Editorial 2/2008
 

Fortschritts-Eunuchen

 
Michael Adler

Foto: www.marcusgloger.de

Sigmund Gottlieb, der als Journalist getarnte Lautsprecher der bayerischen Staatsregierung, kommentierte in den Tagesthemen das Ende des Transrapids in Bayern. „Fortschritts-Eunuchen“ seien alle, die jetzt wieder jubelten über das Scheitern eines Hochtechnologieprojekts in Deutschland. Was will uns Gottlieb damit über „Fortschritt“ und „richtige Männer“ sagen?
Fortschritt muss groß sein, mit möglichst viel Stahl, Beton und Geld im Spiel. Richtige Männer bewegen viele Milliarden, fahren große Autos und präsentieren Großprojekte, mit denen mal der Wirtschaftsstandort, mal die Energiesicherheit oder mal gleich die ganze Welt gerettet wird. In Bayern trinken solche Männer auch Bier in Literkrügen und tragen Lederhosen.
Gerne unterstreichen solche Männer ihre Tatkraft durch große Zahlen in Megawatt, Millionen Kubikmeter Erdbewegungen oder Tausenden von Arbeitsplätzen. Angesichts der Größe der Projekte wird allerdings die Wirklichkeit oft ausgeblendet. Längst ging es beim Transrapid nicht mehr um verkehrlichen Nutzen. Es ging nur noch um Symbole, wie die Leistungsfähigkeit der deutschen Industrie oder den Beweis, dass Bayern der Hochtechnologiestandort in unserem Land ist.

Ein anderes Beispiel ist die gescheiterte Einführung der zehnprozentigen Beimischung von Biosprit. Auch hier galt: Ein großer Wurf, ein mutiger Schritt und wir sind mit unseren Premium-Autos klimafreundlich. Auch das Symbolpolitik, die sich um die Details, etwa der klimaschädlichen Produktion des angeblich segensreichen Stoffs, nicht mehr kümmert. Ein Schlappschwanz, der dieser ignoranten Großmannssucht nicht folgen will? Oder fernsehtauglicher eben ein Eunuch, der den Fortschritt in vielen kleinen Projekten sucht, die noch dazu billig zu haben sind?
Die Förderung eines umwelt- und menschenfreundlichen Stadtverkehrs, wie ihn die Europäische Union in ihrem aktuellen Grünbuch fordert, wäre ein solcher Fortschritt. Das Beispiel Kopenhagen beweist, dass man in wenigen Jahren eine Metropole nachhaltig verändern kann, wenn man an vielen kleinen Stellschrauben dreht.
Man stelle sich nur mal vor, was alles möglich wäre, wenn die 925 Millionen Euro, die der Bund in die wenigen Kilometer zwischen München und Flughafen investieren wollte, in einen „Masterplan Nachhaltiger Stadtverkehr“ fließen würden.
1000 Projekte bundesweit könnten mit den Transrapid-Mitteln mit jeweils knapp einer Million Euro gefördert werden. Das wäre in jedem Fall klimawirksamer und fortschrittlicher, als ein paar Geschäftsleute zehn Minuten schneller zum Münchener Flughafen zu befördern. Vor allem würden die Fortschritte bei vielen Menschen an vielen Orten ankommen. Politischer Weitblick und Durchhaltevermögen sind hier allerdings Grundvoraussetzungen.
Vielleicht mangelt es daran bei den „richtigen Männern“, die Sigmund Gottlieb vor Augen hat.

 

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