Politik 3/2007

Futura-Schiffe

Sauber den Rhein runter

Deutsche Binnenschiffe sind im Durchschnitt über 50 Jahre alt. Die Motoren, die sie antreiben, haben meist auch schon über 30 Jahre auf dem Buckel. Mit dem neuartigen Schiffskonzept Futura kommt jetzt die Zukunft in die Branche.

 

 
  Foto: Volker Lannert
  Heißt zwar schon Futura, ist aber noch ein Schiff alter Bauart. Die meisten Binnenschiffe in Deutschland pusten deutlich mehr Abgase in die Luft als Lastwagen.

Eine Woche lang lag im März ungewohnte Ruhe über dem Rhein. Der Grund: Das Containerschiff Excelsior hatte 31 Container verloren. Das Missgeschick löste eine tagelange Vollsperrung der Hauptwasserstraße Deutschlands aus. Aber nicht nur Ruhe kehrte ins Rheintal ein, auch die Luftqualität verbesserte sich spürbar. Die Uralt-Schiffsdieselmotoren, die deutlich mehr Schadstoffe in die Luft pusten als ein moderner Lkw oder gar ein Güterzug, hatten Pause. Die ökologischen Folgen hätten dramatisch ausgesehen, wäre das havarierte Schiff ein Einwandtanker gewesen, wie sie noch zu Hunderten auf deutschen Flüssen unterwegs sind.
Die neuen, vom Bundesumweltministerium geförderten Futura-Schiffe sind abgastechnisch auf dem neuesten Stand. Doch was bedeutet Futura-Konzept konkret? Nach einem Baukastenprinzip können diese Schiffe für jeden Bedarf konstruiert werden. Eines ist allen gleich: Sie haben vier Motoren, an jeder Ecke einen, mit vier um 360 Grad drehbaren Ruderpropellern, die diese Schiffe extrem manövrierfähig machen. „Mit diesem Schiff kann sogar meine Oma anlegen“, kommentiert der Schiffer Hans-Helmut Schramm launig die einfache Bedienung.

Patentierte Technik

Von vorn betrachtet, erkennt auch der Laie, dass an diesem Schiff etwas anders ist. Der gespaltene Bug erinnert an einen Katamaran. Eine patentierte Technik erzeugt während der Fahrt einen fünf Millimeter dicken Luftblasenschleier unter dem flachen Schiffsboden. „In Modellversuchen wurden die Spareffekte dieser Luftschmierung bisher immer nachgewiesen“, erklärt Udo Wulf, Schiffsentwickler bei New Logistics, „die Futura-Schiffe sind die ersten, die das in die Wirklichkeit übersetzen.“ Die Schiffsform, die Luftschmierung und die moderne Motorentechnik schaffen für ein Futura-Schiff einen Vorteil von 10 bis 30 Prozent gegenüber einem herkömmlichen Binnenschiff. Es bleibt dem Schiffeigner überlassen, wie er den Vorteil nutzt: Indem er bei gleicher Leistung weniger Treibstoff braucht oder bei gleichem Dieselverbrauch mehr Leistung abruft.
Moderne Abgasreinigungsanlagen reduzieren zudem die Feinstaubbelastung um 99 und die durch Stickoxide um 70 Prozent. „Den langen Leidensweg des Lkw bei der Abgasreinigung müssen die Binnenschiffer nicht noch einmal gehen“, plädiert Lars Mönch vom Umweltbundesamt für einen Quantensprung in der deutschen Binnenschiffflotte. Die lange von der Abgasgesetzgebung ignorierten Schiffsmotoren seien völlig veraltet. Da aber in der Zwischenzeit der Lkw mühsam Grenzwert für Grenzwert gesäubert wurde, könne das Binnenschiff jetzt einfach drei Schritte überspringen und von den technischen Entwicklungen auf der Straße profitieren.
Der erste Futura-Tanker katapultiert mit seinem modernen Partikelfilter und einem Stickoxid-Kat das Binnenschiff aus dem vorigen Jahrhundert direkt in die Zukunft. „Die Schadstoffmengen aus einem Futura-Schornstein sind geringer als aus einem Euro5-Lkw-Auspuff“, sagt Abgasexperte Mönch. Allerdings ist schwefelfreier Schiffsdiesel notwendig. Auf der Straße ist dies seit einigen Jahren kein Problem mehr. Auch auf dem Wasser soll das Angebot breiter werden. Dazu hat sich die Mineralölwirtschaft Anfang 2007 gegenüber der Bundesregierung verpflichtet. „Es tanken aber nur gut 15 Prozent der Binnenschiffe überhaupt in Deutschland“, bremst Klaus Picard, Hauptgeschäftsführer des Mineralölwirtschaftsverbandes die Euphorie. Deshalb sei es zwingend notwendig, auch auf die Niederländer und die Schweizer einzuwirken, dass sie ebenfalls zunehmend schwefelfreien Kraftstoff bereitstellen.

 
  Foto: BMU
  Das neue Futura-Schiff schafft mit modernem Partikelfilter und einem Stickoxid-Kat den Quantensprung in der deutschen Binnenschiffflotte.


Der Nachholbedarf des Binnenschiffs in Sachen Abgasreinigung ist eklatant. Gerne strickt die Branche weiter an dem Mythos, das Binnenschiff sei per se umweltfreundlich. Objektiv betrachtet stimmt das nicht. Eine Vergleichsstudie des Umweltbundesamts kam 2004 zu folgendem Ergebnis: Beim CO2-Ausstoß ist das Schiff zwar besser als der Lkw, aber um den Faktor 2,5 schlechter als die Bahn. Beim Feinstaubausstoß liegt das Schiff um den Faktor 1,6 höher als der Lkw und um den Faktor 10 schlechter als die Bahn.
Zu dieser rein auspufforientierten Bewertung kommt beim Binnenschiff der gravierende Aspekt des Flussausbaus dazu. „Binnenschifffahrt kann nur umweltfreundlich sein, wenn sie sich den Flüssen anpasst und nicht umgekehrt“, sagt Winfried Lücking vom BUND. Flüsse, die für die derzeit üblichen Schiffstypen mit einem schweren Motor am Heck ausgebaut würden, seien als Naturraum zerstört. Die Elbe zu begradigen und auszubauen, sei wirtschaftlich sinnlos und ökologisch katastrophal. „Und außerdem völlig unnötig. Das Verlagerungspotenzial von der Straße auf das Binnenschiff liegt unter zehn Prozent“, rechnet Lücking vor, „und die Schiene hat entlang der Elbe noch jede Menge Kapazitäten, wenn man beispielsweise mit der Hinterlandanbindung des Hamburger Hafens argumentiert.“

Die Schiffe den Flüssen anpassen

Im aktuell gültigen Bundesverkehrswegeplan hat der Verkehrsminister insgesamt 6,6 Milliarden Euro als vordringlichen Bedarf für den Bau von Wasserstraßenprojekten eingeplant. Dem stehen allerdings nicht nur Umweltbedenken entgegen, sondern auch wirtschaftliche Überlegungen. Rechnete der Gesetzgeber die alternativen Verkehrsträger Lkw, Bahn und Binnenschiff seriös durch, dann käme er zu dem Schluss, dass Investitionen in die Schiene die verkehrliche Kapazität auch erfüllen und dies außerdem noch deutlich billiger und umweltfreundlicher ist.
Würden die Wasserstraßen nicht ausgebaut, landete der Zwang zur Investition beim Binnenschiffer selbst. 5,2 Millionen Euro kostet der Futura-Tanker „Till Deymann“, den der junge Reeder Martin Deymann gerade auf der Harener Kötter Werft bauen lässt. Das Bundesumweltministerium schießt bis zu 1,6 Millionen Euro zu, um die Umweltinnovation zu fördern. Für die niedersächsische Werft ist es der erste komplette Neubau seit Jahren. „Das könnte der Anfang einer Serienfertigung sein“, zeichnet Deymann rosige Perspektiven. Der Grund für den Optimismus sind die klaren Vorgaben aus der Mineralöl- und Chemiebranche. Für Tankschiffe ist die Doppelhülle bald Pflicht. Die Realität der deutschen Binnenschiffsflotte hinkt dieser Anforderung hinterher. 264 von insgesamt 374 Tankschiffen fahren einwandig durch unsere Flüsse. Diese Zahlen hat das Bundesamt für Güterverkehr für das Jahr 2004 erhoben. „Der Druck der Branche auf die Reeder ist enorm“, bestätigt Dr. Picard, Geschäftsführer des Mineralölwirtschaftsverbandes. Fritz Hakemann, langjähriger Firmenchef bei Hagola Gastronomie Technik und bei New Logistics als Kapitalgeber eingestiegen, bestätigt diese Entwicklung am Tankermarkt: „Shell und BP werden die Doppelhülle sehr schnell durchsetzen“, ist er sich sicher.
Seit Anfang des Jahres können Binnenschiffer bei der KfW-Bankengruppe einen zinsgünstigen Kredit im Rahmen des ERP-Umwelt- und Energiesparprogramms für den Bau neuer, emissionsarmer und flussverträglicher Schiffe beantragen. Außerdem ist die Bundesregierung einer langjährigen Forderung der Binnenschiffer nachgekommen. Schon zum 1. Januar 2006 wurde der § 6b des Einkommenssteuergesetzes wieder in Kraft gesetzt. Danach kann der Veräußerungsgewinn aus dem Verkauf eines alten Schiffes steuerfrei in den Kauf eines neuen Schiffes investiert werden.
Der Kurs für eine zukunftsfähige Binnenschifffahrt ist klar festgelegt. Die zeitgemäße Abgasreinigungstechnik beim Lkw könnte erfolgreich auf Schiffe übertragen werden. Das beweisen die Tests mit den ersten Futura-Schiffen. Der notwendige schwefelfreie Schiffsdiesel ist vorhanden und die Bundesregierung stellt attraktive Rahmenbedingungen zur Finanzierung bereit. Wenn diese Chancen nicht genutzt werden, dürfte es bald öfter ruhig werden über den schiffbaren Flüssen in Deutschland. Dann nämlich, wenn Binnenschiffen die Zufahrt in Umweltzonen verwehrt wird, weil sie zu viel Rußpartikel oder Stickoxide mitten in der Stadt aus ihren Schornsteinen pusten. Oder weil sie aufgrund zunehmender Niedrigwasserstände schlicht nicht mehr manövrierfähig sind.

Michael Adler

   
 

zurück zum Inhalt