Editorial 4/2008
 

Es geht ums Ganze

 
Michael Adler

Foto: www.marcusgloger.de

Jetzt sind es also Elektroautos, die die Welt retten sollen. Weil es überall Steckdosen gibt und weil Elektromotoren keine Abgase produzieren. Fahren mit Strom ist die neue Sau der Automobilität, die gerade durchs globale Dorf getrieben wird. Und weil der Strom irgendwie auch in die Steckdose hineinkommen muss, fordert VW-Vorstandschef Martin Winterkorn neue Atomkraftwerke. Ganz viele davon, weil Atomstrom ja CO2-frei erzeugt werde. So einfach ist die Welt.

Vor wenigen Monaten noch wuchs die automobile Zukunft auf dem Acker. Biosprit, das klang so gut. Leider, leider gibts davon nicht genug, jedenfalls nicht in Bio. Und was war noch gleich mit dem Wasserstoffantrieb? Egal. Jetzt also Atomstrom in den Elektrotank.

Wie eindimensional dürfen Autovorstände und Wirtschaftsminister eigentlich denken, reden und handeln? Mal abgesehen vom sogenannten Restrisiko der Atomwirtschaft: Uran ist als Grundstoff der Kernenergie mindestens ebenso endlich wie Erdöl. Und selbst wenn man von einem wahren Elektroautoboom ausginge, werden in 20 Jahren vielleicht vier bis fünf Prozent der Autoflotte elektrisch betrieben.

Das allein rettet nicht die Welt. Trotzdem suggerieren Teile der Politik und Wirtschaft immer wieder: Wir machen da was Großes und dann wird alles wieder gut. So dumm sind wir nicht! Als mündige Bürgerinnen und Bürger verlangen wir eine umfassende und differenzierte Lösung des Problems.

Wir erwarten, dass endlich eine CO2-basierte Kfz-Steuer eingeführt wird. Dass die Bundesregierung und die deutsche Automobilindustrie die Europäische Union endlich in dem Bestreben unterstützen, einen wirklich ambitionierten CO2-Grenzwert für Pkw festzulegen.

Wir erwarten eine Verkehrs- und Wirtschaftspolitik, die die Anreize richtig setzt und unter anderem in den nächsten zehn Jahren zweistellige Milliardenbeträge für den Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel bereitstellt. Die Bahn soll eine noch attraktivere Alternative zum Flugzeug und Auto werden. Dafür wird man im europäischen Kontext auch Hochgeschwindigkeitsstrecken brauchen, vor allem aber eine sinnvolle Vertaktung von Langsam- und Schnellverkehr, wie sie der VCD fordert.

In den Städten brauchen wir viel mehr Geld für Bus und Bahn, um das Angebot bei steigenden Fahrgastzahlen auszubauen. Zurzeit stehen Bundes- und Landesregierungen hier auf der Sparbremse. Und wir erwarten eine Fuß- und Radverkehrsförderung, die diesen Namen verdient. Vergleichsweise wenig Geld kann viel zur Lösung der Schadstoff- und Lärmprobleme in den Kommunen beitragen.
Kurz: Wir brauchen eine Politik, die motorisierten Verkehr vermeidet, ihn auf weniger umweltschädliche Mobile verlagert und den verbleibenden Autoverkehr nach den Erfordernissen der Klima- und Gesundheitspolitik verbessert. Das wäre das Ganze, um das es uns geht.
Das aufgeregte Geschwätz um die täglich neu formulierten Lösungen gegen zu hohe Pkw-Emissionen kreist nur um ein Teilproblem. Allerdings sehr laut.

 

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