Politik 6/2007

CarSharing Deutschland

Aussteiger empfehlen Einstieg

Wie funktioniert CarSharing in Deutschland? Ein Erfahrungsbericht.

 

Foto: Sebastian Hoff
Anreise mit dem Fahrrad: Abstellplätze der Gemeinschaftsautos sollten nicht zu weit entfernt von den Kunden sein.

Der Abschied fiel dann doch ein wenig schwer – schließlich hatte uns der alte VW-Bus jahrelang gute Dienste geleistet. Aber für Campingurlaub nutzten wir ihn kaum noch, und für Fahrten in der Stadt war er überdimensioniert. Außerdem: Ein Diesel ohne Partikelfilter ist eine Dreckschleuder, die ab 2008 in der neuen Umweltzone Hannovers ohnehin nicht mehr fahren darf. Gründe genug, den „Bulli“ abzuschaffen. Das war vor gut einem Jahr. Damals beschlossen wir, kein neues Fahrzeug zu kaufen, sondern noch mehr auf Fahrrad, Bahn und Bus zu setzen. Und auf CarSharing.

Unsere Motive: CarSharing ist ökologisch sinnvoll. Es ist auch bequem: Um Reparaturen, Versicherungen oder TÜV-Abnahmen brauchen wir uns nicht mehr zu kümmern. Außerdem rechnet sich CarSharing. Ein Neuwagen hätte uns an Versicherung, Wertverlust und Steuer monatlich an die 200 Euro gekostet – ohne dass wir damit einen einzigen Kilometer gefahren wären. Mit demselben Betrag kommen wir mit dem Teilauto ganz schön weit. Besonders attraktiv ist für uns ein deutschlandweit einzigartiges Angebot, das maßgeblich vom hiesigen Nahverkehrsunternehmen und von Stadtmobil Hannover getragen wird: HANNOVERmobil ermöglicht es Abonnenten des Verkehrsverbundes Großraum Verkehr Hannover (GVH), gegen eine geringe Monatsgebühr in Höhe von 6,50 Euro die Fahrzeuge von Stadtmobil Hannover zu nutzen. Außerdem erhalten HANNOVERmobil-Kunden kostenlos eine BahnCard 25 und Rabatte auf Taxifahrten.

Unsere Entscheidung, künftig auf ein eigenes Fahrzeug zu verzichten, quittierten Freunde und Verwandte mit Neugier und Unverständnis. Das Modell CarSharing finden die meisten zwar interessant, ein Leben ohne eigenes Auto können sie sich jedoch nicht vorstellen. Auch wir waren anfangs skeptisch – vor allem wegen der Lage der Stellplätze: Zwar gibt es in den benachbarten Stadtteilen einige Autos, trotzdem steht das nächste Fahrzeug gut eineinhalb Kilometer entfernt. „Wir haben die meisten Fahrzeuge in einem Ring um die Innenstadt plaziert, weil dort die meisten Teilnehmer leben“, sagt Harald Zielstorff, Geschäftsführer von Stadtmobil Hannover.

Rund 3000 Hannoveraner, also gut 0,5 Prozent aller Einwohner, nutzen die insgesamt 100 Fahrzeuge an 60 Standorten. Konnte man in den Anfangsjahren den typischen Teilnehmer noch recht genau beschreiben – zwischen 35 und 45 Jahren, Akademiker, ökologischer Hintergrund –, so ist der Nutzerkreis inzwischen deutlich heterogener.

Foto: Sebastian Hoff
Mit einer PIN-Nummer schaltet die CarSharing-Kundin den Bordcomputer frei und kann losfahren.

Um ein Auto zu holen, steige ich regelmäßig aufs Fahrrad. Was für Singles oder kinderlose Paare kein Problem darstellt, bedeutet für uns als Familie mit kleinen Kindern mitunter einen großen Aufwand: Wenn ich Caroline (6) und Johannes (3) nicht allein zu Hause lassen kann, stecke ich sie in den Fahrradanhänger und balanciere noch irgendwie einen Kindersitz mit, weil in den Stadtmobil-Autos nur ein Sitzkissen liegt. Wie schön wäre es jetzt, das eigene Auto vor der Haustür stehen zu haben!

rt einen Parkplatz findet. Aber gerade die Suche danach wird in vielen Stadtteilen Hannovers zu einem zermürbenden Geduldsspiel. Für die Stadtmobil-Fahrzeuge gibt es dagegen reservierte Stellplätze. Aber auch Zielstorff ist ständig auf der Suche nach Parkflächen – für zusätzliche Fahrzeuge: „Alles, was wir mieten können, nehmen wir sofort.“ Die Stadt kommt ihm dabei wenig entgegen, verlangt vielmehr dieselben Preise wie von privaten Interessenten. Und das, obwohl Politik und Verwaltung dem CarSharing-Unternehmen gegenüber schon deshalb sehr wohlwollend eingestellt sind, weil Stadtmobil Hannover die Parkplatzproblematik entspannt. „Ohne uns müsste es für rund 1000 Fahrzeuge mehr Parkraum geben“, betont Zielstorff. Auch der VCD unterstützt CarSharing und war in den Anfangsjahren Mitgründer vieler Organisationen. „Ein Fahrzeug steht die meiste Zeit des Tages nur herum. Angesichts steigender Mobilitätskosten ist CarSharing eine vernünftige und günstige Alternative“, sagt Michael Gehrmann, Bundesvorsitzender des VCD.

Sich Autos mit anderen zu teilen, ist also eine sinnvolle Sache. Teilen heißt aber manchmal auch verzichten: Gelegentlich zeigt uns der Blick auf die Buchungsseite im Internet, dass das gewünschte Auto schon reserviert ist. Immerhin gibt es (fast) immer Alternativen. Und die Auswahl zwischen verschiedenen Fahrzeugtypen hat Vorteile: Mal schnell die Kinder zur Musikschule bringen? Dafür reicht der Kleinwagen. Einen Ausflug machen mit Kinderfahrrad und Picknickkorb? Dafür gibt’s doch den Kombi. Und wenn wir einen Großeinkauf im Baumarkt vorhaben, nehmen wir den Transporter.

Der Schlüssel zu allen Stadtmobil-Fahrzeugen ist eine Scheckkarte. Mit einer PIN-Nummer schalten wir den Bordcomputer frei, der alle für die Abrechnung relevanten Daten auf den Zentralrechner überträgt. Für jede angebrochene Stunde und jeden gefahrenen Kilometer wird eine Pauschale fällig, deren Höhe vom Fahrzeugtyp und vom gewählten Grundtarif abhängt. Kurz bevor unsere Zeit abläuft, warnt uns der Bordcomputer mit einem Pfeifton. Wer CarSharing betreibt, muss seine Tage gut planen. Ein Fahrzeug, das wir buchen, aber nicht nutzen, kostet trotzdem Geld. Und wenn wir in einen Stau geraten oder der Besuch bei Freunden auf dem Land besonders kurzweilig ist, müssen wir hoffen, dass wir die Buchung spontan verlängern können.

Beim CarSharing werden die tatsächlichen Kosten viel transparenter als beim eigenen Fahrzeug. Vor unserem geistigen Auge sehen wir, wie auf einem Taxameter die Fahrtkosten steigen. Obwohl wir die Stadtmobil-Autos möglichst selten nutzen, zahlen wir monatlich häufig über 100 Euro – weit mehr als der Durchschnitt. „Die meisten Teilnehmer haben jährliche Gebühren zwischen 300 und 800 Euro“, sagt Zielstorff. Seiner Erfahrung nach nutzen die meisten Teilnehmer die Autos immer seltener, rund die Hälfte hat im Jahr sogar überhaupt keine Buchungen. Ein Phänomen, das ihn stolz macht: „Wir sind der einzige Dienstleister, der sein Ziel erreicht hat, wenn er besonders selten in Anspruch genommen wird.“

Auch wir werden in Zukunft kaum noch Stadtmobil-Fahrzeuge buchen. Das eigene Auto ist bereits gekauft, weil wir bald ein drittes Kind erwarten und in den meisten Stadtmobil-Fahrzeugen keine drei Kindersitze untergebracht werden können. Uns geht es also wie den meisten, die ihre Mitgliedschaft bei Stadtmobil Hannover kündigen: In 95 Prozent aller Fälle ist nicht Unzufriedenheit der Grund für den Ausstieg, sondern eine Veränderung der persönlichen Lebensumstände.

Sebastian Hoff

Infos: Stadtmobil Hannover GmbH
Karmarschstraße 30–32,
30159 Hannover, www.stadtmobil.de

   
 

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