Reise 6/2006

Schweiz

Kröntenhütte

Die Hütte ist Ziel von Wanderern oder Skitourengängern und verspricht Einsamkeit am Gletscher.

 
Foto: Nils Theurer  

Die Steigfelle unter den Skiern surren den Takt. Empor, empor! Regelmäßig stürmt die Puste dem Metronom der Schritte gleich durch dicke Backen. Noch fünfzig Schritte bis zum nächsten Stein, zweihundert bis zur nächsten Kurve der Skispur, viertausend bis zur Hütte? Einerlei. Das Essen auf der Kröntenhütte zieht nach vorn, der Rucksack mit Jacke, Lawinenschaufel, Karte und Pflaster nach hinten. Riecht nicht schon was nach Küche?

Dunkel wird’s, blaue Stunde, große Runde: Die Gipfel im Osten werden eben noch ausgeleuchtet, die Spitzen im Westen steigen als Scherenschnitt der untergehenden Sonne entgegen. Unsere Richtung. Martin setzt seine Stirnlampe auf und liest den Höhenmesser ab. „Neue LED-Lampe“, grinst Martin und leuchtet mir direkt in die Augen. „Siebzehnhundertzwo – noch exakt zweihundert Meter!“ Höhenmeter leider, das bedeutet wenigstens eine halbe Stunde weiter Surren, Schritte zählen. Führt die Spur jetzt nicht abwärts? Ach ja, der Winterweg führt ja über eine kleine Anhöhe. Gleich drauf geht ein Lichtlein auf: Die Hütte ist erst auf kurzer Abfahrt vom Päuggenegg hinunter zu sehen und winkt mit ihrer unvermeidlichen Schweizer Fahne, die zwei leuchtenden Fenster weisen den Weg zum Paradies. „Hammers“ sagen sie hinter einem und „auf zum Yetibraten“.

Endlich gibt’s Hüttenschuhe statt der schweren Tourenstampfer, Teetrinken statt Schwitzen, Schwätzen statt Keuchen. Sogar Daunenbetten – Duvets nennen sie die Schweizer vornehm – kuscheln bergige Träume herbei. Vorher jedoch kommt das Nachtessen. Hauptsache sättigend, hieß es früher in vielen Bergsteigerhütten und in manchen noch heute. Doch Irene und Markus Wyrsch, den Hüttenwirten, wär’s viel zu einfältig. Auf den Berg helfen am nächsten Tag soll es auch, aber es muss auch schmecken. Und wer Glück hat, bekommt „Brischtner Nytlä“ als Nachtisch, gedörrte Birne, die mit Wein aufgekocht und so lange reduziert wurde, bis karminrot der Sirup um die Spezialität aus dem Kanton Uri zurückbleibt. Optisch und geschmacklich unterstrichen durch allerhand Schlagrahm.

„Krönten“, „Spannort“, „Zwächten“ oder „Schneehühnerstock“ heißen die Gipfel, die am nächsten Tag die Spuren der Skitourengänger erwarten. Allesamt gut tausend Meter höher als die Hütte – wer früh genug aufsteht, blinzelt selbst bei mäßigem Tempo mittags wieder zum Kaffee auf der Bank unter den Fensterläden der Sonne entgegen. Aber auch wer zum Beispiel mit Kindern einen Tag ohne Tour verbringen will, kann staunen: Eine Riesensammlung Gesellschaftsspiele liegt im Schrank des Gastraums – die drei Kinder des Hüttenwarts wohnen und helfen nämlich während der Hauptzeit, von Mitte Juni bis Ende September, mit. Von Freitag- bis Montagmorgen zumindest. „Ab drei hab ich sie nicht mehr in der Kraxe getragen, da sind sie dann gelaufen“, erwähnt Irene Wyrsch und der Sohn schmunzelt, dass er’s in 48 Minuten geschafft habe, von Bodenberge, auch unserem Ausgangspunkt, zur Hütte: Wir brauchten gut drei Stunden. Selbst in Schulwochen kommt er gerne mittwochabends hinauf, mit dem Fahrrad bis zum Ende der Straße, den Rest zu Fuß. Und wenn er sein Bergrad am Donnerstag früh wieder besteigt, wartet eine rasante Abfahrt den einspurigen Fahrweg hinab auf ihn.

 
Foto: Nils Theurer  
Aufstieg geschafft: Die Kröntenhütte will erwandert werden.  

Die Kröntenhütte ist kein Alpenhotel, darf auch gar keines sein, sonst würde den Gästen etwas fehlen. Die Hüttenwarte sagen gern du zu den Gästen und sie backen ihnen jeden Abend fürs Frühstück frisches Brot. Mitunter gelingt es dadurch, statt etwa 17 Hubschraubertransporten pro Saison zwei weniger zu benötigen, um Hunderte hungriger Alpinisten zu bekochen. Das ist doch die Höhe.

Nils Theurer

   
  Kröntenhütte, 1903 m
72 Schlafplätze, verteilt auf sieben Schlafräume, zwei Aufenthaltsräume, geheizter Trockenraum für Schuhe und Kleider.
Anfahrt: Bis Bahnhof Erstfeld stündlich mit Regionalzügen. Von dort geht’s mit dem „Alpentaxi“ weiter. Je nach Bedingungen bis zur Alpe Bodenberge (1000 m) für
9 Franken pro Nase. Im Winter, bis dorthin, wo der Schnee anfängt, meistens ist das der Sagerberg auf 790 m. (www.alpentaxi.ch)
Im Winter obligatorisch Hüttenwirte oder Lawinenbulletin konsultieren (www.slf.ch). Gesonderter Winterzustieg, teilweise durch Stangen markiert, ca. vier Stunden ab Bodenberge. Aufstieg und Touren außer mit Tourenski auch mit Schneeschuhen möglich, Führungen nach Absprache.
Preise: Übernachtung im Massenlager mit Halbpension: Mitglieder des Schweizer Alpenclubs oder des Deutschen Alpenvereins 52 SFr, Nichtmitglieder 62 SFr.
Jugendliche und Kinder ermäßigt.
Tel.: 0041 (0)41 8800172 privat
Tel.: 0041 (0)41 8800122 Hütte
E-Mail: kroentenhütte@gmx.ch
www.kroentenhuette.ch
   
 

zurück zum Inhalt