Titel 4/2007

Reisen und Klima

Alle Fragen offen

Skilifte stehen still und Hurrikane verwüsten Urlaubsparadiese.

Die Tourismusbranche sieht ihre Umsätze bedroht und fühlt sich als Opfer des Klimawandels. Was sie nicht sehen möchte: Das Reisen selbst heizt das Klima zunehmend an. Die Last der Verantwortung liegt beim einzelnen Reisenden. Der muss nun entscheiden, ob Fliegen noch drin ist, ob Emissionsausgleich das Klima rettet und welche Reiseveranstalter mit seinem Gewissen vereinbar sind.

Foto: www.pixelio.de/thopix

Wer in diesem Frühjahr die Internationale Tourismusbörse (ITB) in Berlin besuchte, konnte auf die Idee kommen, der Klimawandel hätte nun doch auch die Tourismusbranche erreicht. In Paris hatte der UN-Klimarat IPCC soeben den zweiten Abschnitt seines viel beachteten Klimaberichts veröffentlicht. In Diskussionsrunden und auf Podien in den Berliner Messehallen wurde über die Zusammenhänge zwischen Reisen und CO2-Ausstoß debattiert, als wäre das Ganze gerade eben frisch erfunden worden.

Einer kam plötzlich ganz groß heraus: Wo immer Dietrich Brockhagen, Geschäftsführer des CO2-Ausgleichsprojekts atmosfair auftauchte, wurde er von Fotografen belagert wie ein Popstar. Als ein Fotograf den vortragenden Brockhagen auf einer der vielen Pressekonferenzen mit einer Handbewegung vor einer Präsentationsleinwand wegwinken wollte, weil ihm der Hintergrund zu unruhig war, missverstand ihn der sympathisch bescheidene Brockhagen und trat zur Seite, um dem Fotografen den Blick freizugeben. Aber hinter ihm war nichts, denn es ging ja immer nur um ihn. Und so war es fast überall, wo sich die Presse überschlug und die Diskussion erhitzte: Außer dem vom Umweltministerium bereits 2003 angestoßenen Ausgleichsprojekt atmosfair hatte die gesamte Touristikszene nichts zum Thema zu bieten.

Viel hat sich seit dem Frühjahr nicht getan. Die Lufthansa war eine der Firmen, die am schnellsten auf den Presseaufruhr nach dem IPCC-Klimabericht reagiert hatte. Schon im Februar verkündete die Pressestelle, man wolle den Kunden nun auch die Möglichkeit geben, ihren CO2-Ausstoß bei Lufthansa-Flügen auszugleichen. Freiwillig, versteht sich. Das Geld werde dann an ein entsprechendes Projekt überwiesen, man sei auf der Suche nach einem seriösen Partner. Den suchte man Anfang August immer noch. „Wir gehen davon aus, dass wir das Klimaticket zum Ende des Jahres anbieten können”, sagt Claudia Lange, Pressesprecherin für Umweltthemen bei der Lufthansa. Die Gespräche mit potenziellen Anbietern seien sehr zeitaufwändig. Außerdem sei es nicht ganz einfach, den Klimaausgleich mit anderen Angeboten des Konzerns und der Konzerngesellschaften in Einklang zu bringen. Stichwort Miles and More: Bisher belohnt das Bonusprogramm Vielflieger noch mit Extraflügen.

Foto: Martina Gripp
Taifun Zangsane, Manila, Philippinen, 28. September 2006: Ist es Zufall oder schon eine Folge des Klimawandels, dass sich die Wirbelstürme in den Tropen mehren?

Aber egal wie die Lufthansa dieses Kommunikationsproblem löst: Es wird allein Sache der Kunden bleiben, ob sie sich fürs Fliegen belohnen lassen oder ob sie – eigenverantwortlich – die von ihnen verursachten CO2-Emissionen ausgleichen. „Der von Lufthansa erhobene Ticketpreis wird von dieser freiwilligen Abgabe nicht beeinflusst”, verspricht die Presseabteilung. Von einem billigen Freikaufen möchte die Lufthansa-Sprecherin aber nichts hören. „Der CO2-Ausgleich ist nur ein Teil des umfangreichen Umweltengagements unseres Konzerns“, sagt sie und führt aus, wie viel die Lufthansa in neue, spritsparendere Flugzeuge investiert.

Nicht nur die Lufthansa fühlt sich zu Unrecht für den Klimawandel verantwortlich gemacht: „Ich sehe uns – und vor allem den Luftverkehr – schon ein bisschen als Opfer in der ganzen Klimadebatte“, sagt der Umweltbeauftragte der Rewe-Touristik Andreas Müseler. „Die ganze Problematik wird auf einen Bereich konzentriert. Dadurch bekommen viele Menschen den Eindruck, der Luftverkehr zerstöre die Erde.“

Online Klimaschutz buchen

Ähnlich pragmatisch wie die Lufthansa positioniert sich auch der Verband Internet Reisevertrieb (VIR), der auf eingangs erwähnter Pressekonferenz die Kooperation mit atmosfair verkündete: Alle Kunden würden nun im Buchungsprozess aufgefordert, ihre atmosfair-Abgabe gleich mit dem Flug zu bezahlen. Dafür ließen sich die Verbandsmitglieder von opodo bis expedia als echte Umweltfreunde bejubeln. „Wir möchten durch diese Initiative den Verbraucher für seine persönliche Verantwortung in Sachen Klimawandel und Energieeffizienz sensibilisieren“, erklärte Vorstandssprecherin Claudia Brözel das Engagement der Online-Reiseverkäufer. „Wir machen dem Verbraucher ein sinnvolles Angebot, einen individuellen Beitrag zu leisten.”

Foto: www.swiss-image.ch
Wer nach Arosa reist, kann die während seines Urlaubs erzeugte CO2-Emission von der Tourismusgemeinde ausgleichen lassen.

„Persönliche Verantwortung” und „individueller Beitrag”: Knapper kann man die Einstellung der Tourismusbranche zum Klimaproblem nicht auf den Punkt bringen. Der Kunde soll die Welt retten, während sich die Unternehmen um die Profitmaximierung kümmern.

Beide Fälle – Lufthansa und VIR – funktionieren gleich: Durch das Einrichten eines CO2-Rechners und Bezahlungstools auf der eigenen Homepage – Kosten laut Anbieter 6000 bis 7000 Euro – wechselt die Firma von der Seite der Umweltschurken auf die Seite der Umweltschützer.

Aber auch umgekehrt funktioniert das Spiel: Vollkommen fassungslos verfolgten einige kleine Reiseveranstalter die Debatte auf der ITB. Nach ihrem Selbstverständnis bieten sie ökologische und sozialverträgliche Reisen an – Naturerlebnis Kanada, Ayurveda auf Sri Lanka, Projekttourismus in Lateinamerika. Sie kommen durch die Klimadebatte unter Rechtfertigungsdruck. Da viele von ihnen ausschließlich Flugreisen anbieten, stehen sie, was die Klimabilanz ihrer Reisen angeht, plötzlich auf der Seite der Schurken – Schulter an Schulter mit den Erzfeinden TUI, Lufthansa und Co. Auch Kundinnen und Kunden sind verwirrt. Die Verantwortung für die Zukunft der Erde liegt in ihrer Hand. Je nach Wissen und Gewissen versuchen sie, das Beste daraus zu machen.

Zusätzliche Verwirrung schaffen die wie Pilze aus dem Boden schießenden Angebote zum „klimaneutralen Reisen“. Das Thema ist populär und verspricht Öffentlichkeit und Gewinn. Wie seriös diese „Klimaschutz-Angebote“ sind, ist für den einzelnen Kunden kaum zu beurteilen. Regenwaldaufforstungsprojekte gab es schon immer mal. Seit neuestem wirbt auch der Tourismusverband Mecklenburg-Vorpommern mit einer Waldaktie: „Mit dem symbolischen Kauf eines Baumes oder eines Stückchen Waldes bekommen umweltbewusste Urlauber die Chance, sich am Entstehen des ersten deutschen Tourismuswaldes zu beteiligen und ihren Urlaub damit CO2-neutral zu gestalten“, verspricht Geschäftsführer Bernd Fischer.

„Die Kompensation durch Aufforstungen ist in vielerlei Hinsicht problematisch“, sagt Wolfgang Strasdas, Professor für nachhaltigen Tourismus an der Fachhochschule Eberswalde. „Eines der wichtigsten Argumente dagegen ist, dass auf die Dauer viel zu große Flächen benötigt würden, deren Naturschutzwert zudem häufig fraglich ist. Hinzu kommt das Problem der Zeitverzögerung: Wachsender Wald bindet Kohlenstoff erst über einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten.“ Laut Strasdas sind Projekte vorzuziehen, bei denen fossile durch regenerative Energien ersetzt werden – zum Beispiel, wenn die Energieversorgung einer indischen Sozialeinrichtung über Solarzellen statt Dieselgenerator funktioniert. „So tritt das CO2 gar nicht erst in die Atmosphäre ein“, erklärt der Wissenschaftler.

Foto: Jürgen Fischbach
Mit Hilfe von Schneekanonen wollte das Sauerland größte deutsche Skiregion außerhalb der Alpen werden.

Aber ob Baumaktie oder Zertifikat: Der CO2-Ausgleich bleibt abstrakt – zu abstrakt für viele Urlauber. Von 800 Millionen Tonnen CO2, die der Flugverkehr im Jahr 2005 weltweit erzeugte, wurden von Privatpersonen nur etwa 200000 Tonnen ausgeglichen. „Für mich sind Ausgleichs-angebote wie die von atmosfair vor allem eine geeignete Methode, um die Aufmerksamkeit der Kunden aufs Thema zu lenken“, sagt Andreas Müseler. „Eine Lösung für die Klimaproblematik sehe ich darin nicht.“ Die größten Zweifel hat der Umweltbeauftragte der Rewe-Touristik an der Umsetzbarkeit des Emissionshandels, wenn tatsächlich die gesamte Tourismusbranche einbezogen würde. „Da bezweifle ich, ehrlich gesagt, die Leistungsfähigkeit des Systems“, sagt er.

Die ist laut atmosfair-Geschäftsführer Dietrich Brockhagen längst nicht ausgeschöpft. „Projekte gibt es ohne Ende“, sagt er. „Erst wenn die ganze Welt über viele Jahre ihre Flüge ausgleichen würde, käme es vielleicht zu einem Engpass.“

Stephan Schunkert verkauft CO2-Rechner – ein gutes Geschäft seit das Thema Klima an Popularität gewonnen hat. Eigentlich ist seine Agentur Avant Time auf die Beratung von Energieunternehmen spezialisiert. „Aber zurzeit sind wir mit den Klimarechnern ausgelastet“, bekennt er. Zu seinen Partnern gehören zum Beispiel das Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (Ifeu) und die GLS-Bank. Schunkert glaubt an die Macht des Einzelnen: „Wenn genügend Privatpersonen freiwillig CO2 ausgleichen, haben sie die Macht, die CO2-Zertifikate für Unternehmen wie RWE zu verteuern, die durch das Kyoto-Protokoll zum Ausgleich ihrer zu viel erzeugten CO2-Emissionen verpflichtet sind“, erklärt er. „Indem die Privatpersonen bisher ungeplante Kapazitäten nachfragen, verknappen sie die Emissionszertifikate für den Kyoto-Prozess.“

Da es bisher meist ökologisch und sozial motivierte Reiseveranstalter oder Organisationen sind, bei denen Privatpersonen ihre CO2-Emissionen ausgleichen, sind die Anforderungen an diese Ausgleichsprojekte in der Regel höher als bei den offiziell gehandelten. Wer also nicht daran glaubt, dass der Emissionsausgleich den Klimawandel noch aufhalten kann, kann sich zumindest eine Spende für den Fortschritt in einem Entwicklungsland gutschreiben.

Ob die private Nachfrage nach CO2-Zertifikaten in nächster Zeit allerdings erheblich steigt oder ob es beim guten Vorsatz oder dem schlechten Gewissen bleiben wird, ist ungewiss. In einer Studie der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (FUR) zum Thema Urlaub und Klimaschutz gaben zwar 22 Prozent der Befragten an, bei Flugreisen zu einer freiwilligen Klimaabgabe bereit zu sein. Bei solchen Umfragen spielt die Selbstidealisierung allerdings eine entscheidende Rolle. So gaben beispielsweise auch 16 Prozent der Befragten an, die Bahn bereits für Urlaubsreisen zu nutzen. Von solchen Zahlen träumt die Touristikabteilung der DB. Real nutzen nur fünf Prozent der Deutschen die Bahn für die Fahrt in den Urlaub.

Wetter oder Klima

Wenn unter Touristikern das Wort Klima fällt, dann reden sie in der Regel vom Wetter in ihrer Region. Gab es im Winter genügend Schnee zum Skifahren? Konnte man im Sommer baden? Hielten sich die Sturm- und Lawinenschäden in den üblichen Grenzen? Gab es Hochwasser oder Trockenperioden? Für den Touristiker ist das Klima gut, wenn die Betten in seiner Region gewohnheitsgemäß gebucht sind.

Foto: www.Alpine Pearls
21 Alpenorte haben sich zu einer Kooperation zusammengeschlossen, mit dem Ziel, den Individualverkehr in den Alpen zu reduzieren. Die „Alpine Pearls“ bieten eine Mobilitätsgarantie sowohl für die An- und Abreise als auch vor Ort. Infos: www.alpine-pearls.com

Wenn Umweltschützer den Begriff Klima benutzen, reden sie zurzeit meist vom Klimawandel, von der Erderwärmung und von den damit verbundenen Veränderungen der Lebensbedingungen auf unserem Planeten. Kein Wunder, dass beide Gruppen es schwer haben mit der Verständigung. Keiner kann sagen, dass sich die Tourismusbranche nicht mit dem Klimawandel beschäftigt. Aber ihr Verständnis ist ein anderes: Viele Touristiker sehen sich in erster Linie als Opfer des Klimawandels – nicht aber als Verursacher. Und so versuchen sie mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln die Änderungen und Schäden zu reparieren, zu beheben und zu vertuschen, die der Klimawandel ihren Regionen zufügt. Auf die Idee, in einer konzertierten Aktion gegen den Klimawandel anzugehen, kommt dabei kaum einer. Hauptsache, der Tourismusbetrieb läuft so lange wie möglich weiter wie gewohnt.

Eines der besten Beispiele für die touristische Kurzsichtigkeit in Deutschland ist das Sauerland. Dort brachen die Übernachtungszahlen vom Winter 2005 auf den Winter 2006 um 30 Prozent ein. An mangelnden Investitionen und dem fehlenden „Masterplan” lag es nicht: 2002 hatte das Sauerland mit dem Aufbau der Skiarena Sauerland begonnen. Die Region sollte das größte deutsche Skigebiet außerhalb der Alpen werden. Dafür wurde flächendeckend in Schneekanonen investiert. Auch das Land Nordrhein-Westfalen beteiligte sich an dem zukunftsweisenden Projekt und steuerte eine Anschubfinanzierung von 850000 Euro für die Beschneiungsanlage Winterberg-Neuastenberg bei. Die lokale Liftgesellschaft ließ sich das Ganze noch einmal 1,25 Millionen kosten – das reichte für 15 neue Schneekanonen. Inzwischen warten im Sauerland 115 Schneekanonen darauf, dass es kalt genug wird, um die Pisten zu beschneien. Kalt genug, das heißt für den künstlichen Schnee immerhin -2 Grad oder kälter. Glaubt man den Klimaprognosen, werden diese Temperaturen in Deutschland eher selten werden. In diesem Winter blieben sie ganz aus. Aber statt sich auf den Klimaschutz zu besinnen, hatte die Region schon den nächsten Coup zur Steigerung der Übernachtungszahlen parat: Sie bewarb eine Kooperation mit Billigfluganbieter Air Berlin, um möglichst viele Briten zum Skifahren ins Sauerland zu bekommen. Das interessierte natürlich auch den Flughafen Paderborn. Auf seiner Homepage wird die zentrale Lage des Sauerlands, das tolle Skiangebot und die gute Erreichbarkeit von Großbritannien aus gepriesen. „Eine Tatsache, die ab sofort auch für skibegeisterte Briten gilt, fliegen diese doch seit neuestem mit Air Berlin in 80 Minuten von Bournemouth nach Paderborn, von wo aus es nur noch 40 Kilometer bis Willingen bzw. 60 Kilometer bis Winterberg sind. Ein Ausflug selbst übers Wochenende lohnt sich also, zumal die Übernachtung in einem 3-Sterne-Gasthof mit Wellnessbereich schon ab 31 Euro pro Person im Doppelzimmer zu haben ist.“

Das Sauerland hat zwar die Herausforderung angenommen und mit dem Umbau seiner Tourismusinfrastruktur weg vom überalterten Wandertourismus hin zu einem modernen Sport- und Aktivitätsangebot begonnen. Bikearena Sauerland und Rothaarsteig sind zwei Beispiele für die erfolgreichen Bemühungen der Region, moderne Tourismusangebote zu schaffen und zu vermarkten. Aber bei allem Respekt vor den innovativen Touristikern der Region: Ein nachhaltiges Tourismuskonzept haben die Sauerländer bisher nicht entwickelt. Noch schlimmer: Auch die anderen Wintersportregionen haben aus dem Beispiel Sauerland nichts gelernt. „Die Bayerische Staatsregierung entwickelt den Wintertourismus offensiv weiter“, betont Andreas Würth, Pressesprecher des Bayerischen Wirtschaftsministeriums. „Durch die Ski-WM 2011 in Garmisch-Partenkirchen und eine mögliche Winterolympia-Bewerbung Münchens gibt es einen kräftigen Schub für die Wintersportdestination Bayern.“

Die „Offensive Wintertourismus in Bayern“ ist bereits in Gange. Ziel der Offensive ist laut Wirtschaftsministerium ein Masterplan Wintertourismus für Bayern. Dass man für den Masterplan „die bislang erkennbaren Auswirkungen eines möglichen Klimawandels“ berücksichtigen möchte, „verstärkt mit klimaschonenden Urlaubsangeboten“ wirbt und die Olympiabewerbung trotzdem vorantreibt, zeigt die Schizophrenie der Branche.

Es werden in Deutschland noch viele Schneekanonen mit öffentlichen Mitteln finanziert werden, bevor Wirtschaftspolitiker und Touristiker unter Klima nicht mehr nur schlechtes Wetter verstehen. Die Skifahrer nutzen dann längst andere Pisten. „Rund 20 Prozent unserer Gäste kommen nur, wenn Schnee liegt”, sagt der Geschäftsführer des Triberger Tourismusverbands Stefan Schürlein. „Die kann ich nicht mit Winterwandern oder Wellness locken. Die fahren dann einfach dahin, wo der Schnee liegt – egal, ob das 500 oder 800 Kilometer sind.”

Dank Billigflieger dürfen es auch gerne ein paar Kilometer mehr sein. „Wir spüren eine deutliche Nachfragesteigerung in unseren Skigebieten”, sagt Tina Fraune vom norwegischen Tourismusverband VisitNorway. Auch dort hat man kräftig investiert, neue Skigebiete aus dem Boden wachsen lassen und Flugverbindungen aktiviert. Norwegen scheint – zumindest in dieser Beziehung – zu den Profiteuren des Klimawandels zu gehören.

Alles wird gut?

Die Tourismus-Karawane zieht weiter, so lange es noch geht. Und es fällt einem schwer zu glauben, dass alles gut wird, wenn man nach Norwegen zum Skifahren fliegt und die Flugemissionen per CO2-Zertifikat ausgleicht. „Wenn Sie ein Flugticket kaufen, zahlen Sie vielleicht 500 Euro fürs Ticket und 25 Euro für den CO2-Ausgleich“, erklärt atmosfair-Geschäftsführer Brockhagen die Nebenwirkungen des Fliegens. „Mit diesen 500 Euro passiert aber auch etwas. Sie fließen in die Flugindustrie, es werden Flughäfen ausgebaut und so weiter. Insgesamt unterstützt dieses Geld eine Industrie, die nicht nachhaltig ist.“

Und eine weitere Botschaft ist Brockhagen wichtig:

„Emissionen auszugleichen, ist nicht genug. Es muss darum gehen, Emissionen zu senken.“ Die Ausgleichsprogramme seien nur ein Beitrag zu einer Übergangslösung, bis es eine Kerosinsteuer oder eine ähnliche politische Lösung gäbe, die das Fliegen verteuere und andere Verkehrsmittel attraktiver mache. Solange die Kerosinsteuer auf sich warten lässt und der Einzelne entscheiden muss, in welche Infrastruktur er investieren soll, lautet Brockhagens Empfehlung: „Es ist immer besser, auf die Bahn umzusteigen und, wenn es geht, weniger zu fliegen. Nur wenn Flüge nicht zu vermeiden sind, ist der CO2-Ausgleich eine Alternative.“

Regine Gwinner

Hintergrundinformationen zum CO2-Ausgleich, zur Bewertung von Ausgleichsprojekten und -anbietern und zu den Angeboten des VCD:

Folgender Artikel wird demnächst anlässlich der Konferenz "Tourismus - Herausforderung Zukunft" (Salzburg, 19.10.2007) in einer Buchpublikation erscheinen:

Strasdas, W. (2007): Freiwillige Kompensation von Flugemissionen - Ein Ansatz zur Minderung der Umwelteffekte des Ferntourismus? In: Egger, R./Herdin, T. (Hg.): Tourismus - Herausforderung Zukunft. Lit-Verlag, Wien/Berlin, 2007

(pdf, 115 kB)

   
 

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