Editorial 6/2007
 

Land ohne Limit

 
Michael Adler

Foto: www.marcusgloger.de

Hoppla, da hat die alte Tante SPD aber einen folgenschweren Fehler gemacht. Ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen wollen die Genossen plötzlich. Ihre Parteigranden wurden kalt erwischt. Das geht natürlich nicht. Das haben die Oberen der Partei doch mit den Chefs der deutschen Automobilindustrie ganz anders abgesprochen. „Tested on German Autobahn“ ist doch das einzigartige Qualitätssiegel, das deutschen Großkarossen weltweit Verkaufserfolge beschert. Und jetzt kommt die Parteibasis daher und beschließt ein Tempolimit, wegen der lächerlichen CO2-Ersparnis und wegen ein paar Toten weniger. Bundesverkehrsminister Tiefensee wusste sofort: „Das bringt fast nichts.“ Und Bundesumweltminister Gabriel wollte erst einmal ein weiteres Gutachten in Auftrag geben. Die Klimaschutzkanzlerin Merkel, von der anderen großen Volkspartei, stellte klar: „Mit mir kein Tempolimit.“

Welche Ignoranz der Fakten bei unserer politischen Führung! Es gibt genug Gutachten und alle belegen mindestens drei gute Gründe für die Einführung dieses Mindestmaßes an Zivilisation auf den deutschen Autobahnen: Die Emissionen gehen spürbar zurück, die Straßen werden sicherer und die Regeln des Anstandes haben auch auf Autobahnen wieder ein Chance.

Tempo 120 spart nach einer Studie des Umweltbundesamtes 2,7 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr. Die Statistik des Kraftfahrtbundesamtes belegt aber klar: 2005 waren mehr als 60 Prozent der Neufahrzeuge auf Höchstgeschwindigkeiten von über 180 km/h ausgelegt.

Das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie schließt aus diesen Daten, dass in der Auslegung der Fahrzeuge auf niedrigere Höchstgeschwindigkeiten weitere Einsparpotenziale lägen.Bundesumweltminister Gabriel lehnte schon im Juni auf dem Kirchentag in Köln ein Tempolimit aus Klimaschutzgründen ab. Wenn überhaupt, dann könne man als Argument die Reduktion schwerer Unfälle gelten lassen. Recht hat er. 226 tödliche Unfälle auf deutschen Autobahnen nennt die Statistik „Geschwindigkeitsunfälle“. Rund 2500 Schwerverletzte kann man getrost dazuaddieren. Zu wenig zum Handeln?

Es gibt kaum Vergleichsdaten über den Zusammenhang von Tempolimit und Verletzungsrisiko. Aber die wenigen Statistiken, die es gibt, sind eindeutig. Auf einem Abschnitt der A24 zwischen Berlin und Hamburg starben ohne Limit im Jahr 2002 acht Menschen, mit einem Limit von 130 km/h starben in den vier folgenden Jahren zusammen „nur“ sechs Menschen. Die Zahl der Verletzten wurde fast halbiert.

Gelegentlich hört man ja, dass es sogar Raser-Touristen geben soll. Ebenso oft hört man das Gerücht, sie würden nach wenigen Kilometern ohne Limit schweißgebadet einen Parkplatz aufsuchen. Für mich ein Zeichen dafür, dass wir auf unseren Straßen Verhältnisse zulassen, die eines Kulturland

Befürworter eines Tempolimits gibt es in allen Fraktionen. Fordern Sie von Ihren Abgeordneten, sie mögen sich jetzt endlich für die Vernunft aussprechen.

 

zurück zum Inhalt