nahrungsvorrat für die ersten Tage anreist, muss sich zwangsläufig mit dem Provianteinkauf am Urlaubsort befassen – ein oft erholsamer kulinarischer Tapetenwechsel, der obendrein ökologisch ist. Da Pfandsysteme in vielen bekannten Segelrevieren nicht existieren, lassen sich Feriensmutjes oft zum Kauf von Getränkedosen verleiten, die nach der Leerung im Müllsack landen: Nicht korrekt, aber sollte man während eines zweiwöchigen Urlaubstörns das Abfallsystem des Mittelmeerraums revolutionieren?

Nils Theurer

   
 

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