Editorial 3/2007
 

Allein am Automaten

 
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Kürzlich berichtete eine Kollegin, dass ihr Mann zu 40 Euro Strafe, pardon Fahrpreisnacherhebung, verdonnert wurde, weil er im Regionalexpress von Bonn nach Düsseldorf sein Ticket im Zug kaufen wollte. In Bayern und Baden-Württemberg verkündeten Lautsprecher in den Zügen das Ende des spontanen Zugfahrens im Nahverkehr wochenlang. Stichtag in Bayern war der 1. April 2007, im Ländle der 10. Juni. Und wie ist es eigentlich in Rheinland-Pfalz oder Hessen? Der Fahrgast versteht nun endgültig Bahnhof.
Im Verkehrsverbund gilt die BahnCard nicht. Warum eigentlich nicht? In Verkehrsverbünden zahlen die Kinder. Auch in DB-Zügen? Die Automaten an einsamen Landbahnhöfen sind ohne Hilfe eines Servicemitarbeiters eher ärgerlich. Meist gibt es diesen Mitarbeiter aber nicht, was der Grund für den Automaten ist. Das Ergebnis sind fragende Gesichter vor den modernen Touch-Screens. Die Bahn entzieht den Kunden die Beratung und bestraft sie bei Nicht-Kapieren des komplizierten Systems mit Fahrpreisnacherhebungen nicht unter 40 Euro.

Ein Beispiel illustriert die Nöte der Bahnkunden am Automaten: Bahnhof Assmannshausen in Hessen. Meine Familie will legal einen Nahverkehrszug nutzen. Ich verfüge über eine BahnCard 50 und ein Job-Ticket des Verkehrsverbundes Rhein-Sieg (VRS), meine Frau hat beides nicht, die Kinder sind acht und sechs Jahre alt. Ich versuche also einen gültigen Fahrschein zu erwerben, gerne bis Bonn-Oberkassel (Nordrhein-Westfalen), unseren Zielbahnhof.

Der vorhandene Automat verbindet bestimmte Reiseziele mit bestimmten Zahlenkombinationen. Das sinnfälligste Ziel mit Zahlencode auf meiner Reisekette ist Koblenz (Rheinland-Pfalz). Bonn existiert nicht.
Ich gebe also die Zahlen für
Koblenz ein und frage mich, wo die Taste für die BahnCard ist. Ich frage mich überdies, ob meine Kinder denn auch auf dieser Strecke kostenlos fahren. Der Automat hat auf diese Fragen keine Antwort. Ich erwerbe also ein einfaches Ticket nach Koblenz unermäßigt und kaufe für mich in Ermangelung einer BahnCard-Taste ein Kinderticket. Auf dem unermäßigten Fahrschein steht geschrieben, dass eigene Kinder kostenlos mitfahren dürfen. Hätten wir das also geklärt.
Gut, dass 25 Minuten zwischen Ankunft auf dem Bahnhof und Abfahrt unseres Zuges liegen. Mit dreimaligem Einfädeln meines Zehn-Euro-Scheines und der etwas zähen Selbstauskunft, die ich mir zu meinen Fragen erteile, brauche ich diese Zeit.
Der Zugbegleiter akzeptiert meinen Kinderfahrschein, obwohl er behauptet, da hätte es eine BahnCard-Taste geben müssen. In Koblenz geht das Automatenspiel von vorne los. Der Aufenthalt zum Anschlusszug ist lang genug, um auch diese Aufgabe zu meistern.
Wir haben den Tag auf diversen Burgen des Mittelrheintals verbracht, unter anderem auf der Pfalzgrafenburg bei Kaub am Rhein. Sie wurde einzig erbaut, um Zölle von den Reisenden im Rheintal zu erheben. Wie wäre es, wenn man solche Burgen wiederbeleben würde, als Zahlstation angepasst an die heutigen Kleinstaatengrenzen zwischen Bundesländern und Verkehrsverbünden?
Entspannte Bahnreisen ohne Fahrpreisnacherhebungen wünscht Ihnen

 

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