Titel 2/2008

Interview

Reine Routine

Lebensstilforscher Konrad Götz sieht Chancen, dass sich alte Mobilitätsgewohnheiten verändern.

   
  Foto: Archiv  
  Konrad Götz leitet den Forschungsbereich Mobilität und Lebensstilanalysen am Institut für sozial-ökologische Forschung in Frankfurt am Main und ist Mitglied im wissenschaftlichen Beirat des VCD.  

fairkehr: Viele Menschen wissen, dass ihre Mobilität das Klima erwärmt. Warum fällt es dennoch so schwer, aus dem Geländewagen auszusteigen?
Konrad Götz: Der Geländewagen ist eine Symbolmaschine. Er vermittelt Schutz, Größe und unbändige Stärke. In London heißen die großen Off-Roader inzwischen „Chelsea tractor“, nach dem Nobelwohnort benannt. Es ist also möglich, sie intelligent zu diffamieren.

fairkehr: Ob das reicht? Das große Auto wird als bequem betrachtet. Was muss passieren, damit Fahrrad fahren oder zu Fuß gehen als bequem gelten?
Götz: Auto fahren ist in Deutschland der Normalzustand. Diese Routine wird als bequem empfunden. Sie zu verändern gilt als Verzicht. Es geht also um diese Phase des Umbaus der eigenen Routine. Danach ist das Radfahren Routine und man wird die Schnelligkeit, die sportlichen Effekte und die frische Luft genießen.

fairkehr: Routine-Umstellungen, die die Holländer oder Kopenhagener schon vollzogen haben.
Götz: Es gehört immer auch die entsprechende Hardware dazu. In Holland und Skandinavien gibt es sehr gute Fahrradwege und Parkhäuser. Es gilt als schick und normal, auf zwei Rädern unterwegs zu sein. Deutschland ist besonders auto- und technikverrückt. Wir haben das Auto erfunden und wir sind stolz darauf.

fairkehr: Brauchen wir dafür Politiker und Prominente, die mit gutem Beispiel vorangehen?
Götz: Wenn sich Politiker gegen den Strom stark engagieren, dann können sie viel erreichen. Vor allem sind Politiker Profis für gesetzliche Regelungen. Das Dienstwagenprivileg muss zu einem Mobilitätsprivileg werden, bei dem beispielsweise eine BahnCard 100 oder das CarSharing besonders gefördert werden.

fairkehr: Da wir jetzt alle „Neue Ökos“, sogenannte Lohas, werden, kommt die Wende quasi automatisch?
Götz: Vorsicht. Die Lohas sind eine Gruppe von 12 bis 15 Prozent der Bevölkerung. Deren Lebensstil wird das Prekariat kaum ansprechen. Aber wir haben derzeit einen globalen Rahmen, der Chancen eröffnet. Die Weltpolitik will das Klima schützen, die Industrie muss darauf reagieren. Wenn der eine oder andere Promi sich auch in diesem Feld engagiert, dann kann die ökologisch bewusste Bevölkerungsgruppe noch einen Hof von weiteren 20 Prozent finden und Routine verändern, wie in London, Paris oder Kopenhagen.

Interview: Michael Adler

   
 

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