Politik 5/2006

Bahn-Privatisierung

Schwieriger Vorgang

Am Bahn-Börsengang scheiden sich die Geister. Unvereinbar sind die Positionen, die Details heiß umstritten, das Ganze für Bahnkunden schwer nachvollziehbar. Im Herbst geht das Ringen um die Privatisierung in die Endphase.

Foto: Marcus Gloger
Wer hat noch den Durchblick? Wessen Argumente werden sich bei der Bahn-Privatisierung am Ende durchsetzen? Kommt die Bahn überhaupt an die Börse?

Hartmut Mehdorn weiß seit Langem, was er will: Die Deutsche Bahn soll an die Börse, und zwar möglichst bald und als Ganzes – mit Netz, Bahnhöfen und dem Transport. Der Bahnchef kämpft für den Erhalt des DB-Konzerns, in dem die operativen Geschäftsbereiche Güterverkehr und Personenverkehr mit dem Schienennetz unter einer Holding vereint sind. Aus dieser sicheren Position heraus möchte Mehdorn die DB zur Marktführerin im globalen Eisenbahngeschäft machen. Wie es im Moment aussieht, wird er sich aber mit seiner Maximalforderung, dem sogenannten Integrationsmodell, nicht durchsetzen.

Auch der Gegenentwurf, dem eine klare Trennung von Infrastruktur und Transport zugrunde liegt, wird aller Wahrscheinlichkeit nach so nicht umgesetzt. Bei diesem Modell, das viele Verkehrsexperten favorisieren und das auch der VCD fordert, müsste die Deutsche Bahn ihr Quasi-Monopol aufgeben. Das Schienennetz bliebe beim Staat, der ein neutrales Unternehmen mit der Bewirschaftung des Netzes beauftragte. Damit wäre das Netz auch für andere Eisenbahnunternehmen geöffnet. „Nur so bekämen DB-Konkurrenten eine echte Chance“, sind sich die Bahnexperten im VCD einig.

Die neueste Variante der Bundesregierung ist das sogenannte Eigentumsmodell. Es sieht vor, Netz und Transport zu trennen. Der Bund bliebe zwar formal Eigentümer des Schienennetzes, die Bahn würde das Netz aber auf langfristiger vertraglicher Basis betreiben. Entweder sie pachtete das Netz oder sie bekäme einen sogenannten Nießbrauch eingeräumt, könnte sich also indirekt immer noch als Besitzerin fühlen.

Schwer vermittelbar

Für Mehdorn und seinen Bahnkonzern ist der von der Koalition angekündigte Verbleib des Netzes beim Staat unakzeptabel. Er lässt nichts unversucht, Einfluss auf die Parlamentarier zu nehmen, die letztlich das Wie und Wann der Privatisierung des staatseigenen Betriebes verabschieden müssen –und die längst nicht alle auf einer Linie sind. Mehdorn legte Ende August ein Papier einer amerikanischen Investmentbank vor, das besagt, eine komplizierte Aufteilung der Bahn sei für Investoren unverständlich, schrecke ab und würde den Börsengang um mindestens zwei Jahre verzögern.

Der VCD sieht in dem propagierten Eigentumsmodell keinen Durchbruch für eine umwelt- und verkehrspolitisch sinnvolle Organisation des Schienenverkehrs. „Es bedarf einer klaren Trennung von unternehmerischen und staatlichen Aufgaben im Schienenverkehr und damit einer klaren Trennung von Infrastruktur und Transport. Nur so wird es mehr Verkehr auf der Schiene geben“, sagt VCD-Verkehrsreferentin Heidi Tischmann. Im Eigentumsmodell behalte die Bahn die umfassende Kontrolle über das Schienennetz, auch wenn der Staat die Möglichkeit habe, organisatorische Korrekturen vornehmen zu können. „Solange aus der DB kein gemeinwohlorientiertes Zweckunternehmen wird, hat der Betrieb der Infrastruktur nichts bei einem renditeorientierten Logistikkonzern zu suchen. Der Bund muss sicherstellen, dass mehr und qualitativ besserer Verkehr auf die Schiene kommt. Dazu muss er jedoch nicht Transportgesellschaften besitzen, in denen er schon heute nichts mehr zu entscheiden hat. Deshalb lehnt der VCD einen Teilbörsengang nicht von vornherein ab“, sagt VCD-Vorsitzender Gehrmann.

Keine einheiliche Position

In den Fraktionen von SPD und CDU ist das letzte Wort über die Bahn-Privatisierung noch nicht gesprochen, auch wenn die Koalition jetzt dem Eigentumsmodell den Vorzug gibt. Die Verkehrsfachleute in den Parteien widersprechen laut und wollen das Schienennetz aus dem Unternehmen lösen und im Staatseigentum behalten. Auch die drei Bundesministerien Verkehr, Wirtschaft und Finanzen reden bei der Privatisierung mit. Im Herbst soll das Parlament über ein Privatisierungsgesetz abstimmen.

Uta Linnert

 

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