Reise 1/2008

Wintersport

Skifahren – aber sicher

Spaß beim Skifahren und trotzdem weniger Unfälle: Italien möchte den Pistensport mit einem Gesetz sicherer machen.

 

Foto: Uta Linnert
Sicher mit Helm: Sieht gut aus und schützt den Kopf bei Stürzen.

Schon das Rauchverbot haben die Italiener erfolgreich und ohne Zögern umgesetzt, jetzt will das Land mit einem in Europa einzigartigen Pistengesetz für mehr Sicherheit beim Skifahren auf der Südseite der Alpen sorgen. Dolomiti Superski, der größte italienische Liftverbund, unterstützt das Gesetz mit einer Sicherheitskampagne. Jeder, der einen Skipass kauft, erhält eine kleine Broschüre mit nützlichen Tipps und Ratschlägen, wie man sich aufs Skifahren optimal vorbereitet und wie man auf den Pisten sicher unterwegs ist.

Die Vorschriften setzen die zwölf FIS-Regeln des internationalen Skiverbandes um. Das italienische Gesetz erweitert sie um die Helmpflicht für Kinder bis zu 14 Jahren, die Vorfahrt für von rechts kommende Skifahrer und das Verbot des Laufens auf den Pisten. Für die Einhaltung des Gesetzes sorgen Mitglieder der Truppe Alpine, der Polizei und der Carabinieri. Allein auf den 1200 Kilometern Pisten der Dolomiten sind 180 Ordnungskräfte im Einsatz.

Flavio Soldatich aus dem Fassatal ist Polizist. Im Sommer tut er Dienst im Straßenverkehr. Für den Dienst im Schnee hat er sich speziell ausbilden lassen. „Wir Pistenpolizisten müssen exzellente Skifahrer sein. Unsere Hauptaufgabe ist die Pistenrettung. Deshalb absolvieren wir eine spezielle Erste-Hilfe-Ausbildung“, sagt der 44-jährige Südtiroler. Ist eine Skifahrerin verunglückt oder ein Skifahrer mit einem anderen zusammengestoßen, rufen Verunglückte oder Zeugen unter der Notrufnumer 118 mit dem Handy Hilfe herbei.

Warum in welchem Fall die Polizei, die Carabinieri oder die Alpintruppe aus den verschiedenen Stellungen im Skigebiet ausrückt, muss der verunglückte Skifahrer ja nicht begreifen. Hauptsache, die professionellen Retter sind schnell zur Stelle. „Wir arbeiten hier oben am Berg sehr gut zusammen“, erklärt Andrea Bacconcello, Kommandant der Truppe Alpine, einer Heereseinheit aus der Kaserne von Arabba am Pordoipass. Jeder Retter hat einen Rucksack mit Verbandszeug, Lawinensuchgerät und -schaufel dabei. Er kann die Erstversorgung übernehmen und notfalls über Funk weitere Hilfe anfordern. Verletzte, die nicht mehr allein weiterfahren können, ziehen die Bergretter im Akja, einer Art Metallwanne, warm eingepackt und gut verschnürt über die Piste hinunter ins Tal. Ist die Verletzung zu schwer, kann per Funk ein Hubschrauber der Aiut-Alpin, der Flugrettung, angefordert werden. Auf jeden Fall fertigen die Ordnungskräfte ein Protokoll des Unfalls an – typisch südtirolerisch in deutscher und italienischer Sprache. Sie nehmen die Personalien auf und beurteilen die Schuldfrage, ein wichtiges Dokument bei späteren Auseinandersetzungen vor Gericht oder mit Versicherungen.

Foto: Uta Linnert
Sorgen für Ordnung und retten nach Unfällen: die Pistenpolizisten der Dolomiten.

Raser oder Betrunkene aus dem Verkehr ziehen, an Kreuzungen Kontollposten einrichten oder Strafen wegen Befahrens gesperrter Hänge aussprechen – das kann die Truppe Alpine nicht, dafür sind Polizei und Carabinieri da. „Je nach Schwere des Vergehens können wir Geldstrafen zwischen 30 und 90 Euro verhängen“, sagt Marcello Menotti von der Heeresgruppe der Carabinieri in Gröden. „Wir versuchen aber erst mal tolerant zu sein und das Gesetz zu erklären, schließlich dient es der Sicherheit der Skifahrer“, sagt der junge Italiener in fast perfektem Deutsch. Es gehe darum, Präsenz zu zeigen und zum sicheren Fahren anzuleiten. Durchsetzen können sich die sportlichen Polizisten in den mit Truppenabzeichen dekorierten Skiuniformen nur Kraft ihrer Autorität. Handschellen oder Waffen sind tabu.

Kein Alkohol auf der Piste

Um mit der internationalen Kundschaft klarzukommen, sprechen die Ordnungskräfte Englisch und ein paar Brocken Russisch haben sie ebenfalls drauf. Flavio Soldatich erzählt, dass es mit den neuen osteuropäischen Urlaubern manchmal Probleme gebe, weil sie Verwarnungen nicht richtig ernst nähmen. Die Geldstrafen erschienen ihnen lächerlich niedrig. Ein russischer Vater habe neulich wegen des fehlenden Helmes seines Sohnes lächelnd ein Bündel Scheine aus dem Skianzug gezogen, die Strafe bezahlt und sei dann aber einfach weitergefahren.

Foto: Uta Linnert
Schützt Skifahrer und Natur: Abfahrten durch den empfindlichen Hochgebirgswald sind verboten.

Partner der Italiener in Sachen Sicherheit ist der Deutsche Skiverband (DSV). Norbert Höflacher, Geschäftsführer des DSV-aktiv-Clubs berichtet auf der abendlichen Pressekonferenz in Wolkenstein von zurückgehenden Unfallzahlen. „In den letzten 27 Jahren hatten wir 47 Prozent weniger Unfälle“, sagt er. Das habe die Mitgliederstatistik ergeben. Zahlen aus Österreich und der Schweiz stützten diese Ergebnisse. Die Pisten seien immer besser präpariert, sagt der Skilobbyist. Nicht buckeliger Untergrund oder Zusammenstöße im Getümmel seien deshalb das Problem, sondern die Raser auf freien Pisten. „Sonnenschein und Mordskulisse animieren zum gefährlichen Schnellfahren“, sagt der DSV-Chef. An sich sei der Skisport ein Gesundheitssport an frischer Luft mit der höchsten Regenerationskraft überhaupt. In Ballsportarten verletzen sich die Leute dreimal so oft, nur beim Skisport sei die Rettung spektakulärer – und teurer – aber dagegen könne man sich ja versichern.

Deutlich mehr als die Hälfte der Skifahrer auf den Dolomitenpisten sind inzwischen mit Helm unterwegs. „Dadurch haben wir kaum noch schwere Schädel- und Hirnverletzungen“, erklären die Pistenretter. Auch Alkoholunfälle seien in den Dolomiten zu vernachlässigen, bestätigen die Statistiker vom DSV. „Die Leute sind eben vernünftiger geworden und trinken höchstens mal ein Glas Wein zum Mittagessen“, sagt Gerhard Vanzi von Dolomiti Superski. Après-Ski gebe es nur im Tal, unvernünftiges Trinken komme auf den Pisten so gut wie nicht vor, sagen die Italinener aus tiefster Überzeugung. Und es scheint, als hätten sie Recht. Das mit dem Rauchen haben sie schließlich auch im Griff.

Uta Linnert

Mehr über die Sicherheitskampagnen und Unfallstatistiken beim Skifahren im Internet: www.ski-online.de
www.dolomitisuperski.com

   
 

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