Editorial 1/2008
 

Alles Schlimme passiert

 
Michael Adler

Foto: www.marcusgloger.de

Jetzt werden sie die Geister nicht mehr los, die sie riefen. Mit Biosprit das Klima retten – eine schöne Illusion. Der Beschluss, dass in Deutschland dem herkömmlichen Sprit ab Januar 2009 zehn Prozent Bioethanol beigemischt werden sollen, versetzt die Autofahrer in Rage. Die Aufregung entzündet sich am Geld. Viele Autofahrer wissen nicht, ob sie den sogenannten E10-Sprit tanken können, ohne aufwändige Umbauten am Fahrzeug. Alternativ müssten sie den knapp zehn Cent teureren SuperPlus-Kraftstoff tanken.

Was dem mal wieder geschröpften deutschen Autofahrer fast aus dem Blick gerät, ist der eigentliche Skandal dahinter. Biosprit wirkt nicht. Im Gegenteil, der Zustand des Klimapatienten Erde wird sich durch diese Pille noch verschlechtern. Das hat im wesentlichen drei Ursachen.

Erstens, der Dünger für Mais und Raps setzt bis zu fünfmal mehr Lachgas frei als bisher angenommen. Nobelpreisträger Paul Crutzen vom Max-Planck-Institut in Mainz hat dies herausgefunden. Das allein macht Biodiesel klimaschädlicher als normalen Sprit. Zweitens, zehn Prozent des deutschen und bald auch des EU-Treibstoffmarktes sind so ungeheuere Mengen Biosprit, dass keiner bisher weiß, woher sie kommen sollen. Sicher nicht nur von EU-Äckern. Damit beginnt Problem drei: Das Gros der Ethanolweltproduktion stammt derzeit noch aus brasilianischer Soja- und Zuckerrohrernte. Sehr zu Lasten des amazonischen Regenwaldes. Indonesien holt allerdings mit Palmölprodukten stark auf. Dafür holzt die indonesische Regierung auf Sumatra pro Stunde rund 300 Fußballfelder Torfwald ab.

Greenpeace warnt lautstark vor der Zerstörung dieser 10000 Jahre alten Ökosysteme. Durch Abholzen und Trockenlegen der Moor-Torfböden wird ein Vielfaches dessen an CO2 freigesetzt, was durch die sogenannte „Biospritproduktion“ wieder eingespart werden soll. John Fargione von der Umweltorganisation „Nature Conservancy“ errechnete, dass man auf diesen Flächen sage und schreibe 423 Jahre Biosprit produzieren müsste, um allein das Mehr an Kohlendioxid, das durch die Rodung verursacht wurde, zu kompensieren.

Es passiert alles denkbar Schlimme, wenn viel Geld im Spiel ist. Und das ist spätestens im Spiel, seitdem die EU gedrängt wurde, ihrer armen Automobilindustrie mit Biosprit beim Klimaschutz unter die Arme zu greifen.

Womit wir bei der nächsten Volte in diesem Skandal-Spiel wären. Es waren ausgerechnet die Deutschen, die der EU-Kommission dieses faule Ei „Biosprit“ ins Nest gelegt haben: der Industriekommissar Günther Verheugen, die Bundesregierung und die deutsche Automobilindustrie. Ein riesengroßes Täuschungsmanöver, um von den Versäumnissen der Vergangenheit abzulenken und die der nahen Zukunft grün zu betünchen.

Allein die Farbe hält nicht, was sich viele von ihr versprochen haben. Sie riecht eklig und changiert stark ins schmutzige. Herr Wissmann, Herr Gabriel und Frau Merkel, es hilft nichts, der Verbrauch muss runter und zwar deutlich. Stoppen Sie den Wahnsinn der Biosprit-Lüge, solange noch nicht alles Schlimme passiert ist.

 

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