Service 1/2008

Elektro-Fahrräder

Rad fahren mit Rückenwind

Gegen alle Vorurteile: Radfahren auf Elektrofahrrädern macht vor allem großen Spaß.
Diese Räder können mehr als nur körperliche Schwächen ausgleichen und sie sind nicht nur für Omas und Opas ideal. Auch Jugendliche jubeln, wenn sie den weiten Weg zur Schule trotz Gegenwinds nur so dahinfliegen. Gehen Sie mit fairkehr auf Probefahrt!

Foto: Peter Barzel

Elektrofahrräder nützen dem Klima und dem Menschen. Mit umgerechnet etwa 0,1 Litern Verbrauch auf 100 Kilometern ist ihr CO2-Ausstoß verschwindend gering. Umso größer ist ihr Nutzen: Ohne Schwitzen ins Büro, mühelos Berge erklimmen oder größere Transporte per Fahrradanhänger tätigen – alles kein Problem. Ein bisschen bequem sein und trotzdem nachhaltig mobil – wenn das keine Alternative zum Umstieg aufs Auto ist.

Elektroräder sind keineswegs nur etwas für ältere oder körperlich eingeschränkte Menschen, auch wenn für diese Zielgruppe der Mobilitätsgewinn damit enorm ist. Gerade mit den neuen, bis zu

40 km/h schnellen E-Bikes eröffnen sich für den individuellen Nahverkehr ganz neue Perspektiven. Der klassische 5-Kilometer-Aktionsradius, den Verkehrsplaner dem Fahrrad zurechnen, lässt sich damit locker verdoppeln. Trotzdem bleibt der gesundheitlich wichtige Trainingseffekt erhalten. Denn ohne Treten unterstützt der Motor nicht.

Nach dem ersten Boom vor mehr als zehn Jahren kehrte schnell Ernüchterung ein. Zu viele Modelle waren unausgereift. Es reicht eben nicht, in ein einfaches Fahrrad einen Elektromotor einzubauen. Gefragt war ein durchdachtes Fahrzeugkonzept. Inzwischen machen leistungsstärkere Motoren, ausgeklügelte Steuerungen und die neuen leichten Akkus in Lithium-Technologie das Fahren zum Genuss und sorgen aktuell für einen neuen Boom, auf den viele Hersteller wieder aufspringen. Dabei profitieren alle von der jahrelangen Entwicklungsarbeit weniger Hersteller: von Biketec mit dem Flyer, Sparta mit dem Ion und Giant mit dem Twist sowie den Motorenherstellern Panasonic und Sanyo.

Elektrorad-Typen

Beim Pedelec (Pedal Electric Cycle) teilen sich Mensch und Motor die Arbeit. Der Motor läuft nur, wenn auch der Fahrer gleichzeitig in die Pedale tritt. Das Pedelec gilt als Fahrrad und ist versicherungsfrei, der Motor darf aber maximal 250 Watt leisten und muss bei einer Geschwindigkeit von 25 km/h abschalten. Als Anfahrhilfe ist der alleinige Motorantrieb bis zu einer Geschwindigkeit von 6 km/h erlaubt.

Die S-Klasse, auch Powerbikes genannt, funktioniert wie ein Pedelec, doch entfällt die Abschaltung des Motors bei 25 km/h. So sind je nach Übersetzung der Gangschaltung und Kondition des Fahrers Geschwindigkeiten von 35 bis 45 km/h erreichbar. Pedelecs der S-Klasse gelten als Leichtmofa und brauchen eine Haftpflichtversicherung (kleines Nummernschild). Es besteht zwar auch hier keine Helmpflicht, doch ist das Tragen eines Fahrradhelmes auf den schnellen Pedelecs genauso dringend anzuraten wie es beim Rennradfahren inzwischen selbstverständlich ist. Beim E-Bike darf der Motor das Fahrrad bis 20 km/h auch allein antreiben. Seine Bedeutung ist aber nur verschwindend gering.

Drei Antriebsarten

Fast alle Antriebsmotoren haben ein Getriebe, um möglichst hohe Leistung bei geringer Baugröße zu erzielen. Der Nabenmotor im Vorderrad ist die technisch einfachste Lösung und am besten nachzurüsten. Der Akku findet oft in einer Packtasche am Gepäckträger Platz. Der Nabenmotor im Vorderrad ist mit allen Schaltungen und mit einer Rücktrittbremse kombinierbar, aber nicht mit einem Nabendynamo. Sein Hauptnachteil: Das Fahrverhalten ist etwas gewöhnungsbedürftig und auf sandigen oder rutschigen Untergründen nicht ungefährlich, weil dort beim Beschleunigen das Vorderrad leicht wegrutschen kann.

Im Hinterrad ist der Nabenmotor sehr unauffällig. Er kann aber nur mit Kettenschaltungen und nicht mit Rücktrittbremse kombiniert werden. Zudem wird das Pedelec hecklastig, vor allem, wenn auch der Akku im Bereich des Gepäckträgers untergebracht ist. Beim Zentralantrieb sitzt der Motor hinter dem Tretlager und greift mit einem Zahnrad in den Kettenzug ein. Mensch und Motor ziehen also gemeinsam an der Kette, der Motor kann für einen engeren Drehzahlbereich optimiert sein. Alle Naben- und Kettenschaltungen können verwendet werden, aber keine Rücktrittbremse. Sitzt der Akku mit im Zentrum des Fahrradrahmens wie beim Panasonic-Antrieb, bleibt die Gewichtsverteilung wie gewohnt. Allerdings wird der Radstand größer, der Antrieb ist optisch auffälliger und erfordert einen speziellen Fahrradrahmen. Und der Zentralantrieb ist technisch deutlich aufwändiger und teurer, während Nabenmotoren schon sehr preiswert zu bekommen sind.

Entscheidende Steuerung

Die Steuerung soll für das harmonische Zusammenspiel zwischen Mensch und Motorantrieb sorgen – und das ist gar nicht so einfach. Denn die motorische Unterstützung soll zwar gut spürbar sein, aber nicht ruckartig beginnen und aufhören. Gute Steuerungen messen außer der Drehbewegung der Pedale auch die Tretkraft. Das ist teuer, aber sehr sinnvoll. Wer bergauf stärker in die Pedale tritt, soll auch mehr vom Motor unterstützt werden. Sonst stellt sich schnell Frust ein, weil der Motor einen vermeintlich im Stich lässt. Auch bei der besten Steuerung ist eine Gangschaltung unerlässlich, um mit der Energie in den Akkus möglichst sparsam umzugehen. Fleißiges Schalten erhöht die Reichweite spürbar.

Die modernen Akkus in Lithium-Technik haben inzwischen die NiMH-Akkus fast bei allen Modellen abgelöst, denn sie wiegen bei gleicher Kapazität viel weniger und sie sind inzwischen sogar billiger. Die Reichweite mit einer Akkuladung hängt von verschiedenen Faktoren ab: Von der Kapazität des Akkus, angegeben in Amperestunden (Ah), vom Höhenprofil der Strecke, von dem Fahrergewicht, dem Gepäck, der Außentemperatur und dem gewählten Unterstützungsmodus. Die angegebenen Reichweiten können deshalb immer nur ein Anhaltspunkt sein und müssen individuell erfahren werden.

Peter Barzel

   
 

Antriebsarten

Das Giant Twist fährt mit Vorderantrieb (links), das Sparta kommt mit Hinterradantrieb voran (rechts).

Steuerung

Das Steuerungsdisplay beim Giant Twist (links) integiert den Antriebsmodus, den Ladezustand der Batterie und den Lichtschalter, beim Sparta (rechts) ist alles in einen Fahrradcomputer mit Tacho eingebaut.

Akkus

Herausnehmbare Akkus beim Giant Twist (links), im Rahmen integrierter Akku mit Ladebuchse beim Sparta (rechts).
   
 

Probe gefahren: Sparta Ion

Sparta Ion

Antrieb: Nabenmotor Hinterrad
Unterstützung: 50/100/150 Prozent
Steuerung: drehmomentabhängig
Akku: NiMH, 10 Ah
Reichweiten: 15 bis 70 Kilometer
Rahmen: Aluminium
Größen Herren: 50, 54, 59, 65 cm
Größen Damen: 46, 50, 55, 61 cm
Federung: Federgabel/Federsattelstütze
Schaltung: Kettenschaltung 7-Gang
Bremsen: Trommelbremsen
Beleuchtung: Halogenscheinwerfer, LED-Rücklicht
Laufräder: 28 (26) Zoll
Gewicht: 28 Kilogramm
Preis: 2.099 Euro
Website: www.spartabikes.com
E-Mail: info@sparta.nl
Telefon: 0031/55/357 87 00
Technische Infos: Herstellerangaben

Endlich ohne Schwitzen mit dem Rad ins Büro. Wer hätte das für möglich gehalten bei zehn Kilometern Weg und der üblichen Zeitnot? Doch das Sparta Ion bietet noch mehr. Die Fahrt am Rhein entlang wird zum Genuss, aufrecht sitzend lässt sich das Rheinpanorama vorzüglich genießen. Und dabei stört kein Geräusch die Stille in den Flussauen am Morgen. Der getriebelose Motor im Hinterrad arbeitet völlig lautlos und macht auch die Auffahrt zur Brücke mühelos. Beinahe wie von selbst gleitet man auf dem Sparta voran, und das ganz schön flott – zur Verwunderung einiger Frühsportler auf dem Rennrad. Dabei ist die Motorunterstützung zwar gut zu spüren, aber weder zu hören noch zu sehen. Die Akkus sind unauffällig im Rahmen untergebracht und das Steuerungsdisplay ist in einen Fahrradcomputer integriert. So sieht das Ion wie ein normales Fahrrad aus. Federgabel und Federsattelstütze sorgen für guten Komfort. Der tiefe Durchstieg und der gute Kettenschutz machen das Fahren in Anzug und Mantel sehr bequem. Die Trommelbremsen verzögern gut und sind fast wartungsfrei, und auf den stabilen Gepäckträger passt auf dem Rückweg noch der Einkauf. Einziger Nachteil dieses unauffälligen Begleiters für Alltag und Wochenendtour: Bei längeren Steigungen muss man es langsamer angehen lassen als mit anderen Elektrorädern, die ein Getriebe im Motor haben. Aber die größere Ruhe ist das bisschen mehr Zeit wert.

Michael Adler

   
 

Probe gefahren: Giant Twist

Giant Twist

Antrieb: Nabenmotor Vorderrad
Unterstützung: 70/100/130 Prozent
Steuerung: pedalkraftgesteuert
Akku: Li-Ionen, 2 ¥ 10 Ah
Reichweiten: 40 bis 130 Kilometer
Rahmen: Aluminium
Größen: S (44 cm), M (50 cm), L (56 cm)
Federung: Federgabel/Federsattelstütze
Schaltung: Nabenschaltung 8-Gang
Bremsen: V-Bremsen, Rücktrittbremse
Beleuchtung: Halogenscheinwerfer, LED-Rücklicht
Laufräder: 28 Zoll
Gewicht: 31 Kilogramm
Preis: 1899 Euro
Website: www.giant-bikes.de
E-Mail: info@giant-bikes.de
Telefon: (0211) 998940
Technische Infos: Herstellerangaben

Auch wenn das Rad alles andere als jung und sportlich aussieht – Radfahren auf dem Giant Twist ist flott und macht Spaß. Und aufgrund der Rahmengeometrie und der Federung auch noch sehr bequem. Der Kick kommt beim ersten Tritt. Unmittelbar setzt sich das Rad in Bewegung und mit jeder Pedalumdrehung geht es müheloser und schwungvoller voran. Angenehm ist, dass das Rad nur beim Treten beschleunigt, gleichmäßig Kraft gibt und leiser läuft als erwartet. Beim Fahren in der Stadt kommt man auf niedrigster Stufe und mittlerem Gang erstaunlich leicht voran. Beim schnelleren Fahren gönnt man sich den Normalbetrieb und am steilen Berg kommt die Sportstufe zum Einsatz. Auf dieser Stufe verbraucht der Motor den meisten Strom. Das tolle bei der Bergfahrt: Man tritt gleichmäßig weiter, der Kreislauf kommt in Schwung, aber man erreicht das Ziel, ohne völlig kaputt zu sein. Dabei stellt sich das Gefühl von flottem Radfahren ein, wirklich genial.

Das Giant Twist ist ein Fahrzeug für Menschen mit Garage. Wegen der Batterien und Anschlüsse soll es laut Handbuch trocken abgestellt werden – und bleischwer ist es obendrein. Ohne Zuschaltung des E-Betriebes lässt sich das Rad nur mühsam voranbringen – ohne Elektrokraft geht es also nicht.

Seine große Reichweite verdankt das Rad dem doppelten Akkusatz, der leider unter zwei völlig altmodisch aussehenden Gepäcktaschen versteckt ist.

Uta Linnert

   
 

Probe gefahren: Flyer C8 Premium

Flyer C8 Premium

Antrieb: Zentralmotor Panasonic
Motorleistung: 250 W
Unterstützung: 50/100/150 Prozent
Steuerung: drehmomentabhängig
Akku: Li-Ionen, 10 Ah
Ersatzakku: 10 Ah 595 Euro
Reichweiten: 15 bis 80 Kilometer
Rahmen: Aluminium
Größen: XS (41 cm), S (45 cm), M (50 cm), L (55 cm), XL (60 cm)
Federung: Federgabel/Federsattelstütze
Schaltung: Nabenschaltung 8-Gang
Bremsen: Trommelbremsen (Rollerbrake)
Beleuchtung: Halogenscheinwerfer, LED-Rücklicht
Laufräder: 26 Zoll
Gewicht: 24 Kilogramm
Preis: 2790 Euro
Website: www.flyer.ch
E-Mail: info@flyer.ch
Telefon: 0041/34/4486060
Technische Infos: Herstellerangaben

Mit Rad und Kinderanhänger in den Supermarkt, voll bepackt nach Hause und dann mit der Tochter und ihrer Freundin zum Turnen? Wer das ohne Schweißausbrüche schafft, hat wohl einen Flyer vor den Anhänger gespannt. Die fairkehr-Testfahrerin ist begeistert: Trotz Last und Gegenwinds spürt man den Anhänger kaum und spart zehn Minuten Fahrzeit bei einer Strecke von sechs Kilometern. Das Radfahrgefühl geht dabei dennoch nicht verloren. Man sitzt nicht passiv auf dem Rad, sondern kann sich sportlich betätigen. Je nach Gelände- und Tagesform stehen drei Unterstützungsstufen zur Wahl. Das besondere Plus beim Flyer: Der handliche Akku kann zum Aufladen abgenommen und mit in die Wohnung genommen werden. Da er sich völlig geräuschlos auflädt, stört er auch in Wohnräumen kaum. Auch sonst ist das Rad vergleichsweise leicht und lässt sich notfalls auch mal ohne Elektrokraft fahren. Radlerinnen, die sonst sehr dynamisch und sportlich unterwegs sind, bedauern es, wenn der Elektroantrieb bei 25 km/h die Geschwindigkeit drosselt, aber das ist nun mal Vorschrift beim Pedelec. Hier wäre der Flyer S, der Geschwindigkeiten bis zu 40 km/h zulässt, eine gute Lösung.

Birte Evers

   
 

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