Reise 4/2007

Lyon

Zwischen Rhône und Saône

Wer auf dem Weg zum Mittelmeer immer an Lyon vorbeigefahren ist, sollte beim nächsten Mal einen Abstecher wagen: Die Stadt zwischen Rhône und Saône ist nicht nur charmant und abwechslungsreich, sie hat auch die höchste Dichte an Spitzenköchen – und an Fahrrädern.

 

 
Foto: Valeska Zepp  

Die Tische vor den Cafés füllen sich. Einige Städter trinken hastig einen Kaffee. Zwei alte Männer packen kleine Figuren aus einer hölzernen Kiste und beginnen ihre erste Partie Schach. Die Sonne bringt die rost- und ockerfarbenen Häuser der Altstadt zum Leuchten – ein ganz normaler Morgen in Lyon.

Mit Musik auf den Ohren fährt eine junge Frau auf einem silber-roten Rad vorbei, klingelt und winkt dem Kellner zu. Bestimmt ist sie auf dem Weg zur Uni. Vor der Patisserie nebenan belädt ein Mann in Shorts seinen Fahrradkorb mit Baguette – Frühstück für die Familie. Moment mal: Das Fahrrad sieht genauso aus wie das von der Studentin. Die knallrote Blende am Hinterrad ist unverkennbar. Auf der Brücke über die Saône fahren auch noch zwei. Und jetzt kommt wieder eins am Café vorbeigeflitzt – diesmal mit Anzugträger und brauner Aktentasche im Korb. Wo kommen die alle her? Der Kellner lacht und zeigt in alle Himmelsrichtungen. „Die Räder kann man in der ganzen Stadt ausleihen“, sagt er. Und es stimmt: Alle paar hundert Meter trifft man in Lyon auf eine der 250 Vélo’V-Leihstationen. Insgesamt sind 3000 Fahrräder über die Stadt verteilt.

Warten, bis es piept

„Wir wollten etwas für die Gesundheit unserer Einwohner und für die Umwelt tun“, sagt Blandine Thenet. Sie ist Pressesprecherin der Stadt Lyon und sehr stolz auf das Fahrradprojekt. Seit einem Jahr können die Lyonaiser nun überall in der Stadt Räder ausleihen – und sie tun es. Am Leihterminal, ähnlich einem Fahrkartenautomaten, geht das ruckzuck: die rote Vélokarte an den Scanner halten, persönlichen Code eingeben, ein Fahrrad anwählen. Dann am Radständer einen Knopf drücken, warten, bis es piept, das Rad aus der Halterung ziehen und losfahren. Die erste halbe Stunde ist kostenlos. Für jede weitere Stunde ist ein Euro fällig, abgerechnet wird über Kreditkarte. Viele Lyonaiser haben mittlerweile eine Dauerkarte und benutzen die Räder regelmäßig. Sie fahren zum Büro, in die Uni, zum Einkaufen oder machen einen Wochenendausflug ins Grüne.

Für Touristen ist das Ausleihen leider nicht ganz so leicht. Die erste Hürde ist die Sprache. Mit Reisefranzösisch kommt man am Terminal nicht weit. Die zweite Hürde ist die Bezahlung. Nicht alle ausländischen Kreditkarten funktionieren und man braucht die PIN-Nummer. „Wir arbeiten gerade an einer englischen Version für die Terminals und am Zahlungsproblem sind wir ebenfalls dran“, sagt Thenet. Schließlich sollen auchTouristen vom Fahrradprojekt profitieren und umgekehrt.

Vom Sattel aus ändert sich der Blick auf die Stadt. Die Altstadt, Sehenswürdigkeit Nummer eins, ist mit ihrem Labyrinth aus versteckten Passagen, engen Gassen und steilen Kopfsteinpflasterwegen für Fahrradfahrer eher unbequem. Trotzdem mühen sich ein paar Radfahrer den Hügel hinauf zur Basilika Notre-Dame de Fourvière.

 
Foto: Valeska Zepp  
Fahrradfahrer in Lyon haben es doppelt gut: Gleich zwei Flüsse durchziehen mit schönen Radwegen die Stadt.  

Weniger anstrengend und extra für Radfahrer gebaut, ist die neue Promenade am Rhôneufer: Sie führt vorbei an der Universität und dem Rhône-Schwimmbad mit seinen riesigen Flutlichtern. Grünstreifen, mit Kornblumen und Klatschmohn übersät, trennen Fußgänger von Radfahrern. Kaum zu glauben, dass das Rhôneufer in Lyon noch vor kurzem ein riesiger Parkplatz war.

Zoo oder Kinomuseum?

Trendigen Café- und Restaurantbooten folgt eine Reihe von Hausbooten, auf deren Decks üppige Gärten und Bäume wachsen. Hinter den Hausbooten wird die Rhône ein bisschen wilder und hat beinahe Auencha-rakter. Jogger laufen über die Wiese und Studenten haben sich mit Büchern und Decken unter den Bäumen zum lernen eingerichtet.

Tete d’Or ist der älteste Park Lyons. Neben Gewächshäusern, riesigen Picknickwiesen und Spielplätzen liegt darin auch einen kleiner Zoo. Um den Park herum gibt es neun Vélostationen. Die Rückgabe für die Zeit des Zoobesuchs ist unkompliziert: Das Fahrrad einfach in einen der Ständer schieben, warten bis die Magnetverriegelung aktiv ist, fertig.

 
Foto: Valeska Zepp  
Fahrräder für alle: 250 Leihstationen mit 3000 Fahrrädern sind über die Stadt verteilt.  

Neues Rad, nächstes Ziel: Eine knappe halbe Fahrradstunde vom Zoo entfernt, im Südosten Lyons, liegt die „Rue du Premier-Film“, wo die Brüder Lumière Ende des 19. Jahrhunderts den ersten Kinofilm der Geschichte drehten. Gezeigt wird er in der Villa Lumière, die zu einem Museum umfunktioniert wurde. Dort können die Besucher mit vielen kleinen Spielereien die Entwicklung des Kinos seit der Erfindung des Kinematographen 1895 studieren.

Fahrradfahren und Museumsbesuch machen hungrig: In der Stadt sitzen Lyonaiser und Touristen schon bei einem Glas Beaujolais in den Bouchans, den typischen kleinen Lokalen mit traditioneller Küche. Wo ist denn die nächste Radstation?
Ah, gleich um die Ecke.

Valeska Zepp

   
 
 
Foto: Valeska Zepp  
Der Weg zur Jugendherberge am Fourvièrehügel ist steil, aber er lohnt sich.  

Anreise

Zuerst mit dem Zug bis Paris
• ab Köln mit dem Thalys, www.thalys.de
• ab Frankfurt mit dem neuen ICE/TGV, www.bahn.de
• ab Stuttgart mit dem Nachtzug, www.nachtzug.de

Ab Paris braucht der TGV nur zwei Stunden bis Lyon, www.tgv.com

Allgemeine Infos: Maison de la France,
Tel.: 09001/57 00 25 (49 Cent/Min.)
Fax: 09001/59 90 61 (49 Cent/Min.)
www.franceguide.com

Übernachten

charmant: Le Collège, 5 Place Saint Paul, 69005 Lyon, www.college-hotel.com
günstig: Jugendherberge, 41-45 Montée du Chemin Neuf, www.fuaj.org
luxuriös: La Cour des Lodges, 2-8 Rue du Boeuf, www.courdeslodges.com

Essen

typisch: Traditionelle Hausmannskost bieten die Bouchons, kleine Lokale, die überall in der Stadt zu finden sind.
trendig: ein paar Kilometer nördlich am Ufer der Saône, liegt das Resaurant Buldo, ein modern eingerichtetes Restaurant mit sehr guter Küche und beliebter Bar. Buldo, 2 quai Raoul Carrié, www.buldo.net
bocuse: Nord, Est, Sud, Quest – Altmeister Bocuse betreibt außer seinem Sternerestaurant auch vier Brasserien – in jeder Himmelsrichtung eine, www.bocuse.fr.

Museen

Kino: Im Institut Lumière kann man im Wohnhaus der Brüder Lumière, die Anfänge des Kinos bestaunen. 25 rue du Premier Film, www.institit-lumiere.com
Kunst: Im modernen Kongresszentrum zwischen Rhône und Parke Tete d’Or, befindet sich nicht nur Interpol, sondern auch das Museum für modernen Kunst. www.moca-lyon.org
Kulissen: Mitten in der Altstadt in der Rue Saint-Jeane befindet sich das Museum für Miniaturen. Hier sind Filmkulissen, z. B. aus Tykwers Parfum, als Miniaturen für Tricks ausgestellt

 
Foto: Valeska Zepp  
Früher lernten nicht alle Bürger lesen. Daher verbildlichen in Lyons Altstadt kleine Statuen den Namen der Straße.  
   
 

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