Editorial 5/2007
 

Ich will ins Premiumsegment

 
Michael Adler

Foto: www.marcusgloger.de

Wollen Sie auch ins Premiumsegment? Sie wissen nicht so genau, was das eigentlich ist? Es klingt aber irgendwie nach edel, besser, bequem und elitär. Wer in der Premiumklasse unterwegs ist, der hat’s geschafft, der hat den Mob hinter sich gelassen und gehört zu den oberen Zehntausend.

Folgt man der aktuellen Diskussion im Autoland Deutschland, so ist es ganz leicht, „Premium“ zu sein. Denn wer ein deutsches Auto kauft, fährt Premiumklasse. So werden jedenfalls die Abwehrgefechte der deutschen Automobilindustrie gegen verbindliche CO2-Grenzwerte seitens der Europäischen Union begründet. Da die deutschen Hersteller nun mal im Premiumsegment produzieren, können sie sich nicht mit dem Pöbel von Fiat, Peugeot oder Daihatsu über einen Kamm scheren lassen.

Was bedeutet eigentlich „Premium“? Das Wort geht auf das lateinische „praemium“ zurück, das bedeutet „Belohnung, Beute“. Und in der Tat, betrachtet man stolze Besitzer von Fahrzeugen aus dem Premiumsegment, herrscht nicht selten die Pose eines Raubtiers vor, das gerade erfolgreich Beute gemacht hat. Seht her, brüllt der Jäger und Sammler, ich habe die fetteste Beute erlegt!

Bei Wikipedia, der freien Internet-Enzyklopädie, wird allerdings vor Etikettenschwindel gewarnt: „Neben erweiterten Produktvarianten kommt es vor, dass dem Verbraucher eine hohe Qualität des Produktes suggeriert wird, um einen höheren Preis zu rechtfertigen“.

Dem richtigen Premiumkäufer ist das jedoch nur recht. Denn je teurer die erlegte Beute ist, desto größer erscheint der Jäger. Alle intellektuellen Gedankenspiele über die Verteuerung der Spritfresser à la Porsche Cayenne oder VW Touareg machen die Rechnung ohne die Eitelkeit des Premiumkunden: Ich kann mir eine solche CO2-Schleuder leisten, mag sich das Volk ruhig im Kleinwagen drängeln.

Es hilft nichts, wir müssen unser Wertesystem der letzten 50 Jahre überdenken und das Premiumsegment neu definieren. Der österreichische Verkehrswissenschaftler Hermann Knoflacher brachte es in einem Zeit-Interview auf den Punkt: „Wir ziehen uns mehr oder weniger freiwillig in abgedichtete Häuser mit Lärmschutzfenstern zurück, um den Außenraum dem Krach, dem Staub und den Abgasen der Autos zu überlassen. Das ist doch eine völlige Werteumkehr, die uns nicht einmal mehr auffällt.“

Wer nicht nur durch die Windschutzscheibe schaut, sieht auch schon heute positive Zeichen. Paris richtet zum Beispiel sogenannte „zones civilisées“ ein, in denen Fußgänger und Radfahrer Vorrang haben. Premiumräume, wenn man so will. Die Schweiz, unser Titel-Musterland, investiert Milliarden in den „Langsamverkehr“, menschengetrieben und CO2-frei.

Erst wenn das Fahrrad als „Sports-Utility-Vehicle“ (SUV) bezeichnet wird, weil es eben ein nützliches Sportgerät ist, und Autos, die unter 100 Gramm CO2 pro Kilometer produzieren, als Premiumsegment gelten, erst dann will ich auch zur Premiumklasse gehören.
Helfen Sie mit, dass immer mehr Menschen so denken.

 

zurück zum Inhalt