Politik 4/2008

Warnung

Gasgeben macht impotent

Was wäre eigentlich, wenn man mit gleicher Härte
gegen abgasausstoßende Autofahrer vorginge wie
zurzeit gegen Raucher?

DB AG/Andreas Mann
An Bahnhöfen darf nur noch innerhalb gelb markierter Felder geraucht werden.

Endlich wird alles gut. Seit dem 1. Juli gilt der Nichtraucherschutz in ganz Deutsch­land. Ärger machen die Qualmer freilich noch im Freien und Halbfreien, auf den Bahnsteigen der DB vor allem. Doch auch hier gibt es ermutigende Fortschritte: Früher durften sie sich noch ganz gemütlich um das eigens aufgestellte Stehtischchen versammeln, ganz so, als handele es sich um einen freundlichen Extraservice für Luftverpester. Inzwischen hat Bahnchef Mehdorn diesem munteren Treiben aber klare Grenzen gesetzt – gelbe Markierungs­streifen am Boden machen den Rauchern jetzt klar, dass dies kein Platz an der Sonne ist, sondern der Ort einer vorübergehenden Inhaftierung.

Anderswo fehlt es leider noch an der nötigen Härte. In Berlin etwa dulden viele Wirte, dass in ihrem Etablissement einfach weiter geraucht wird. Doch zum Glück lässt sich die deutsche Bevölkerung soviel Toleranz nicht gerne gefallen: Die Initiative „Pro Rauchfrei“ animiert aufrechte Bürger da­zu, solche Rechtsbrecher aufzuspüren und via Internet bei den Behörden anzuzeigen.

Das Beste am neuen Nichtraucherschutz ist aber natürlich die sensibilisierende Breitenwirkung. Plötzlich wird einem bewusst, dass man ständig Dinge einatmen muss, die man nicht einatmen will: Güllegeruch und Achselschweiß etwa oder Grilldünste aus dem Nachbargarten. Wirklich höchste Zeit, dass mit all dem Schluss ist! Vor allem natürlich mit den Autoabgasen, die ja mindestens so gesundheitsschädlich sind wie glimmende Tabakröllchen! Natürlich gehören sie überall dort verbannt, wo Alte, Kinder und andere Nichtautofahrer in ihrem Recht auf körperliche Unversehrtheit bedroht werden.

Wie das durchzusetzen ist, hat die Anti-Raucherpolitik der letzten Jahre ja beispielhaft vorgeführt: Am Anfang steht die schonungslose Aufklärung – die Automobilhersteller werden verpflichtet, den Kunden die Gesundheitsgefahren ihrer Produkte drastisch vor Augen zu führen. In Form von großen Graffitis stehen nun markige Sprüche auf der Kühlerhaube wie etwa: „Autofahren fügt Ihnen und den Menschen in Ihrer Umgebung erheblichen Schaden zu“, „Gasgeben macht impotent“, „Wer dieselt, mordet“ usw. In einem zweiten Schritt wird es anfangs Fahreinschränkungen auf freiwilliger Basis geben, dann erste gelb markierte Sperrzonen in Stadtzentren und Wohngebieten, schließlich das definitive Verbotsgesetz mit einer verbraucherfreundlichen Übergangszeit, damit man sich an die neuen Verhältnisse gewöhnen kann.

Keine Abgase nirgendwo

Wer damit zu leben gelernt hat, in der Stadt ohne Auto auszukommen, wird dann umso leichter begreifen, dass auch die außerörtlichen Straßen und Autobahnen stillgelegt werden müssen. Es könnte ja jemand, der selbst kein Auto mehr hat, spazierengehend in die Nähe einer solchen Dieselschneise kommen. Klar, dass er ein Recht darauf hat, von dergleichen Gesundheitsrisiken verschont zu bleiben. Über die Webseite wirklichgesund.com wird man dann den öffentlichen Gebrauch von Verbrennungsmotoren melden können, damit ihn der gleichnamige Autohasserclub zur Anzeige bringen kann – nein, nicht gegen die Autofahrer selbst, denn die sind ja Opfer einer gewinnorientierten und abhängig machenden Automobilindustrie, sondern gegen diejenigen, die Straßen und Autobahnen bereitstellen, jene Politiker also, die so sehr um unser gesundheitliches Wohl bemüht sind, dass sie uns jetzt schon mal ein Rauchverbot beschert haben.

Naja, um ehrlich zu sein: Ein Gesetz, dass das Anlassen des geliebten Fahrzeugs nur noch in der eigenen, luftdicht abgeschlossenen Garage erlaubt, geht vielleicht ein bisschen weit. Dergleichen wünscht man ja nicht einmal Rauchern! Reduzieren wir die berechtigten Ansprüche auf ein abgasfreies Universum also auf ein sozialverträgliches Maß: Kein Dieselfahrzeug ohne Feinstaubfilter mehr, Baustopp für neue Autobahnen und Schnellstraßen, systematische Auslagerung des privaten Autoverkehrs aus den Innenstädten!

Die positive Wirkung für die Volksgesundheit wäre derart überwältigend, dass sich die Gesellschaft vielleicht sogar wieder Kneipen mit Raucherecken leisten könnte – und die DB den einen oder anderen Rauchertisch ohne Demarkationslinie.

Gerhard Fitzthum

   
 

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