Reise 4/2008

Fährreisen

Die Fahrt ist das Ziel

Das Übersetzen mit einer der großen Fähren von Kiel nach Oslo ist wie eine kleine Kreuzfahrt. 20 Stunden lang sind die mehr als 2700 Passagiere eine Schicksalsgemeinschaft.

Foto: Kirsten Lange

Wie eine schwimmende Stadt, eine abgeschottete kleine Welt, pflügt die M/S Color Magic mit tausenden Menschen an Bord durch die Ostsee, immer an der dänischen Küste entlang. 20 Stunden lang wird dieser Mikrokosmos existieren: In der Zeit transportiert der 220 Meter lange und 60 Meter hohe Koloss seine temporären Bewohner, die in Kiel mit Rollkoffern und Reisetaschen im Schiffsinneren verschwunden sind, mit 22 Knoten Richtung norwegische Hauptstadt.

20 Stunden, in denen man wie in seinem Heimatdorf immer wieder den gleichen Leuten über den Weg läuft, ob draußen auf dem Panoramadeck oder drinnen in einem der vielen Restaurants und Läden an der 160 Meter langen Einkaufspromenade. Da sind schon wieder die beiden sonnenstudiobraunen norwegischen Teenager mit ihren geblondeten, toupierten Mähnen – wie zwei missglückte Kopien der kolumbianischen Sängerin Shakira – die eben noch auf Deck 13 in der „Sports & Burgerbar“ saßen. Und nein wirklich, da ist der „Umgezogene“! Der große, leicht ungelenke, etwa 60-jährige Mann, der sich vor einer Stunde in der Edelbar „Observation Lounge“ auf Deck 15 von seiner Gattin anhören musste: „Hast du meinen Wink nicht verstanden?! Ich habe dir feinere Kleidung aufs Bett gelegt!“ Der daraufhin aufstand und nicht wiederkam und der jetzt über die Promenade läuft, in Karopulli und schwarzer Cordhose statt mit rotem Sweatshirt und hellblauen Jeans.

Foto: SCANPIX NORGE/Heiko Junge
Drinnen Essen, Einkaufen und Unterhaltung, draußen Wind, Wetter und Sonnenuntergänge – die Überfahrt von Kiel nach Oslo wird nicht langweilig.

Wer nicht gern Menschen beobachtet, zerstreut sich im Kino, im Casino oder am Golf-Simulator oder tobt sich im Fitnessstudio und im „Aqua Land“ aus. Die Drei-, Vier- oder Fünf-Sterne-Kabinen mit See- oder Promenadenblick sind beinahe überflüssig. Die Nacht lässt sich auch ohne Schlaf gut rumbringen auf der 2007 fertiggestellten Color Magic, die eher ein Kreuzfahrtschiff ist denn eine Fähre. In der Show Lounge gibt es bis spät abends Revue-Programm und im Nightclub legt ein DJ bis in die Morgenstunden Discomusik auf. Die Kreuzfahrtler sollten auf jeden Fall das nötige Kleingeld im Rollkoffer haben: Auf dem Schiff kostet fast alles extra – und das Ziel ist eine der teuersten Städte der Welt.

Bewohner auf Zeit

Für einige Passagiere ist allerdings bereits die Fahrt das Ziel: Um 10 Uhr angekommen in Oslo, vertreiben sie sich die Zeit an Bord, bis das Schiff um 14 Uhr wieder Richtung Kiel ablegt. Wer mehr sehen möchte von der norwegischen Hauptstadt, hat das Oslo-Hotelprogramm gebucht und bleibt eine Nacht. Das reicht aus, um das hippe Hafenviertel Akerbrygge, den königlichen Palast und den Vigeland-Skulpturenpark zu besichtigen. Und um mit der Bahn zum Holmenkollen hochzufahren, an dessen Hängen sich die älteste Skisprungschanze der Welt befindet.
Auf dem Rückweg hat die schwimmende Stadt neue Bewohner auf Zeit. Die doppelte Shakira ist in Norwegen geblieben. Und auch der Umgezogene trägt seinen Karopulli vermutlich immer noch durch Oslo.

Kirsten Lange

Das ColorLine Oslo-Hotelprogramm beinhaltet zwei Übernachtungen mit Frühstücksbuffet an Bord sowie eine Übernachtung mit Frühstück im Hotel. Der Norwegenkai ist vom Bahnhof Kiel in fünf Minuten zu Fuß erreichbar.
www.colorline.de

   
 

Entspannt nach Korfu

Fliegst Du noch oder reist Du schon? So könnte man in Anlehnung an den Slogan einer schwedischen Möbelfirma das Hohelied auf die langsame Annäherung ans Reiseziel anstimmen. Fünf Tage dauert unsere Reise von Bonn nach Korfu am südlichen Ende der Adria. Für die Familie die entspannteste Anreise aller Zeiten. Kein „Wann sind wir endlich da?“, kein „Mir ist langweilig!“, keine endlos wiederholten Kinder-CDs im Auto. Im ICE nach München beginnt der Urlaub, im Nachtzug nach Venedig das Abenteuer und um halb sieben morgens am Canal Grande die Faszination des Reisens. Hellwach spazieren wir durch die morgendlich besonnten Gassen der Lagunenstadt, genießen den Blick von der Rialtobrücke ohne touristische Kramläden. Die goldenen Pferde von San Marco haben wir ganz für uns alleine. Zwei Tage genießen wir die Kulisse Venedigs. Dann haben die Kinder genug von den kleinen Vaporetto-Booten. Das große richtige Schiff ruft. Auch auf dem Weg dorthin verfallen wir nicht in Stress. Vom Hotel beim Bahnhof Santa Lucia sind es zehn Minuten zu Fuß zum Busbahnhof. Von dort fährt ein Shuttlebus der Minoan Lines direkt zum Terminal unseres Schiffes „Ikarus Palace“. Ein Steward bringt uns zu unserer Kabine, einem geräumigen, kühlen Vierbettzimmer mit Bad und Meerblick.

Obwohl wir noch in Venedig vor Anker liegen, sind wir schon in Griechenland. Das Bordpersonal heißt Dimitry und Angelos und die Uhr wird um eine Stunde vorgestellt – osteuropäische Zeit. Es gibt keine Pasta und Pizza mehr, sondern Schafskäse, gefüllte Weinblätter und Oktopus-salat. Zum Abschied paradiert das Schiff vorbei an der Stadt. Die Menschen auf dem Markusplatz winken und entlang des Lido erreichen wir das richtige Meer. An Bord gibt es jede Menge zu entdecken: Restaurants, Bars, Läden, ein kleiner Pool.

Das Beste aber ist der Wind an Deck. Von dem man sich treiben lassen kann, gegen den man sich lehnen kann. Feucht und warm dreht er die Haarschöpfe in Locken. 24 Stunden dauert die kleine Kreuzfahrt. Langeweile ist nicht in Sicht!
Unser Ziel, das Honigtal im Nordwesten Korfus, erreichen wir nach einer weiteren Stunde Busfahrt. An einer wunderbaren Sandbucht mit türkisfarbenem Wasser verbringen wir einen sehr schönen Urlaub. Aber die Reise dorthin, die schmeckte nach mehr …

Michael Adler

Mehr Informationen zur Fährfahrt nach Korfu: www.minoan.gr
Reise ins Honigtal buchen:
www.renatour.de

   
 

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