Titel 1/2007

Fluglärmgesetz

Völlig unzureichend

Das neue Fluglärmgesetz ist ein reines Entschädigungsgesetz, das den Lärm nicht an der Quelle bekämpft, sondern lediglich Ansprüche auf passiven Schallschutz festschreibt.

 
  Foto: Fraport
  Messstation am Flughafen Frankfurt

Der Bundestag hat am 14. Dezember 2006 nach jahrelanger Debatte ein neues Gesetz zum Schutz vor Fluglärm verabschiedet. Dafür stimmten SPD, FDP und die große Mehrheit von CDU/CSU. Dagegen stimmten Grüne und Linkspartei sowie einige CDU/CSU-Abgeordnete. Für Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) schafft das Gesetz eine deutliche Verbesserung des Lärmschutzes für Anwohnerinnen und Anwohner sowie Planungssicherheit für Flughäfen. Bei VCD und anderen Umweltverbänden überwiegt dagegen die Enttäuschung. Das Gesetz regelt im Wesentlichen die Finanzierung von Schallschutzmaßnahmen bei Wohnungen im Umfeld größerer Flughäfen und schränkt die Besiedlung im Flughafenumfeld ein. Aktiver Lärmschutz wie Nachtflugbeschränkungen und Nachtflugverbote sind nicht vorgesehen.

Im Laufe jahrelanger Beratungszeit ist aus einem im ersten Entwurf noch ambitionierten Gesetzentwurf des ehemaligen Umweltministers Jürgen Trittin (Bündnis 90/ Die Grünen) ein völlig unzureichendes Gesetz geworden, das den aktuellen Erkenntnissen der Lärmmedizin nicht genügt. „Fluglärm beeinträchtigt die Lebensqualität, senkt die Leistungsfähigkeit und birgt erhebliche Gesundheitsrisiken. Der notwendige Gesundheitsschutz für rund sechs Millionen Menschen, die in Deutschland hochgradig unter Fluglärm leiden, wird mit diesem Gesetz nicht gewährleistet“, kommentierte VCD-Bundesvorsitzender Michael Gehrmann das Gesetz.

Das Gesetz bleibt deutlich hinter den Schallschutzanforderungen aus aktuellen Planfeststellungsbeschlüssen zurück. Auch die jüngste Rechtssprechung des Bundesverwaltungsgerichtes wird untergraben. Das Gericht hatte zuletzt den besonderen Schutz einer Kernruhezeit zwischen 0 und 5 Uhr herausgestellt, was das Fluglärmgesetz jedoch überhaupt nicht berücksichtigt. Die Gesetzgeber sind auch von der europäischen Norm der Lärmermittlung abgewichen. Europaweit wird der besonders gesundheitsschädliche Fluglärm in der Nacht und in den Tagesrandzeiten spätabends und frühmorgens zugunsten der Fluglärmbetroffenen höher bewertet als der Lärm am Tag. Dies hat das Gesetz ebenfalls nicht umgesetzt. „Das Gesetz ist ein Kniefall vor der Luftverkehrswirtschaft. Die Politik blendet die negativen Effekte für Wirtschaft, Umwelt und Klima völlig aus“, kritisiert Gehrmann.

Die Lärmschutzbereiche, in denen Anwohner einen Rechtsanspruch auf Schallschutz haben, vergrößern sich durch das Gesetz an Flugplätzen, die keinen Ausbau planen, so gut wie nicht. Von dem Gesetz profitieren am ehesten die Anlieger von Flughäfen mit Ausbauplanungen wie in Frankfurt, da das Gesetz hier deutlich nied-rigere Werte zur Berechnung der Schutzzonen vorgibt und damit höhere Entschädigungen für verlärmte Gärten und Terrassen. Für den Flughafen Frankfurt werden die Mehrkosten auf rund 250 Millionen Euro geschätzt. Dass diese Summe für den Frankfurter Flughafenbetreiber Fraport locker wegzustecken ist, beweist allein die Tatsache, mit welcher Leichtigkeit Fraport vor kurzem das Haupthindernis beim geplanten Neubau einer Start- und Landebahn beseitigt hat: Der Flughafenbetreiber wird stolze 650 Millionen Euro an den amerikanischen Konzern Celanese zahlen, um das Chemiewerk Ticona in der Einflugschneise zu schließen und zu verlegen.

Helmar Pless

   
 

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