Titel 3/2007

Tribüne

Welches ist der
beste Weg?

Seit Jahren streiten die Experten, welches der beste Weg ist, um die Wünsche der Bahnkunden optimal zu erfüllen. fairkehr hat dazu drei unterschiedliche Positionen eingeholt.

 

Position Deutsche Bahn AG

Foto: DB AG/Lautenschläger
Dr. Otto Wiesheu ist Vorstandsmitglied der Deutschen Bahn AG für Wirtschaft
und Politik.

Die Bahn muss an die Börse, und zwar komplett einschließlich der gesamten Infrastruktur, mit Schienen, Tunnels, Sicherheitssystem und Bahnhöfen. Nur so kann sich der ehemalige Staatskonzern zu einem internationalen Logistikkonzern entwickeln.

Der Nutzen für den Kunden bestimmt das unternehmerische Handeln der Deutschen Bahn AG. Die Märkte richten sich an den Wünschen der Kunden aus. Die Bahn muss sich als Unternehmen mit ihrem Kerngeschäft Nah-, Fern- und Güterschienenverkehr nach den Kundenwünschen ausrichten, wenn sie weiter erfolgreich sein will.

Das heißt konkret, um kurz die grundlegenden Kundenerwartungen zu beschreiben: Moderne und komfortable Züge im Personenverkehr, günstige Preisangebote für alle Kundensegmente, eine geschlossene Mobilitätskette, die alle Verkehrsträger integriert und von der eigenen Haustür bis zum Reiseziel reicht. Das gilt nicht nur für Deutschland, sondern für ganz Europa. Weitere Stichworte sind zeitnahe Reisendeninformationssysteme oder unkomplizierte Vertriebswege wie zum Beispiel der Online-Kauf von Fahrscheinen.

Was für die Kunden im Personenverkehr gilt, gilt auch für die Kunden im Schienengüterverkehr. Hier erwarten Firmen und Spediteure eine durchgängige und umfassende Transportleistung. Der Spediteur soll jederzeit wissen, wo sich seine Ware gerade befindet. Das erfordert teure Hightech Kommunikation. Die Schiene steht in einem harten Wettbewerb mit der Straße. Seit Anfang des Jahres hat der Schienengüterverkehr die Chance, innerhalb der EU seinen Marktanteil im Mix der Verkehrsträger deutlich zu verbessern. Bisherige gesetzliche Beschränkungen für Transportleistungen auf der Schiene sind auf europäischer Ebene weggefallen. Die Schiene kann jetzt gegenüber dem Lkw im grenzüberschreitenden Verkehr den Wettbewerb aufnehmen. Bei Güterzügen mit lang-laufender Distanz will die Bahn ihre „natürlichen“ Vorteile ausspielen und vorhandene Wettbewerbsvorteile nutzen.

Das alles erfordert Kapital für hohe Investitionen. Geld, was derzeit nicht in den Kassen ist und das der Eigentümer Bund nicht zu Verfügung stellen wird. Deshalb will die Bahn an den privaten Kapitalmarkt, um sich für die geänderten Anforderungen der Märkte und Kunden fit zu machen.
Dazu gehört unabdingbar eine intakte und moderne Infrastruktur. Das Netz ist für die Bahn ein ganz entscheidender Produktionsfaktor. Würde die Bahn das Netz vernachlässigen, käme der Motor ins Stottern. Ohne ein intaktes Netz kann kein Taktfahrplan weder im Personen- noch Güterschienenverkehr eingehalten werden. Die Bahn hat daher ein ureigenstes Interesse an einem qualitativ hochwertigen Netzzustand.

Das alles garantiert am besten der integrierte Konzern mit eingespielten Prozessen und bewährten Schnittstellen. Die Deutsche Bahn – ein eingeschwungenes Unternehmen, das sich im Wettbewerb äußerst erfolgreich bewährt hat und zur führenden Bahn in Europa gewachsen ist.

 

Position VCD

Foto: VCD
Michael Gehrmann ist Bundesvorsitzender des VCD.


Die Bahninfrastruktur muss in öffentlicher Hand und Verantwortung bleiben. Mehr Konkurrenz auf der Schiene im fairen Wettbewerb bringt Vorteile für alle Fahrgäste.

Züge fahren für Menschen. So selbstverständlich das ist, so wenig wird es derzeit in den Überlegungen für einen Börsengang der Deutschen Bahn AG beherzigt. Die Perspektive der Nutzer und Nutzerinnen der Bahn muss eindeutig Vorrang haben vor der Perspektive des Konzerns und auch vor den vom Staat erwünschten einmaligen Verkaufserlösen. Langfristig ist diese Perspektive auch für die Unternehmen und die Staatsfinanzen die richtige, da nur eine für Nutzer und Nutzerinnen attraktive Bahn auch wirtschaftlich erfolgreich sein kann.

Der Staat hat eine im Grundgesetz verankerte Gemeinwohlverantwortung für die Bahninfrastruktur. Das muss auch so bleiben, zumal diese in den vergangenen Jahren mit öffentlichen Mitteln aufgebaut wurde. Ein börsennotiertes Eisenbahnunternehmen wäre von Seiten der Aktionäre dem Druck ausgesetzt, sich den Gemeinwohlverpflichtungen zu entziehen, mit der Folge, dass das Schienennetz massiv ausgedünnt würde, obwohl hohe staatliche Zuwendungen in Anspruch genommen werden.

Ist die Infrastruktur erst einmal privatisiert, ist eine Re-Verstaatlichung kaum mehr möglich. Die öffentliche Hand müsste ein Vielfaches von dem zahlen, was sie jemals durch die Privatisierung erwirtschaftet hat und anschließend viele weitere Milliarden zur Sanierung des Schienennetzes investieren. Dem sogenannten „Eigentumssicherungsmodell“, wie es Bundesverkehrsminister Tiefensee derzeit plant, muss daher eine klare Absage erteilt werden. Die Eisenbahninfrastruktur muss in öffentlicher Hand und Verantwortung bleiben.

Die zur Verfügung stehenden öffentlichen Mittel für die Schiene müssen möglichst effizient eingesetzt werden. Mehr Effizienz wird vor allem durch fairen Wettbewerb erreicht. Das beste Angebot zum günstigen Preis zu bekommen muss auch im Schienenverkehr das Ziel sein. Wichtig ist, dass dabei Umwelt-, Qualitäts- und Sozialstandards berücksichtigt werden.
Ein funktionierender Wettbewerb ist im Eisenbahnverkehr jedoch nicht zu erwarten, solange ein Quasi-Monopolist das Schienennetz kontrolliert und bewirtschaftet. Es bedarf einer klaren Trennung von unternehmerischen und staatlichen Aufgaben im Schienenverkehr und damit einer klaren Trennung von Infrastruktur und Transport.

Der ungehinderte und diskriminierungsfreie Zugang zum Schienennetz für alle Bahnen ist Grundvoraussetzung für mehr Verkehr auf der umweltfreundlichen Schiene. Nur mit einer neutralen Schieneninfrastruktur kommen mehr Güter und Fahrgäste auf die Schiene und nur mehr Verkehr schafft sichere und möglicherweise auch mehr Arbeitsplätze

Position „Bürgerbahn statt Börsenbahn“

Foto: Marcus Gloger
Heiner Monheim ist Mitglied bei „Bürgerbahn statt Börsenbahn“, einer Expertenvereinigung in Sachen Bahnpolitik, und Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat des VCD.


Kein Börsengang der Bahn! Die Bahn muss als einheitliches Unternehmen und in öffentlichem Eigentum erhalten bleiben.
Verkehrsinfrastruktur ist eine öffentliche Aufgabe von Bund, Ländern, Regionen und Kommunen. Im Straßenbereich haben diese Gebietskörperschaften klare gesetzliche Aufgaben und Finanzierungsgrundlagen. Im öffentlichen Verkehr ist das leider ganz anders. Die öffentliche Hand zieht sich immer mehr aus der Verantwortung zurück, privatisiert, kürzt ihre finanziellen Engagements und schaut der dramatischen Stauentwicklung und Umweltzerstörung tatenlos zu.

Jetzt soll auch der dickste Brocken, die DB AG teilprivatisiert werden. Dann wird knallhartes Kostenminimieren und Gewinnoptimieren zur Grundstrategie. Streckenstilllegungen, Schließung von Bahnhöfen und Haltepunkten, Abhängen von Gütergleisanschlüssen, Rausreißen von Weichen und Überholgleisen, Vernachlässigung der Infrastrukturpflege werden dann noch mehr forciert. Es wird eine massive Konzentration des Engagements auf wenige Großprojekte in Deutschland und viele teure Einkäufe im Ausland geben. Schließlich will die Bahn ein „global player“ (Mobility Networks Logistics nennt sie sich neuerdings in ihren Hochglanzbroschüren) werden, mit Projekten in China, Russland und USA, im Luftverkehr und bei internationalen Speditionen. Das dafür benötigte „frische“ Kapital soll die Teilprivatisierung bringen. Das wäre dann der Startschuss für den weiteren „Ausverkauf“. Was interessieren da noch marktgerechte, kundennahe Bahnangeboten in Deutschland?
Die Flächenbahn hat dann endgültig ausgedient. Schluss mit Dezentralität und Kundennähe. Das passt nicht mehr zu den hohen Renditeerwartungen der institutionellen Anleger. Das Konzept von einem Bahnland Deutschland nach Schweizer Vorbild wird dann endgültig abgeschrieben. Deutschland wird endgültig Stauland. Und die Verkehrspolitik schaut dieser Demontage der Bahn, ihres wichtigsten verkehrspolitischen Trumpfes, ergeben zu, verzichtet auf eine eigene Gestaltungskraft, auf eine eigene, zukunftsfähige, nachhaltige Bahnkonzeption, beschränkt sich auf das Tüfteln an ein paar spitzfindigen juristischen Details, statt endlich die Grundsatzdebatte zu eröffnen, zu der auch der VCD viel beizutragen hat: Wie muß eine attraktive, kundenorientierte Bahn für Deutschland aussehen, was kostet sie und was bringt sie?

 

 

Kundenwunsch Nr. 10

Gepäcktransport

Foto:Marcus Gloger

Wer übers Wochenende verreist oder mit der Bahn in den Urlaub fährt, hat meistens einiges an Gepäck dabei. Während Autofahrer ihre Klamotten einfach in den Kofferraum stopfen, müssen Bahnreisende sowieso schon platzsparend packen. Am Bahnhof angekommen möchten sie dann aber Aufzüge zu allen Gleisen, Rolltreppen oder wenigstens funktionierende Gepäckbänder vorfinden. Im Zug brauchen sie Stauraum für große Koffer und Platz für Rucksäcke und Kinderwagen. Und weil nicht jeder gleich bis zum Ziel durchfährt, muss die Bahn an Bahnhöfen Schließfächer aufstellen oder noch besser gleich eine Gepäckaufbewahrung anbieten, die rund um die Uhr geöffnet hat.

   
 

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