Reise 1/2007

Gesund und Vital

Schmerzmittel Urlaub

Mit Hexenschuss in den Winterurlaub? Das kann auch schiefgehen. Aber wer ein Hotel mit zertifiziertem Gesundheitsprogramm bucht, braucht die Urlaubswoche nicht im Bett zu verbringen, sondern macht statt dessen jeden Morgen Frühsport, lernt Tai-Chi-Übungen, löst die Gelenke durch ayurvedische Anwendungen und tankt jede Menge frische Luft.

 
Foto: Naturhotel Chesa Valisa  

„Höher. Noch höher. Nicht aufgeben, ein Stückchen geht noch …“ Gnadenlos treibt Trainerin Irene Lehfellner die drei Hausgäste an, die am frühen Morgen noch etwas halbherzig Beine und Po gegen die Schwerkraft anstemmen. Wer unter dem Programmpunkt „Aktives Erwachen“ um 7.30 Uhr etwas Beschaulich-Meditatives erwartet hat, wird schneller munter, als ihm lieb ist. Dehnübungen für Beine und Po wechseln sich ab mit Krafttraining für die Rückenmuskulatur und Entspannungsübungen, um wieder zu Atem zu kommen. Durch die Fenster des Gymnastikraums flutet das Morgenlicht. Während der Kreislauf in Schwung kommt, erreichen die ersten Sonnenstrahlen die Tannenspitzen oben am Hang.

Um 8 Uhr ist das halbstündige Aufweckprogramm absolviert. Das Angebot, nach der Gymnastik noch einen kalten Knieguss zu machen, lehnen die Frühsportler dankend ab. „Ganz so wach will ich um diese Zeit noch gar nicht werden“, entschuldigt Bernd seinen Mangel an Enthusiasmus für die Kneippsche Anwendung.

Urlaub im Rückenparadies

Das Naturhotel Chesa Valisa im Kleinwalsertal ist Partner des Qualitätssiegels Gsund & Vital. Fundierte Gesundheitsberatung, medizinische Anwendungen und ein gut angeleitetes Sportprogramm gehören zu den Kriterien, die „Gsund & Vital“-Häuser erfüllen müssen. Kein schlechtes Reiseziel also, um den Hexenschuss zu kurieren, den ich mir kurz vor der Anreise noch geholt habe.

Ich habe Wellness-Urlaub gebucht, ein bisschen Sport, ein bisschen Entspannung und ein bisschen Schönheit. Dann kam der Hexenschuss. Jetzt wünsche ich mir nur noch Schmerzfreiheit, um das alles genießen zu können. „Ziegenbutterbad in der Schwebeliege“ steht als Nächstes auf dem Programm. Martin Weber, der Masseur, der mich von Kopf bis Fuß dick mit einer Mischung aus Ziegenbutter und Öl einschmiert, macht mir Mut: „Ich schaue mir Ihren Rücken nachher mal an, das kriegen wir bestimmt wieder hin.“ Dann packt er mich in mehrere Lagen Tücher und versenkt mich in ein voluminöses, glucksendes Wasserkissen. Schwerelos schwebe ich bei angenehmen 38 Grad im Butterbad.

 
Foto: Naturhotel Chesa Valisa  
Ein Bad mit Blick auf die Berge: Bewegung und frische Luft gehören als tragende Säulen zu jedem Gesundheitsprogramm.  

Danach beschäftigt sich der Masseur erst einmal eingehend mit meinen Füßen. „Die Füße zeigen viel von dem, was mit Körper, Geist und Seele los ist“, erklärt er und diagnostiziert treffsicher: zu viel Stress, zu viel Kaffee und lange keine Erholungsphase mehr. Dann beginnt er die verspannte Muskulatur zu bearbeiten und die Blockaden zu lösen. Von der Massageliege runter geht es schon viel besser als rauf. Aber die Hauptarbeit steht noch bevor: „Möglichst viel Bewegung an der frischen Luft und regelmäßig die Bein- und Rückenmuskulatur dehnen“, empfiehlt der Masseur – und jeden Morgen „Aktives Erwachen“.

Hotelchef Klaus Kessler ist Frühaufsteher. Während sich seine Gäste mehr oder weniger aktiv mit Aufwachen beschäftigt haben, hat er schon auf Skiern die benachbarten Hügel erklommen. „Das Wetter ist herrlich, die Schneeverhältnisse sind gut“, schwärmt er beim Frühstück. Kessler ist im Kleinwalsertal aufgewachsen, vor ihm haben schon seine Eltern das Naturhotel Chesa Valisa betrieben. Er ist überzeugt davon, dass Wohlfühlangebote wichtig sind. Aber von einer rein passiven Entspannung hält er nichts: „Wellness und Entspannung sind wichtig, aber zuerst kommt immer die eigene Bewegung. Ohne die gibt es kein Wohlbefinden“, findet der Hausherr.

Er spricht von einem „Fünf-Säulen-Prinzip“, wenn er die Gesundheitsphilosophie seines Hauses erklärt. „Die intakte Natur rund ums Haus ist für uns der wichtigste Faktor“, sagt er. Direkt danach kommt die eigene Bewegung – am besten in der Natur. Bauökologie und Ernährung bilden zwei weitere bedeutende Eckpfeiler im hauseigenen Gesundheitssystem. Und wenn das alles stimmt, gehört natürlich auch das Verwöhnprogramm dazu.

Mit viel Ausdauer und Liebe zum Detail haben Klaus Kessler und seine Frau Sieglinde jede dieser fünf Säulen in ihrem Naturhotel umgesetzt. „Das ist ein immer weiter laufender Prozess“, sagt Sieglinde Kessler. „Wir haben uns schon 1987 ein Leitbild gegeben, das all diese Ziele beinhaltet und an dessen Umsetzung wir Schritt für Schritt immer weiter arbeiten.“

Im Schnee unterwegs

Um halb zwei ist Treffpunkt am Skischuppen. Bergführer Helmut begutachtet die Gruppe, die sich zur Einführungstour Schneeschuhwandern eingefunden hat. Bei diesen Wellness-Urlaubern weiß man nie, sagt sein leidgeprüfter Blick, vor allem, wenn wieder einmal nur Frauen am Start sind.

Bilderbuchwetter: Der Himmel ist strahlend blau. Die Tannen biegen sich unter ihrer weißen Last. Der Schnee glitzert in der Sonne. Bei jedem Schritt stieben feine, weiße Wolken auf. Nach den ersten Metern bergauf wandern Jacken und Anoraks in den Rucksack.

Helmut genießt den Schnee, die reine Bergluft und den Ausblick: „Da hinten, wo es so finster ist, ist Deutschland“, spöttelt er. Wie man bei solchen Schneeverhältnissen lieber in der Sauna schmoren oder auf der Massageliege dahinvegetieren kann, ist dem durchtrainierten Mittfünfziger ein unlösbares Rätsel. „Die Leute geben ihren Körper in der Wellness-Abteilung ab und haben das Gefühl, damit schon etwas für sich getan zu haben“, urteilt er.

Die Gruppe kommt schnell voran und ist enttäuscht, als es wieder an den Abstieg geht. Aber von Deutschland her ziehen dunkle Wolken auf, und schließlich erleichtert die Vorfreude auf ein Stück Apfelstrudel mit Schlagsahne die Rückkehr.

Schneeschuhwandern, Mountainbiken, Yoga, Tai Chi, Langlaufen oder Nordic Walking: Das Sportprogramm, aus dem die Gäste wählen können, ist breit gefächert. „Hier haben die Leute Zeit, mal das eine oder andere auszuprobieren“, erklärt Sieg-linde Kessler die Idee hinter dem kostenlosen Zusatzangebot. „Dabei lernen sie die Techniken und bekommen hoffentlich Lust, auch zuhause mehr Sport und Bewegung in den Alltag einzubauen.“ Dieses „Schnupperprinzip“ gilt auch für die vielen Gesundheits- und Wellnessangebote, die im Haus versammelt sind: von Fußreflexzonen- und Thaimassage über Rückentraining und Kneipp-Kuren bis zum großen Spektrum ayurvedischer Anwendungen.

In Öl getaucht

Alles riecht nach warmem Sesamöl. Es rinnt über die Stirn, läuft übers Gesicht, tropft aus den Haaren. „Der Stirnguss ist die Königsdisziplin im Ayurveda“, erklärt Irene. „Das Öl soll alles Schlechte und Schädliche mitnehmen und so den ganzen Körper reinigen.“ Noch eine Wunderheilung: Sobald das warme, duftende Öl über die Stirn zu fließen beginnt, konzentriert sich alles Empfinden da, wo der warme Ölfluss die Stirn berührt. Viel zu schnell leert sich der Behälter mit dem goldenen Öl, aber die Behandlung ist noch nicht zu Ende. Mit langen, kräftigen Bewegungen streicht Irene den ganzen Körper mit warmem Öl ein. Schöner kann man für einen langen sportlichen Tag nicht belohnt werden. Anschließend schickt mich Irene ins Dampfbad. Der Dampf soll die Poren öffnen, so dass das wertvolle Öl noch besser einziehen kann. Da sitze ich nun, von Kopf bis Fuß triefend vor Öl, im warmen Dampf und frage mich, ob man sich irgendwo auf der Welt wohler fühlen kann.

Vielleicht in netter Gesellschaft bei einem hervorragenden Essen und einem Glas Wein im Hotelrestaurant? Die Stimmung ist gut in der alten Bauernstube. Das Menü schmeckt köstlich und manch einer geht immer wieder zum Salatbuffet, um noch ein bisschen Kürbiskernöldressing nachzuholen. Die Gäste sitzen an kleineren und größeren Tischen zusammen, erzählen von den Erlebnissen des Tages, politisieren oder tauschen Erinnerungen an vergangene Urlaube aus.

Österreichische Weine

Restaurant-Chefin Sophie Fandler ist dafür zuständig, dass der Service stimmt und alle Gäste glücklich sind. Dazu gehört auch die richtige Sitzordnung. „Keiner soll beim Essen allein sitzen“, sagt sie. „Geselligkeit ist ein ganz wichtiger Bestandteil des Wohlbefindens – wenn nicht der wichtigste. Wenn die Gäste neue Kontakte knüpfen, miteinander reden oder gemeinsam etwas unternehmen, dann geht es ihnen auch gut.“ Daher überlegt sie sich gut, welche Gäste sie an einen Tisch setzt. Die vielen Stammgäste, die seit Jahren kommen, erleichtern die Entscheidung. „Wir haben Gäste, die sind so nett, bei denen fühlt sich jeder gut aufgehoben“, lacht Sophie.

Als diplomierte Sommelière wacht sie auch über den Weinkeller. Kein Zufall, dass der nur österreichische Weine enthält. Sophie schwärmt von Zweigelt, Veltliner und St. Laurent, kennt die Geschichte jeder Flasche und kann stundenlang Anekdoten erzählen. Die „Österreichische Weinreise“, auf die sie jeden Dienstagabend die Hausgäste mitnimmt, ist schon deshalb ein besonderes Erlebnis. Sie ist aber auch ein soziales Instrument. „Am Ende der Weinprobe stellen wir die Flaschen zum Austrinken auf die Tische“, erzählt Sophie. „Dann nutzen auch Gäste, die sonst nichts miteinander zu tun haben, die Gelegenheit, ins Gespräch zu kommen.“ Es wird spät an diesem Dienstagabend. Nachdem alle Flaschen geleert sind, setzt der harte Kern die Weinprobe an der Bar fort. Es ist vermutlich kein Zufall, dass Mittwochmorgen der einzige Tag der Woche ist, an dem kein „Aktives Erwachen“ auf dem Programm steht.

Regine Gwinner

   
 

Naturhotel Chesa Valisa

Seit über 20 Jahren setzt Familie Kessler ihr Konzept vom gesunden Urlaub in Einklang mit der Umwelt um. Wer mit der Bahn kommt oder während seines Aufenthalts den Autoschlüssel abgibt, spart die Parkgebühren und wird mit einem Stück Walser Käse belohnt. Im Sommer gibt es ein Leih-Mountainbike für die Mobilität vor Ort.

Infos, Preise und Pauschalen unter www.naturhotel.at oder telefonisch unter +43 (0)5517 54140

Kleinwalsertal

Das Kleinwalsertal ist eine österreichische Enklave, die nur von Deutschland aus zu erreichen ist. Nächster Bahnhof ist Oberstdorf. Von dort fährt der Walserbus im Taktverkehr ins Kleinwalsertal. Hotelgäste können mit der Walserkarte umsonst den Bus nutzen.

Infos zum Kleinwalsertal und zum Walserbus unter www.kleinwalsertal.com oder unter
Tel.: +43 (0)5517 51140

Gsund & Vital

Die Sauna im Keller macht noch kein Wellness-Hotel. Daher will das „Gsund & Vital“-Zertifizierungsverfahren die Qualität von Wellness nachvollziehbarer machen. Maximal fünf „Wohlfühlsonnen“ können Hotels und medizinische Betriebe erhalten, die ein breites Spektrum an Gesundheits- und Wellnesseinrichtungen haben.

Infos zu Gsund & Vital unter
Tel.: +43 (0)5513 62420 oder www.gsund.com

Blaue Schwalbe-Häuser

Das Naturhotel Chesa Valisa trägt die von der Zeitschrift Verträglich Reisen vergebene Blaue Schwalbe.

 

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