Politik 3/2007

Regionalisierungsmittel

Frisch gestrichen

2006 beschloss der Bund mit Zustimmung der Bundesländer, die Mittel für den Schienennahverkehr zu kürzen. Allmählich werden die Folgen in vielen Ländern offensichtlich. In Niedersachsen kämpft der VCD gegen Streckenstilllegungen.

 

 

 
  Foto: Volker Lannert
  Heißt zwar schon Futura, ist aber noch ein Schiff alter Bauart. Die meisten Binnenschiffe in Deutschland pusten deutlich mehr Abgase in die Luft als Lastwagen.

Als wichtigen Etappensieg bezeichnet der Vorsitzende vom VCD Niedersachsen Michael Frömming die Nachricht aus dem Landtag: Mitte Mai erklärten sich die CDU-Mehrheitsfraktion und die FDP-Fraktion bereit, die gekürzten Zuschüsse vom Bund für den Schienennahverkehr teilweise mit Landesmitteln aufzufangen. Das hatte der Landtag zunächst abgelehnt und damit drohende Verschlechterungen im regionalen Bahnverkehr in Kauf genommen. „Angesichts der weiterhin fehlenden 200 Millionen Euro für den niedersächsischen Nahverkehr bis zum Jahr 2010 sind die angekündigten 30 Millionen allerdings nur ein Tropfen auf den heißen Stein“, sagt Frömming.
Seit Sommer 2006 steht fest: Die Länder bekommen vom Bund bis 2010 insgesamt knapp 2,8 Milliarden Euro weniger Zuschüsse für den Schienenpersonennahverkehr, sogenannte Regionalisierungsmittel. Gleichzeitig allerdings haben sie dank der höheren Mehrwertsteuer seit Anfang 2007 mehrere Milliarden Euro pro Jahr zusätzlich zur Verfügung. Der VCD Niedersachsen hatte das Land schon vor Monaten aufgefordert, wenigstens einen Teil seiner Mehreinnahmen von jährlich rund 600 Millionen Euro in den Nahverkehr zu stecken, um das Schlimmste – die Stilllegung von Strecken – zu verhindern. Nun hat der Verband einen Teilerfolg errungen.
Laut einer Erhebung des Deutschen Städtetags kompensiert mehr als die Hälfte der Bundesländer die gekürzten Regionalisierungsmittel mit eigenen Geldern oder schichtet zumindest für den Straßenbau eingeplante Gelder zugunsten des öffentlichen Nahverkehrs um. Berlin beispielsweise gleicht 2007 die fehlenden Gelder komplett aus.
Nur in Berlin, Bayern und im Saarland werden weder Strecken stillgelegt noch Züge gestrichen. Im Rest der Republik müssen sich die Kundinnen und Kunden der regionalen Bahnen auf Fahrplanausdünnungen, höhere Ticketpreise oder das Ende ganzer Linien einstellen. In Brandenburg und Thüringen sind bereits die ersten Bahnstrecken den Mittelkürzungen zum Opfer gefallen.
In Baden-Württemberg drohen zwar noch keine Stilllegungen. Doch im Vergleich mit den anderen Bundesländern werden dort die meisten Züge gestrichen. Der VCD-Landesverband ruft deshalb die Bürger dazu auf, einen Protestbrief an die Landesregierung zu verfassen und sie aufzufordern, Einnahmen aus der Mehrwertsteuer in die Schiene zu investieren.

Einsatz vor Ort

Auch in Niedersachsen müssen die Träger des Schienennahverkehrs etliche Züge abbestellen. Davon ist unter anderem der Tourismusverkehr im Harz stark betroffen, was der VCD-Landesvorsitzende Michael Frömming als großen Standortnachteil für die Region ansieht. „Immerhin konnten wir verhindern, dass auf einer Bahnlinie der Verkehr komplett eingestellt wird“, sagt er. Sein Rezept für den erfolgreichen Kampf gegen Streckenstilllegungen: „Sobald wir erfahren, dass eine Strecke bedroht ist, mobilisieren wir die Politiker vor Ort, die Kreistagsabgeordneten und Bürgermeister. Wir machen ihnen klar, was die Zugstreichung oder das Ende der Bahnlinie für sie bedeuten würde“, erklärt Frömming. „Oftmals machen sie sich dann mit uns gemeinsam für den Erhalt des Angebots stark.“ Im Herbst 2006 gründete der VCD Niedersachsen zusammen mit anderen Fahrgast- und Umweltverbänden sowie den Gewerkschaften ver.di und Transnet das „Verkehrsbündnis Niedersachsen“. Es setzt sich für einen besseren Nahverkehr ein und will eine breite Öffentlichkeit erreichen.
Michael Frömming sieht in der Diskussion um die Regionalisierungsmittel auch eine Chance: „Die Politiker werden durch die Kürzungsdebatte für das Thema ÖPNV sensibilisiert“, sagt er. „Gerade im Zusammenhang mit den Klimaschutzdiskussionen muss ihnen klar werden, wie wichtig ein gut ausgebauter und funktionierender Nahverkehr ist.“

Kirsten Lange

www.volksinitiative-bus-und-bahn-in-niedersachsen.de
www.vcd.org/nds/index.htm
www.vcd-bw.de/aktionen/fahrplankuerzung/index.html


   
 

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