Politik 5/2007

Europäische Automobilindustrie

Goodbye Klimaziel

Die europäischen Autohersteller brechen ihr Klimaversprechen von 1998. Die deutschen stehen besonders schlecht da.

 

Foto: Audi
Mit IAA-Weltpremieren wie dem RS 6
wird Audi den CO2-Grenzwert von 120 Gramm pro Kilometer nicht erreichen:
Das Auto bringt es auf stolze 333 Gramm.

Ihr selbstgestecktes Klimaziel werden die europäischen Autohersteller weit verfehlen. Das belegen neueste Zahlen über den CO2-Ausstoß aller Neuwagen, die 2006 in der EU verkauft wurden. Nach Angaben des Europäischen Verbands für Verkehr und Umwelt „Transport & Environment“ (T&E), dem auch der VCD angehört, blasen die von europäischen Herstellern in der EU verkauften Neufahrzeuge im Schnitt 160 Gramm CO2 pro Kilometer in die Luft. Dabei hatte der Hersteller-Dachverband ACEA, dessen Mitglieder mehr als 80 Prozent aller in Europa verkauften Neuwagen produzieren, 1998 ein Versprechen abgegeben: Bis 2008 werde er den durchschnittlichen CO2-Ausstoß der Neufahrzeuge auf 140 Gramm senken.

Dass die Hersteller diesen Wert bis zum kommenden Jahr um 20 Gramm pro Kilometer und damit um mehr als zwölf Prozent drücken, ist höchst unwahrscheinlich: Im Vergleich zu 2005 haben sie ihre Treibhausgasemissionen im vergangenen Jahr um gerade einmal 0,2 Prozent gesenkt. Das ist das schlechteste Ergebnis seit Beginn der Erfassung von Durchschnittsverbräuchen vor zehn Jahren. Hermann-Josef Vogt vom VCD-Bundesvorstand macht dafür die falsche Modellpolitik der europäischen Produzenten verantwortlich. „Statt auf intelligente Technik, vernünftige Motorisierung und kleinere Fahrzeuge zu setzen, verkaufen die Hersteller lieber Geländewagen, die reinsten Spritfresser“, kritisiert Vogt.
T&E hat in 24 EU-Staaten – Malta blieb außen vor – die Absatzzahlen und den CO2-Ausstoß der im Jahr 2006 verkauften neuen Modelle untersucht. Deutschland erreicht nur Platz 20: Die hierzulande abgesetzten Neufahrzeuge europäischer Produzenten emittierten im Schnitt 172 Gramm CO2 pro Kilometer. Bei den Autos deutscher Hersteller waren es nach Berechnungen des VCD sogar 177 Gramm. „Deutsche Modelle sind besonders spritdurstig“, stellt Gerd Lottsiepen, verkehrspolitischer Sprecher des VCD, fest. „Außerdem hat es die Politik versäumt, die richtigen Anreize für sparsame Fahrzeuge zu setzen.“ Als Beispiele nennt Lottsiepen die immer noch nicht verwirklichte CO2-basierte Kfz-Steuer, das Dienstwagenprivileg (siehe fairkehr 2/2007) und das fehlende Tempolimit auf Autobahnen.

Die portugiesischen Autofahrer waren 2006 am klimafreundlichsten unterwegs: 145 Gramm CO2 stießen die Neufahrzeuge europäischer Produzenten dort im Schnitt aus. Auf Platz 2 und 3 folgen Italien und Frankreich. Die rote Laterne trägt Schweden: Seine Neuwagenflotte kommt auf 190 Gramm CO2 pro Kilometer.

Strafen für Klimasünder

Da die europäische Automobilindustrie ihr Klimaschutzversprechen brechen wird, will die EU ab 2012 für Neuwagenflotten einen verbindlichen CO2-Grenzwert von 120 Gramm pro Kilometer vorschreiben. Das entspricht einem Verbrauch von 4,5 Litern Diesel bzw. fünf Litern Benzin pro 100 Kilometer. Für den Fall, dass Unternehmen sich nicht an ihre Verpflichtung hielten, müsse es Sanktionen geben, forderte EU-Umweltkommissar Dimas Anfang September.

Bundesverkehrsminister Tiefensee stimmt einem europäischen Sanktionssystem prinzipiell zu – unter der Bedingung, dass die Interessen der deutschen Hersteller gewahrt würden. Er unterstützt die europäischen Autohersteller in ihrer Forderung, den erlaubten CO2-Ausstoß von der Fahrzeugklasse abhängig zu machen. Größere Autos sollen das Klima stärker belasten dürfen. Der ACEA will die EU-Kommission außerdem dazu bringen, die Klimaschutzauflagen zu verschieben. Die Branche sei erst in sechs bis sieben Jahren technisch in der Lage, die CO2-Vorgaben einzuhalten, teilte der Präsident Anfang September auf der Automesse IAA mit.

Diese Einschätzung bestätigt die Ergebnisse der T&E-Studie. „Erst brechen die Hersteller ihr Versprechen gegenüber Politik und Verbrauchern. Und dann gehen sie gegen die durch ihr Scheitern notwendig gewordenen Auflagen vor“, kritisiert Gerd Lottsiepen. „Ich gehe davon aus, dass die EU zukunftsfähige Grenzwerte festlegt und den Forderungen der ACEA nicht nachgibt.“

Kirsten Lange

www.transportenvironment.org
(englisch)

   
 

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