Titel 4/2007

VCD-Geschäftsreiseprojekt

Im Dienste des Klimas

Jede Stunde fahren und fliegen 18000 deutsche Firmenmitarbeiter im Auftrag des Chefs durch die Lande. Das ist nicht gut für die Bilanz, und auch das Klima leidet unterm Geschäftsreiseverkehr. Mit Unterstützung des Bundesumweltministeriums startete der VCD eine Kampagne, die Firmen bei einer ökologischeren Abwicklung ihrer Geschäftsreisen helfen soll.

Foto: DB AG/Schmid
Wer mit der Bahn zum Termin fährt, kann die Fahrtzeit zur Vorbereitung nutzen, statt sich auf den Verkehr konzentrieren zu müssen.

„Meine Kollegin ist viel in Europa unterwegs. Dabei fliegt sie meistens, weil das am günstigsten ist“, berichtet Michael Peters, Mitarbeiter eines großen deutschen Tourismuskonzerns. „Sie kennt sich bei den Fluggesellschaften sehr gut aus und findet immer einen billigen Flug.“ Er selbst bucht seine Dienstreisen ebenfalls auf eigene Faust – meist per Internet. „Über die Buchungsstelle der Firma ist das viel zu kompliziert. Da muss ich erst lange Anträge ausfüllen, und dann buchen sie die Reise viel teurer, als ich es selbst im Internet machen kann.“ Auch er ist der Meinung, dass Bahnfahren zu teuer ist, auf jeden Fall teurer als Fliegen. Verglichen hat er das nicht.

Über 157 Millionen Geschäftsreisen ins In- und Ausland haben deutsche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Jahr 2006 gemacht und dafür über 47 Milliarden Euro ausgegeben. Das Sparpotenzial ist vor allem bei kleinen und mittelständischen Unternehmen enorm. Hier buchen die Mitarbeiter häufig ihre Reisen selbst, für Mengenrabatte reicht das Aufkommen nicht und oft gilt der Dienstwagen als Pauschallösung für alle Inlandsreisen. Nur große Firmen leisten sich sogenannte Travel Manager, die für die Reiseorganisation ausgebildet sind, über eine entsprechende Buchungssoftware verfügen und ihren Kolleginnen und Kollegen tatsächlich die – nach Firmenvorgabe – beste oder günstigste Lösung ermitteln. Aber auch die sind nur so gut wie die Vorgaben und werden – wie das Eingangsbeispiel zeigt – bei zu viel Bürokratie einfach umgangen.

Experten vermuten ein gigantisches Einsparpotenzial im Geschäftsreisebereich. Die Logistikfirma TNT beispielsweise machte Ernst mit ihrer sozialen Firmenverantwortung und prüfte Möglichkeiten zur Reduktion ihrer CO2-Emissionen. Die Mitarbeiter wurden aufgefordert, öfter per Videokonferenz zu kommunizieren. Dadurch sollen die Geschäftsreisen bereits 2007 um 30 Prozent reduziert werden.

Das ist leider noch die Ausnahme. Nur die wenigsten Firmen geben bei der Buchung von Geschäftsreisen Umweltkriterien vor. Oft sind sie davon überzeugt, dass sich Wirtschaftlichkeit und Umweltschutz ausschließen. Oft halten aber auch die Mitarbeiter an Statussymbolen fest und sind kaum über Alternativen informiert.

Geschäftsreisen stellen einen erheblichen Wirtschaftsfaktor dar. Fluggesellschaften, Autovermieter, Bahnen, Autoindustrie, Hotelketten, Online-Reisevermittler, Reisebüroketten und Softwareanbieter buhlen um die Geschäftsreisebudgets der Firmen. Mit großen Werbeetats und erheblichem Lobbyaufwand versuchen sie, Geschäftsführer und Travel-Manager zu beeinflussen und neben dem Argument der Wirtschaftlichkeit auch andere Werte für die Wahl des einen oder anderen Verkehrsmittels ins Feld zu führen. Die Versprechen sind – je nach Zielgruppe – unterschiedlich. Je höher der firmeninterne Rang eines Mitarbeiters, umso wichtiger ist der Statusgedanke beim Geschäftsreisen.

Nun möchten Bundesumweltministerium, Umweltbundesamt, VCD und fairkehr die Werte Umwelt- und Klimaschutz stärker in die Diskussion bringen. Nach Veröffentlichung der UN-Klimaberichte in diesem Frühjahr haben einige Firmen angefangen, die CO2-Emissionen ihrer Geschäftsreisen auszugleichen. Die Bundesregierung wird noch in diesem Jahr beginnen, ihre Dienstreisen CO2-neutral zu gestalten. Ob eine Firma Verantwortung für die Umwelt übernimmt, wird in Zukunft ein immer bedeutenderer Imagefaktor werden. „Es wäre schön, wenn die BahnCard 100 bald genauso ein Statussymbol ist wie ein Flugticket für die Business-Klasse oder ein dicker Dienstwagen“, sagt Anja Hänel, Projektleiterin beim VCD.

Foto: DB Nachtzug
Wer nicht gerne morgens um vier aufsteht, um den ersten Flug nach Wien zu bekommen, kann im Nachtzug ausschlafen und frühstücken. Ankunft Wien Westbahnhof: 8.51 Uhr.

Nun wird es für den VCD erst einmal darum gehen, den Firmen die Vorzüge eines umweltverträglichen Reisens nahezu-bringen. Dafür sucht das Projektteam Unternehmen oder Mitarbeiter, die bei der Planung ihrer Geschäftsreisen ökologische Kriterien einbeziehen. Der Vertriebsmitarbeiter, der alle seine Kunden mit der Bahn besucht, die Managerin, die sich statt des Flugs in die Schweiz das Einzelabteil im CityNightLine gönnt, der Travel-Manager, der für seine Kollegen per CO2-Rechner die ökologischste Reisevariante ermittelt: Sie alle können ihre Ideen und Projekte bei einem Wettbewerb zum Thema Verantwortung im Travel-Management einreichen, den der VCD im kommenden Frühjahr gemeinsam mit dem grünen Unternehmensverband B.A.U.M. und der Zeitschrift „Der Mobilitätsmanager“ durchführen wird. Die innovativsten Praxisbeispiele werden durch eine Expertenjury prämiert und der Öffentlichkeit präsentiert.

Außerdem wird der VCD das Projekt auf Messen vorstellen und einen praxisorientierten Leitfaden für Firmen erstellen, die sich über umweltverträgliche Geschäftsreisen informieren möchten. „Wir hoffen, bis zum Projektende im Dezember 2008 viele gute Ideen zu sammeln und viele interessante Gespräche in den Unternehmen zu führen“, sagt Anja Hänel. „Wir haben die Argumente auf unserer Seite, und es ist höchste Zeit, dass Umweltschutz im Firmenalltag mehr Gewicht bekommt.“

Regine Gwinner

Ansprechpartnerinnen beim VCD:
Anja Hänel, Tel.: (030) 280351-77,
Birgit Kaminski, Tel.: (030) 280351-59.
Infoflyer zum Projekt bestellen bei:
birgit.kaminski@vcd.org
Mehr Infos zum Wettbewerb: www.csr-award.de

   
 

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