Kolumne 3/2008
 

Anzeigenumfelderfüllungsgehilfen

   
  Foto: Jakob Kirsch  

Ich bin Gott sei Dank kein Journalist. Journalisten haben immer so einen Stress mit dem Redaktionsschluss, müssen ständig sorgfältig recherchieren und alles sehr kritisch beleuchten. Sie tragen eine große gesellschaftliche Verantwortung. Beim Thema Verkehrsklima beispielsweise. So bewundere ich besonders die verehrten Motorjournalisten. Ich bin richtig vernarrt in die bunten Autoseiten der deutschen Zeitungen und verbringe damit am Wochenende viele glückliche Stunden. Wie jeder weiß, sind die Autojournalisten die Crème de la Crème des deutschen Journalismus. Viele Zeitungen nennen die Autotestseiten heute staatstragend Mobiles Leben, Motorwelt oder Verkehr und Technik. Zu Recht. Das soll mit Nachdruck unterstreichen: Es handelt sich hier keineswegs um das bloße Werbeumfeld der Autoindustrie. Mein achtjähriger Sohn spricht ganz zu Unrecht von der Schande des Journalismus. Auch sind die Autotester keinesfalls, wie er meint, Anzeigenumfelderfüllungsgehilfen im Dienste der Autokonzerne. Mein Sohn hat keine Ahnung von der vielschichtigen Tätigkeit des Autojournalisten. Allerdings sind da ein paar systemimmanente Phänomene, die den einen oder anderen Text auch in den schweren Zeiten des Klimaschutzes erklären können. Wie kommt beispielsweise der folgende oft gelesene Klassiker zustande: „Für ein Auto dieser Größe ist ein Verbrauch von 14 Litern recht sparsam.“ Diese interessante Interpretation zeitgenössischen Fahrzeugdesigns lese ich gerne auch in sogenannten Qualitätszeitungen, die auf den ersten Seiten in oberflächlichen Leitartikeln für Klimaschutz plädieren. Auf der Autoseite steht schon viel differenzierter, dass die CO2-Pläne der EU-Kommission das Autofahren und die Autos viel, viel teurer machen würden. Nur wer ihre Arbeitsbedingungen kennt, weiß, wie hart gerade die Autojournalisten um eine ausgewogene Meinungsbildung kämpfen.

Stellen wir uns vor, jemand lädt Sie auf eine schöne Reise ein. Vielleicht geht es nach Majorka oder nach Eisland. Auf jeden Fall ist alles umsonst und es gibt lecker Essen, Hotel mit Pool und jede Menge Geysire drumrum. Die Gastgeber sind sehr dufte freundlich und nach dem Frühstück kommt die Spritztour mit dem neuen Allrad Offroad SUV Crossmix mit EPS, GSP und dem neuen AFX Sitzmassagesystem. Erstes Problem. Recherchieren geht gar nicht, denn ein Textentwurf mit allen Infos steht ja bereits auf dem tollen Laptop, der in der Pressemappe war. Den Laptop muss man merkwürdigerweise gar nicht zurückgeben. Kritisch nachfragen, das machen die Autobauer auch selbst. Der Pressesprecher erinnert nur an den früheren hohen Spritverbrauch: Mit neuem Turbolader und erhöhtem Einspritzdruck, was die Traktionsintervalle erheblich kondensiert, sinkt der Verbrauch bei Tempo 220 km/h um einige Kilobar. Wer zu Gast bei Freunden war, kann sich im eigenen Fahrbericht einen kleinen Hinweis auf die erheblichen Anstrengungen des Unternehmens im Klimaschutz nicht verkneifen. Das heißt überhaupt nicht, dass die Artikel gekauft sind. Motorjournalisten sprechen auch mutig aus, was die Autofirmen nicht hören wollen. Die Stimme des Navigationsgeräts nervt erheblich, bei den Becherhaltern beleidigt das billige Plastik das haptische Empfinden und die Konkurrenz hat das Sounddesign der Türen viel besser im Griff. Da hab ich schon ganz schön kritische Dinge gelesen. Autojournalisten können nämlich auch eisenhart sein. Auf Anzeigekunden nehmen die keine Rücksicht.

Selbst mal ein Auto testen wäre schon spannend. Ich würde das am liebsten für die ZEIT tun. Da setzen sich bekanntlich normale Redakteure aller Ressorts ganz unbefangen, unwissend und unbedarft ans Steuer. Und schreiben über neue Autos, was ihnen halt so einfällt. Ein von mir verehrter Journalist, der eigentlich für Spitzenrestaurants zuständig ist, stellte vor Wochen einen Kombi mit 180 g/km CO2 vor. Er lobte ausdrücklich und ernsthaft die Klimafreundlichkeit. Das fand ich erfrischend. So unbefangen, unwissend und unbedarft. Ich werde ihm ein Foto meines neuen Wasserstoff betriebenen Liegerades schicken.

Martin Unfried

 

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