Reise 6/2007

Serbien

Donau stromabwärts

Ein neues Projekt treibt den in Deutschland, Österreich und Ungarn bestens ausgebauten Donauradweg bis zum Schwarzen Meer voran. Neu eröffnet: das Teilstück Serbien. Hier ist der Radweg Motor der touristischen Entwicklung.

 

Fotos: Günter Ermlich
Hölzerne Ruderboote liegen im Schilf, Angler werfen ihre Ruten aus, Kühe baden – der neue Radweg entlang der Donau durch Kroatien, Serbien, Rumänien und Bulgarien soll die regionale Wirtschaft ankurbeln und neue Besucher an die noch wenig besuchten Ufer im Osten bringen.

An einem strahlenden Nachmittag spazieren wir durch das Städtchen Sombor. Über den Marktplatz mit dem ehemaligen Franziskanerkloster, vorbei an bröckelnden Barock- und Jugendstil-Fassaden, durch die Parks. Da biegt ein Fiaker um die Ecke. Als der wohlbeleibte Fahrgast in der offenen Kutsche unsere Gruppe bemerkt, ruft er uns auf Englisch zu: „Was machen Sie an diesem fürchterlichen Ort? Dies ist ein fürchterliches Land.“ Ein Zyniker von gestern?

Gerade mal 15 Kilometer sind es bis nach Ungarn, bis zur EU-Außengrenze. Aber durch den Jugoslawienkrieg und das Bombardement der NATO im Jahr 1999 war Serbien von der europäischen Landkarte verschwunden. Jetzt versucht das Land wieder Anschluss zu finden. Nicht nur politisch, sondern auch touristisch. Dafür steht der agile Bürgermeister von Sombor. Er will seine Stadt zum serbischen Eingangstor für Radtouristen machen, die von Ungarn kommend den Donauradweg weiterfahren wollen. Denn immerhin durchquert die Donau während ihrer 2888 Kilometer langen Reise vom Schwarzwald bis zum Schwarzen Meer 588 Kilometer serbisches Territorium.

Hilfe aus dem Ausland

Dafür soll Sombor schöner werden. Der Aufbruch hat schon begonnen: Handwerker bessern die alten Pflaster der Fußgängerzone aus, ein Verein kümmert sich um die Restaurierung der alten Fiaker, die Gemeinde stellt Kutscher an, die Hauptstraße wird saniert. Nur der Standard der Unterkünfte ist noch bescheiden. Das bisher einzige Hotel wurde vor drei Jahren privatisiert. „Doch der Eigentümer, ein Wissenschaftler, weiß überhaupt nicht, wie man ein Hotel führt“, erklärt der Bürgermeister. „Wir brauchen Ausländer, die uns helfen.“ Die Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) ist schon da, seit Jahren unterstützt sie die Touristiker dabei, den Donauradweg auf dem serbischen Abschnitt attraktiver zu machen. Jetzt hat sie eine Gruppe von Verkehrspolitikern, Radexperten und Reisejournalisten eingeladen, um einige Abschnitte des Weges probezufahren.

Schön eben radeln wir von Sombor durch das Naturschutzgebiet Obere Donau mit seinen Feuchtgebieten, weiten Feldern, Auwäldern und Altarmen der Donau. Wir durchqueren lang gezogene Straßendörfer und passieren allein stehende Bauerngehöfte mit Hebebrunnen. Hölzerne Ruderboote liegen an schilfgesäumten Ufern, Angler haben ihre Rute ausgeworfen. Eine Gruppe Jugendlicher sonnt sich auf dem Steg. Die warme Nachmittagssonne untermalt die ländliche Idylle. Bauern auf Traktoren, kleinen Mähdreschern und Fahrrädern kommen uns entgegen. Mit einem Netz von Kanälen wurde dieses platte Land, die Vojvodina, trockengelegt. Heute ist das Gebiet die Kornkammer Serbiens. Bis zum Ersten Weltkrieg gehörte sie zur K.u.K.-Monarchie Österreich-Ungarn, heute ist die Vojvodina eine autonome Provinz mit finanzieller Selbstständigkeit.

Die frischen Wunden aus dem Krieg zwischen Serben und Kroaten in den frühen neunziger Jahren heilen nur langsam. Erst seit vergangenem Sommer verbindet wieder eine Donaufähre, mit holländischen Mitteln finanziert, das kroatische Vukovar mit dem serbischen Bac. Jenseits des Stroms mahnt ein zerbombter Wasserturm, diesseits begrüßt eine informative touristische Tafel „Welcome to Serbia“ die Radtouristen, die vom kroatischen Ufer übergesetzt haben und ihren Weg nun auf der serbischen Seite fortsetzen wollen.

Verführerische Fischsuppe

Ganz entspannt radeln wir auf einem asphaltierten Damm zwischen Getreide- und Gemüsefeldern und Auwäldern mit Seerosen bedeckten Seen. Über uns ziehen Reiher und Kormorane. Zur Mittagszeit kehren wir in die Charda kod Branka, die Hütte bei Branko, ein. Das rustikale Lokal steht auf Holzpfählen, weil im Frühjahr die Uferzone mit den kanadischen Pappeln oft überschwemmt wird. Von der luftigen Holzve-randa beobachten wir das Treiben am Fluss. Einige Jungs toben im Wasser, Familien picknicken am Sandstrand, ein Frachter schiebt sich langsam vorwärts, dicht dahinter folgt das schneeweiße Passagierschiff L’Europe. Unter Brankos Hütte köchelt eine rotbraune Fischsuppe in großen Kesseln und zieht verführerisch in die Nase. Endlich tischen uns Brankos Damen den Fisch-Paprikasch auf, eine Suppe mit Stücken von Wels, Stör und Zander, dazu gibt es Weißbrot und Weißkrautsalat. Im Sommer veranstalten viele Donaugemeinden einen „Wer macht den besten Fisch-Paprikasch?“-Wettbewerb. Mit Diplom und Urkunde für den Sieger der hiesigen Leib- und Magenspeise.

Fotos: Günter Ermlich

Mit einem länderübergreifenden Projekt zur Wirtschafts- und Beschäftigungsförderung in Kroatien, Serbien, Rumänien und Bulgarien unterstützt die GTZ die Regionalentwicklung entlang der Donau. Neben Umweltschutz und Weinanbau fördert sie in Serbien vor allem den Tourismus. Dabei soll der Radtourismus als Lokomotive dienen. Die schlichte wie einleuchtende Idee: Wenn 250000 Radler jährlich auf dem deutsch-österreichischen Abschnitt zwischen Donaueschingen und Wien fahren und die Donauroute die beliebteste in Europa ist, dann müsste man dieses Potenzial doch auch für Südosteuropa nutzen können. Gezielt setzen die Entwicklungsexperten deshalb auf das „touristische Produkt“ Donauradweg, um dadurch die Region bekannter zu machen und das Negativimage von Serbien en passant zu verbessern. „Wir hatten zunächst das Problem, die serbische Regierung von unserer Idee zu überzeugen“, erklärt Wolfgang Limbert, der GTZ-Projektkoordinator. Denn die wollten klotzen und vor allem in Superhotels und Skipisten investieren. Jetzt gelte es, die Behörden dafür zu gewinnen, dass Touristen ihre Räder im Zug mitnehmen dürfen, sagt Limbert.

Inzwischen wurde der Radweg, der Teil der transeuropäischen Radroute „Euro-Velo 6“ vom Atlantik bis zum Schwarzen Meer ist, bereits bis kurz vor Belgrad „nach europäischem Standard“ ausgeschildert. Zur Saison 2008 soll er in ganz Serbien fertig sein. Bei 360 Wegweisern an 150 Kreuzungen kann man sich nicht mehr verfahren. Parallel wurde zusammen mit einer Kartografie-Firma eine achtteilige, GPS-basierte Fahrradkarte entwickelt, eine touristische Broschüre erarbeitet und eine Internet-Webseite aufgebaut.

Jeden Monat sähe man Fortschritte in der touristischen Infrastruktur, versichern Nebosja und Zagorska, die einheimischen GTZ-Mitarbeiter, die uns begleiten. In der mittelalterlichen Festungsruine Bac, wo auf der Wiese ein Junge im Ronaldinho-Trikot mit seinem Vater kickt, wurde inzwischen der Hauptturm wiederaufgebaut, ein kleines Museum und eine Aussichtsplattform sollen bald folgen. Mitten in Belgrad befördert uns ein gläserner Fahrradlift, 100000 Euro teuer, mit Liftführer von der Donaubrücke hinunter zur Uferpromenade. In den letzten drei Jahren habe sich die Zahl der Übernachtungsmöglichkeiten entlang der Donau verdoppelt, sagt Nebosja. „Überall sprießen kleine Pensionen, Privatzimmer und Campingplätze aus dem Boden.“ Für touristische Existenzgründer führt die GTZ Schulungen in einigen Donauanrainer-Gemeinden durch. Allein im Städtchen Donji Milanovac, wo es eine neue Touristinfo mit Internetcafé und Radabstellplätzen gibt, sind daraufhin schon zehn kleine Pensionen und ein Restaurant entstanden.

Radfahren im Nationalpark

Von Belgrad geht es weiter stromabwärts durch die Donauebene. Das Flussbett weitet sich, bewaldete Inseln liegen im Wasser, die Überschwemmungsgebiete dienen Vögeln als Oasen. Eine Fähre, deren treibender Motor am Beiboot befestigt ist, bringt uns jetzt über den kilometerbreiten Strom zum rechten Ufer. Ivan, der Fährmann, spricht „a bisserl“ Deutsch, weil er ein paar Jahre in Wien auf Baustellen gearbeitet hat. 40 bis 50 Radtouristen, erzählt er, habe er im Sommer pro Monat befördert. Immerhin. Hier ist die Donau schon wieder EU-Außengrenze, denn auf der anderen Flussseite liegt jetzt Rumänien.

Fotos: Günter Ermlich

Schnurgerade rollen wir auf einer fast autolosen Dammstraße zwischen dem Fluss und dem Srebrno jezero, dem Silbersee, der durch die Abtrennung eines Donauarms entstanden ist. Ein Hirte treibt seine Kuhherde zusammen, die den See im Fluss als Tränke nutzt. Bisher gibt es nur einen einfachen Campingplatz, demnächst entsteht „Silver Lake City“, ein touristische Anlage mit einem 150-Zimmer-Hotel, Kongresszentrum, Marina und Golfplatz. Hinter der mittelalterlichen Festung Golubac mit ihren Zinnentürmen und massiven Verbindungsmauern beginnt das Eiserne Tor. Der Höhepunkt unserer Radtour.

Das Eiserne Tor ist ein imposanter Taldurchbruch, die größte Flussschlucht Europas. Aus dem vorher dicken Bauch der Donau wird hier ein 150 Meter enger Flaschenhals, die engsten Stellen heißen kleiner und großer Kessel. 100 Kilometer zwängt sich der Fluss durch die Kalkberge, flankiert von steilen Felswänden und bewaldeten Hügeln, zwischen dem rumänischem Banater Gebirge und dem serbischen Erzgebirge. Wir radeln auf der neuen ruhigen Straße – hier legte Kaiser Trajan vor 2000 Jahren einen römischen Weg an – queren häufig kurze Tunnel, bewältigen kleinere Anstiege, haben Postkarten-Ausblicke. „Landscape-Doping“, ruft der strammwadige Jovan, unser serbischer Radbegleiter.

Auf beiden Seiten der Donau wurden Schutzgebiete eingerichtet – in Serbien der Nationalpark Derdap, auf der rumänischen Seite der Naturpark Eisernes Tor. Früher tobte hier die Donau wie ein Wildwasser mit tückischen Strudeln und Untiefen. Sie war ein hohes Sicherheitsrisiko für Schiffe, nur bei Hochwasser und mit Lotsenbooten passierbar. Im Jahr 1972 wurde ein Staudamm gebaut, der den Wasserspiegel um 25 bis 30 Meter anhob und drei Dörfer unter sich begrub.

In Serpentinen ächzen wir schließlich steil bergauf zur „Open Air Gallery“ hoch über der Donau. Zika Stefanovic, ein Holzschnitzer, führt uns barfuß durch seinen verschlungenen Kunstgarten mit 400 Skulpturen aus 250 Jahre altem Eichenholz. Wir ziehen vorbei an Masken und Totems, Bambis und Katzen, Zwergen und Tintenfischen. Es wird dunkel, die Sterne beginnen zu funkeln. In Zikas Laube trinken wir süffigen Rotwein, dann hocken wir uns nebeneinander auf die Wiese. Die Aussicht ist erhebend, tief unten liegt die dunkle Schlucht. „Das ist der schönste Ort an der serbischen Donau“, sagt jemand plötzlich in die Stille.

Günter Ermlich

   
 

Der Donauradweg: Die Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) unterstützt im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung den Aufbau des Tourismussektors im Donauraum durch Projekte der Wirtschafts- und Beschäftigungsförderung in Serbien und den Anrainerstaaten Kroatien, Rumänien und Bulgarin. Die Webseite www.donau-info.org informiert ausführlich über das touristische Kernprojekt Donauradweg. Hier kann man sich auch die informative Broschüre „Die Donau und ihre Ufer in Serbien entdecken“ als pdf-Datei herunterladen. Sie enthält Infos zum Radfahren entlang der Donau, Routenvorschläge, Wandertouren in den Nationalparks, Tipps für Flusskreuzfahrten und Beherbergungsbetriebe.

Veranstalter: Bisher bietet noch kein Veranstalter eine Radtour entlang des Donauradwegs in Serbien an. Logistische Hilfe für Hotels, Stadtbesichtigungen, individuelle Programme offeriert die Reiseagentur Magelan in Novi Sad, E-Mail: office@magelancorp.co.yu, www.magelancorp.co.yu.
Eine nützliche Internetseite zum Tourismus in Serbien ist www.visitserbia.org.

Literatur: Birgitta Gabriela Hannover, Serbien entdecken, Trescher-Verlag, Berlin 2006, 19,95 Euro.
Daniela Schily: Donau – von Regensburg zur Schwarzmeerküste, DuMont Reiseverlag, Ostfildern 2006, 12,80 Euro.
Radkarte: Donau Radweg – Von Budapest bis zum Schwarzen Meer. Set aus 8 Karten im Maßstab 1:100.000, Huber Verlag, München 2006, 19,80 Euro.

 

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